Berlin. Bisher hat Kanzler Scholz (SPD) Bedenken, der Ukraine mit Taurus-Marschflugkörpern zu helfen. Experten halten das für unberechtigt.
Die Ukraine setzt große Hoffnungen auf diese Waffe der Bundeswehr: „Wir zählen sehr auf deutsche Taurus-Raketen“, sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, kürzlich. Die Bundesregierung lehnt die Weitergabe der Marschflugkörper bisher ab. Er sehe „derzeit keinen dringenden Entscheidungsbedarf“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor wenigen Tagen. „Die Bedenken liegen auf der Hand“, fügte der Minister unter Verweis auf die „besondere Reichweite“ von bis zu 500 Kilometern hinzu.
Die Taurus-Marschflugkörper würden der Ukraine die Möglichkeit geben, russische Führungsstrukturen und Nachschubwege weit hinter der Front zu treffen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) befürchtet aber, dass die Ukraine damit auch Ziele in Russland ins Visier nehmen könnte. Einem Bericht des „Spiegel“ zufolge prüft die Bundesregierung nun aber, wie die Ukraine in den kommenden Monaten mit Taurus-Marschflugkörpern versorgt werden könnte.
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Die Regierung sei in Gesprächen mit der Industrie zu der Frage, ob durch technische Modifikationen ausgeschlossen werden kann, dass die Ukraine Angriffe auf russisches Territorium ausführen kann. Aus Koalitionskreisen wurden dieser Redaktion entsprechende Überlegungen bestätigt.
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Bundeswehr verfügt über 600 Taurus-Marschflugkörper
„Der Einsatz der Taurus-Marschflugkörper kann technisch regional eingeschränkt werden“, sagte der FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber dieser Redaktion. Es halte dies zwar nicht für notwendig. „Aber: Es ist gut, dass das Kanzleramt nun über eine Lieferung an die Ukraine nachdenkt und der Prozess auf der Zielgeraden ist. Die Bundesregierung sollte nun schnell entscheiden.“
Die Bundeswehr verfügt Verteidigungsexperten zufolge über rund 600 Taurus-Marschflugkörper, davon sollen derzeit rund 150 direkt einsatzbereit sein. Die Bundesregierung bestätigte entsprechende Pläne allerdings nicht. Bezüglich der Abgabe von Taurus-Marschflugkörpern habe sich „keine Änderung ergeben“, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums dieser Redaktion. „Eine politische Entscheidung zur Abgabe wurde nicht getroffen.“
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Deutschland habe die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges „intensiv unterstützt und wird dies auch weiterhin tun“, teilte eine Regierungssprecherin mit. Man konzentriere sich dabei auf schwere Artillerie, auf gepanzerte Fahrzeuge und auf Luftverteidigungssysteme. „Zum Marschflugkörper Taurus gibt es keinen neuen Sachstand mitzuteilen.“
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Taurus-Waffensystem fliegt unter dem gegnerischen Radar
Für die Ukraine ist das Waffensystem nicht nur wegen der Reichweite interessant: Die Taurus werden vom Kampfjets abgeschossen, um Ziele am Boden zu treffen. Sie können Bunker durchschlagen und eignen sich damit etwa für Angriffe auf Gefechtsstände. Aus großer Höhe abgefeuert, können sie in einem Umkreis von rund 500 Kilometern eingesetzt werden. Fliegen sie näher am Boden, beträgt die Reichweite etwa 350 Kilometer. Ein weiterer Vorteil: Die Marschflugkörper können in sehr geringer Höhe von unter 100 Metern fliegen und sind damit schwer vom gegnerischen Radar zu erkennen und abzufangen.
Als Argument gegen eine Weitergabe der Taurus an die Ukraine wird bisweilen genannt, dass die Marschflugkörper von westlichen Kampfjets abgeschossen werden müssten, die Bundeswehr bestückt Tornados mit den Waffen. Über solche Flieger verfügt die Ukraine bisher aber nicht.
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Militärexperten verwiesen im Gespräch mit dieser Redaktion darauf, dass die Ukraine bereits über westliche Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow aus Großbritannien und Frankreich verfügt. In der französischen Version trägt das System den Namen Scalp. Die Waffen haben eine Reichweite von etwa 250 Kilometern. Ukrainische Jets seien so umgerüstet worden, dass sie die Storm-Shadow-Marschflugkörper abfeuern können.
Da die Ukraine von Großbritannien und Frankreich bereits westliche Marschflugkörper bekomme, bedeute eine Entscheidung der Bundesregierung zur Taurus-Lieferung „keine neue Qualität der Waffenlieferungen“, sagte der Sicherheitspolitikexperte Nico Lange dieser Redaktion. „Deswegen ist auch keine Eskalation zu erwarten, wenn Deutschland nun nachzieht.“ Mit Taurus, Storm Shadow und Scalp erhalte die Ukraine aber einen beständigen Nachschub solcher Präzisionswaffen. „Die Ukraine könnte damit Führung, Logistik, Munitionsdepots und Kommunikation der russischen Truppen weiterhin bekämpfen.“
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