Gelsenkirchen. Nach Vonovia beklagt nun Vivawest, dass Wärmepumpen wegen schwacher Netze nicht angeschlossen werden können. Warum sich die Wohnungsnot zuspitzt.
Große Wohnungskonzerne wie Vonovia, LEG und Vivawest wollen Tempo bei der energetischen Sanierung von Wohngebäuden machen. Mit ihren Investitionen in CO2-arme Heizungen scheitern sie aber zunehmend an unzureichenden Stromnetzen in den Städten, die Wärmepumpen antreiben sollen.
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Uwe Eichner wird nicht müde zu betonen, dass sein Konzern längst nicht mehr nur Vermieter von 120.000 Wohnungen ist. „Wir sind auch ein Energieunternehmen“, sagt der Vivawest-Chef im Rahmen einer Rundreise der Volontärinnen und Volontäre der Funke Mediengruppe zu Orten der Energiewende. Immobilienfirmen produzieren inzwischen Solarstrom, nutzen Erdwärme und ersetzen zunehmend Gasheizungen durch Wärmepumpen. Doch die Transformation stockt – nicht nur bei Vivawest. „Von rund 500 Wohnungen konnten wir bislang nur 46 an Wärmepumpen anschließen. Es fehlt schlicht an leistungsfähigen Stromnetzen. Hier ist insgesamt noch ein langer Weg zu gehen“, beklagt Eichner.
Die Folge: Die alten Gasheizungen müssen auf unbestimmte Zeit weiterlaufen, weil Netzbetreiber beim Ausbau hinterher hinken. „Zum Glück können wir rund die Hälfte der Vivawest-Wohnungen mit Fernwärme beheizen“, sagt Eichner. Diesen Vorteil können aber längst nicht alle Unternehmen nutzen. Einer aktuellen Umfrage der landeseigenen NRW-Bank und des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen zufolge ist bei neun von zehn Wohnungsanbietern in NRW Gas der wesentliche Energieträger.
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Um aus dieser Abhängigkeit herauszukommen, setzen bei Modernisierungsmaßnahmen und im Neubau laut der Umfrage 61 Prozent der Unternehmen auf die Wärmepumpe. Doch diese Technologie, die der Luft Wärme entzieht, braucht große Mengen Strom – möglichst aus erneuerbaren Quellen. Doch dafür sind vielerorts die Netze noch nicht ertüchtigt. Eine Erfahrung, die auch der größte deutsche Vermieter aus Bochum gerade macht. Nachdem Vonovia-Chef Rolf Buch im Mai im Gespräch mit unserer Redaktion beklagt hatte, dass er seine Wärmepumpen im Pilotgebiet Dortmund nicht ans Laufen bekommt, weil die Leitungen fehlen, sieht der Dax-Konzern nun Bewegung. „Die Situation hat sich verbessert. Wir sind auf einem guten Weg“, sagt eine Vonovia-Sprecherin.
Vonovia: Die Situation in Dortmund hat sich verbessert
Auch die Nummer 2 der Branche, die LEG, gibt sich vorsichtig optimistisch. Die Düsseldorfer setzen verstärkt auf kleinere Luft-Luft-Wärmepumpen des Ratinger Partners Mitsubishi Electric, die in der Regel weniger Netzkapazität benötigen. Aber auch die LEG erwartet, dass sie „bei dem ein oder anderen Projekt an Grenzen geraten“ werde, wie ein Sprecher auf Anfrage sagt.
Die Wohnungswirtschaft steht aber nicht nur wegen der Wärmewende unter Druck. Aufgrund steigender Zinsen und Baukosten ist der Neubau zusammengebrochen. Allein Vonovia hat nach Angaben von Vorstandschef Buch den Bau von 60.000 Wohnungen auf Eis gelegt. Viele andere Unternehmen reagieren ähnlich. „Der Neubau geht total in die Knie und lohnt sich nur noch im höherpreisigen Bereich“, sagt Alexander Rychter, Direktor des Verbands der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen (VdW), der rund 150 Unternehmen vertritt.
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Einzige Alternative sei noch der geförderte Neubau. „Investitionen in den öffentlich geförderten Wohnungsbau lohnen sich umso mehr. Ein wichtiger Anreiz für Investoren sind hohe Tilgungsnachlässe, lange Laufzeiten und sehr attraktive Zinssätze“, sagt Claudia Hillenherms, Mitglied des Vorstands der NRW-Bank. Der Bedarf ist offenbar da. Nach ihren Angaben wurden im Jahr 2022 durch die Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen rund 6600 Wohnungen durch Neubau und Modernisierungsmaßnahmen gefördert.
Wohnungsengpässe verschärfen sich
Im frei finanzierten Bereich kommt es der Umfrage von NRW-Bank und VdW zufolge dagegen weiterhin in großem Umfang zu Bauverzögerungen, Stopps oder gar Stornierungen. Darunter leidet nach Einschätzung von Verbandsdirektor Rychter auf der ohnehin schon angespannte Mietmarkt. „Dass Mietwohnungen durch selbst genutztes Wohneigentum frei werden, wird immer seltener. Das verstopft den Mietwohnungsmarkt von oben“, sagt der Experte. Darunter zu leiden hätten insbesondere Menschen mit geringen Einkommen, weil bezahlbare Wohnungen aktuell einfach nicht mehr frei werden. Selbst in Gelsenkirchen betrage der Wohnungsleerstand nur noch 0,9 Prozent, so Rychter.
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Bei dem in der Emscherstadt ansässigen Unternehmen Vivawest fällt der Schnitt indes nicht so radikal aus wie bei anderen. „Wir versuchen trotz der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, weiterhin jährlich im Schnitt 900 neue Wohnungen zu bauen. Den Neubau komplett einzustellen, wäre gesellschaftspolitisch falsch“, sagt Vivawest-Chef Uwe Eichner. Dafür will er Investitionen in einem anderen Bereich streichen: „Wir haben uns bis auf weiteres vom Ankauf von Beständen verabschiedet“, so Eichner.