Washington. Im US-Haushaltsstreit hat der Kongress einen Shutdown kurz vor Ablauf der Frist abgewendet. Dabei ist die Ukraine der große Verlierer.
Wimpernschlag-Finale, das können sie in Washington. Aber nachdem im Kongress ein Regierungsstillstand („shutdown”) buchstäblich in letzter Minute am Wochenende abgebogen wurde, steht ein auswärtiges Opfer bereits fest: Die Ukraine geht bis auf Weiteres leer aus. Für den Krieg gegen Russland sollten ihr im Rahmen des jetzt mit enger Befristung verabschiedeten US-Haushalts 24 Milliarden Dollar an weiteren Militärhilfen zugesprochen werden. Doch daraus wird nichts.
Alle Appelle von Präsident Joe Biden und den Schlüsselfiguren beider Parteien im Repräsentantenhaus wie im Senat, die eine kontinuierliche Fortsetzung der US-Hilfen für Kiew gefordert hatten, scheiterten letztendlich an der derzeitigen Realpolitik in Washington. Danach sind weitere Milliardenzahlungen an die Ukraine nicht nur unpopulär – 62 Prozent der Bevölkerung sind laut Umfragen dagegen –, sondern auch im Kongress so toxisch, dass sie aus den Beschlussunterlagen entfernt werden mussten.
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Mike Quigley aus Illinois, der einzige Demokrat, der im Repräsentantenhaus gegen den Kompromiss gestimmt hat, der Hunderttausende Staatsbedienstete ab Montag weiter in Lohn und Brot hält, sagte später enttäuscht: „Das ist ein Sieg für Wladimir Putin.”
USA: Über die Hälfte der Abgeordneten gegen Ukraine-Hilfen
Das Weiße Haus teilt diese Meinung erwartungsgemäß nicht. Präsident Biden beeilte sich, nach der letzten Abstimmung, seinen Verhandlungspartner Kevin McCarthy, den republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, an Absprachen vom Frühsommer zu erinnern. Danach würden die Konservativen die Pro-Kiew-Politik Bidens im Kern weiter mittragen. Aber danach sieht es nicht mehr aus.
Über die Hälfte der rund 210 Abgeordneten in der unteren Parlamentskammer steht auf der Gegenseite. Polemisches Motto: Was haben wir mit der Sicherung der Grenzen der Ukraine zu schaffen, wenn unsere eigene Grenze im Süden zu Mexiko zigtausendfach von illegalen Einwanderern überlaufen wird? „Wir können unter keinen Umständen zulassen, dass die amerikanische Unterstützung für die Ukraine unterbrochen wird“, erklärte Biden – und klang nach dem Parlaments-Krimi am Samstagabend etwas verzweifelt. Der 80-Jährige weiß um die wahrscheinlichen Kollateralschäden.
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Republikaner: Droht Kevin McCarthy die Absetzung?
Und Kevin McCarthy musste zur Bewerkstelligung der nur bis zum 17. November geltenden Last-Minute-Brückenfinanzierung des Staatshaushaltes mit den Demokraten paktieren, weil die Stimmen aus den eigenen Reihen nicht reichten – das könnte für den Kalifornier das politische Todesurteil bedeuten. Seit Wochen drohen rund 20 Extremisten am rechten Rand der republikanischen Fraktion damit, den Nachfolger von Demokratin Nancy Pelosi als Nummer Drei im Staate abzuwählen.
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Ihr Wortführer ist der Abgeordnete Matt Gaetz aus Florida, der dem Ex-Präsidenten Donald Trump fast hündisch ergeben ist. Er hält McCarthy für zu nachgiebig und verlangt harte Kante gegen die Demokraten – sprich: milliardenschwere Kürzungen in den Bereichen Soziales, Klimaschutz und Gesellschaftspolitik.
Bereits am Montag könnte sich zeigen, ob die „Rebellen” bei den Republikanern ihren Anführer tatsächlich absetzen wollen. Der Antrag eines einzigen Abgeordneten kann dann eine Abstimmung über McCarthys Zukunft auslösen. Zeigen dem „speaker” fünf Parteifreunde die rote Karte, ist er seinen Posten los. Dass die Demokraten ihn retten würden, was rechnerisch möglich wäre, gilt als unwahrscheinlich. Hakeem Jeffries, ihr starker Mann, stehe für „solche Deals nicht zur Verfügung”, heißt es aus Parteikreisen.
Vereinigte Staaten: Nächste Haushaltsverhandlung Mitte November
Mit Ernüchterung registrierten US-Kommentatoren, dass der Kongress sich nur eine Verschnaufpause eingeräumt hat – „die großen Probleme bleiben ungelöst”. Bereits vor dem Thanksgiving-Feiertag im November steht eine Wiederholung des Haushalts-Pokers an. Die hauchdünnen Mehrheitsverhältnisse lassen wenig Spielraum. Kleine, radikale Minderheiten, wie die um Matt Gaetz, werden zu entscheidenden Faktoren.
Wenn es arg kommt, ist Kevin McCarthy dann bereits Geschichte. Und die Ukraine? „Wenn kein Geld mehr aus Amerika kommt, verliert Kiew den Krieg”, hatte vor Wochen der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, gesagt. Die Aussicht darauf schreckt die Republikaner ganz offensichtlich nicht ab. Präsident Wolodymyr Selenskyj wird sich laut Analysten perspektivisch verstärkt in Europa um Hilfe bemühen müssen.
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