Essen. Dünnere Wände und Leitungen über Putz wie in Holland bringt VdW-Direktor Rychter ins Spiel, um Baukosten und Mieten zu senken. Mehr im Podcast.

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Vor dem Hintergrund des wachsenden Wohnungsmangels in Deutschland fordert die Immobilienwirtschaft ein Absenken der Baustandards, wie sie etwa in den Niederlanden gelten. „Dort gibt es Leitungen über Putz, die Wanddicken sind deutlich geringer. Man verzichtet in der Regel auf eine Unterkellerung. Trotzdem kann man dort gut wohnen“, sagt Alexander Rychter, Direktor des Verbands der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen (VdW), im

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In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Baunormen in Deutschland verdreifacht worden. „Jede für sich ist nachvollziehbar, aber in Summe hat es dazu geführt, dass der Neubau immer teurer geworden ist“, kritisiert Rychter.

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Der VdW vertritt in NRW und dem nördlichen Rheinland-Pfalz 480 Mitgliedsunternehmen mit 1,1 Millionen Wohnungen, darunter börsennotierte Konzerne wie Vonovia und LEG, vor allem aber auch Genossenschaften und kommunale Unternehmen. Unter der Last steigender Zinsen und Baukosten haben sie ihre Neubauprojekte weitgehend gestoppt.

Alexander Rychter: Baustandards auf den Prüfstand stellen

Um die Lücke der 700.000 bundesweit fehlenden Wohnungen rasch zu stopfen, empfiehlt Verbandschef Rychter einen Blick in die Nachbarländer wie die Niederlande, die andere Anforderungen an Themen wie Lärm- oder Immissionsschutz stellten. „Warum soll es nicht ausreichen, dass es nur im Nachbarhaus eine barrierefreie Toilette gibt, wenn nicht in allen Häusern eine barrierefreie Toilette realisierbar ist? In unserem Rechtsverständnis wäre das nur schwer möglich“, meint der VdW-Chef. Deutschland sei aber aktuell in einer Situation, „in der wir viele Dinge kritisch auf den Prüfstand stellen müssen“.

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Ein Kostentreiber seien auch neue Mobilitätskonzepte. „Mieter wollen ihre E-Autos laden. Als Wohnungsunternehmen müssen Sie sich deshalb automatisch um Ladeinfrastruktur kümmern“, sagt Rychter. Dabei gehöre das Tanken wahrlich nicht zum Kern des Immobiliengeschäfts. „Hätte man in den 50er und 60er Jahren erwartet, dass das Wohnungsunternehmen beim Bau eines neuen Quartiers zugleich eine Aral-Tankstelle realisieren muss?“, fragt der Verbandsdirektor spitz. Die Politik lasse die Branche auch beim Thema E-Mobilität weitgehend allein.

„Wir haben schon in den Nuller Jahren viel zu wenig gebaut“

Bei der Suche nach Ursachen für die akute Wohnungsnot übt Rychter allerdings auch Selbstkritik. „Wir haben schon in den Nuller Jahren viel zu wenig gebaut“, räumt er ein. In der Branche, aber auch in den Kommunen habe angesichts erwarteter Bevölkerungsrückgänge die Einschätzung „Deutschland ist fertiggebaut“ vorgeherrscht. Diese Prognose habe sich aber als Irrtum erwiesen, weil es damals schon innereuropäische Zuzüge gab. „Mehrere Jahre in den Nullern unter der Quote von 250.000 gebaut. Das schleppt man eben mit“, urteilt Rychter.

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Der Verbandschef nimmt aber seine Mitgliedsunternehmen vor dem Vorwurf in Schutz, die lange Nullzins-Phase nicht genutzt zu haben, um neue Wohnungen zu bauen. Zwischen 2016 und 2022 hätten die Firmen ihre Investitionen nahezu verdoppelt. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 änderte sich die Situation aber. Mit dem „Heizungsgesetz“ des Bundes soll nun die Umstellung von Gas und Öl auf erneuerbare Energien beschleunigt werden. Rychter aber warnt und fordert mehr Zuschüsse der öffentlichen Hand für Wohnungsunternehmen: „Es kann nicht sein, dass sie ihre Jahresüberschüsse in den nächsten vier oder fünf Jahren ausschließlich in den Austausch von fossilen Heizungen durch Wärmepumpen investieren. Wir müssen auch neu bauen und generationengerecht modernisieren.“ Er befürchtet auch Auswirkungen auf die Mieten: „Es kann nicht sein, dass am Ende die Mieter für das Gebäudeeffizienzgesetz bezahlen müssen. Wir stehen für bezahlbare Mieten.“

Druck auf den Wohnungsmarkt auch im Ruhrgebiet

Rychter, dessen Verband VdW den jüngsten Wohnungsgipfel beim Bundeskanzler boykottiert hatte, begrüßt gleichwohl, dass die Bundesregierung ihre Pläne, neue Wohnhäuser noch effektiver zu machen, aufgegeben hat. „Beim Wohnungsgipfel hat man lediglich darauf verzichtet, den Neubau noch teurer zu machen“, sagt der Immobilien-Fachmann. Der sogenannte EH-40-Standard, der nicht mehr kommen soll, würde „unmittelbar auf die Baukosten wirken und würde das ohnehin schon teure Wohnen noch teurer machen“, so Rychter.

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Vor allem im Ruhrgebiet, das „voll ist von Gebäuden, die nach dem Krieg in den 50er und 60er Jahren gebaut wurden“ sieht er erheblichen Modernisierungsbedarf. „Es ist klüger, Effizienzen im Bestand zu heben als auf schärfere Neubaustandards zu schauen“, mahnt er. Auch zwischen Dortmund und Duisburg sei der Wohnungsmarkt inzwischen angespannt. Um neue Wohnungen zu schaffen rät Rychter dazu, Häuser in Siedlungen um eine Etage aufzustocken und auf den Dächern Photovoltaikanlagen zu installieren. „Wir sollten sehen, dass wir die Klimaziele primär durch die Modernisierung des Bestands erreichen und nicht, indem wir die bautechnischen Standards immer weiter nach oben schrauben.“