Berlin. Bei einem Messerangriff in Aschaffenburg starben zwei Menschen. Darunter ein Mann, der andere schützte. Wie Angehörigen geholfen wird.
Der tödliche Messerangriff in einem Park in Aschaffenburg erschüttert ganz Deutschland. Ein 28-jähriger Tatverdächtiger soll am Mittwochvormittag mit einem Küchenmesser auf mehrere Kindergartenkinder eingestochen haben. Ein zweijähriger Junge marokkanischer Abstammung starb dabei, ebenso ein 41-jähriger Deutscher. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zufolge sei der Mann ein Passant gewesen, der „mutig zum Schutz der anderen Kinder“ eingeschritten sei und dabei vom Täter „tödlich verletzt“ wurde. Hermann dankte dem Verstorbenen für sein Eingreifen. „Der Mann hat mutig wahrscheinlich den Tod von weiteren Kindern verhindert“, so der Minister.
Betroffen äußerte sich auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU): „Der Mord an einem Mann, der helfen wollte und den wir bewundern, lässt uns fassungslos zurück.“ Er kündigte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag an, dass der Mann posthum mit der Bayerischen Rettungsmedaille ausgezeichnet werde – als Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung für seine außergewöhnliche Leistung, auch gegenüber seiner Familie.
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„Wir werden die bisherigen Bemühungen in Bayern verstärken, Familien zu unterstützen“, sagte Söder weiter. Ein eigener Opferfonds solle hierzu stärker finanziell unterlegt werden als bislang. Damit sollen die betroffenen Familien „mehr Akzeptanz und Unterstützung durch den Freistaat“ erfahren. „Geld bringt niemanden zurück, aber es zeigt auch die Anerkennung, die Wertschätzung und die Hilfe“, so der Ministerpräsident.
Aschaffenburg: Wie Angehörige entschädigt werden
Angehörige, Hinterbliebene und sogenannte Nahestehende – dazu zählen etwa Geschwister und unverheiratete Lebenspartner – können Leistungen nach dem Sozialen Entschädigungsrecht erhalten, wenn sie durch das Ereignis eine gesundheitliche Schädigung erleiden. Das gilt ebenso für Augenzeugen von Gewalttaten. Darunter fallen medizinische Leistungen wie eine schnelle psychologische Betreuung, als auch finanzielle Hilfen wie Krankengeld, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie Entschädigungszahlungen.
Neben staatlicher Hilfe spielen Stiftungen wie die Dominik-Brunner-Stiftung eine wichtige Rolle. „Wir haben in der Vergangenheit schon Unterstützung für die Familien ähnlicher Fälle geleistet, wenn Zivilcourage im Spiel war“, sagt ein Sprecher der Stiftung. „Das ist immer die Basis für uns, um tätig werden zu können, das ist in unserer Satzung so festgelegt.“ Im Falle des 41-Jährigen scheine dies so zu sein, also könne die Stiftung aktiv werden.
Welche Unterstützung Angehörige nach solch einer Tat dringend benötigen, hänge vom konkreten Fall ab. In einigen Fällen bräuchten Angehörige vorrangig psychologische Hilfe. Bei anderen stehe medizinische Hilfe im Vordergrund, etwa, wenn eine Krankenkasse die Kosten einer Behandlung nicht übernehme. Die Stiftung leiste auch finanzielle Unterstützung, sollten Opfer und ihre Angehörigen durch die Ereignisse in Schwierigkeiten geraten.
Zivilcourage: Der Fall Dominik Brunner löste Bestürzung aus
Die Stiftung ist nach Dominik Brunner benannt. Dieser beobachtete 2009 auf seinem Heimweg in München mit der S-Bahn, wie drei Jugendliche versuchten, vier Schülerinnen und Schüler um Geld zu erpressen. Brunner griff ein: Er alarmierte die Polizei und bot den Schülerinnen und Schülern an, gemeinsam mit ihnen auszusteigen. Doch auf dem Bahnsteig eskalierte die Auseinandersetzung, und Brunner wurde von den Tätern mit Faustschlägen und Tritten brutal zu Boden geworfen. Zwei Stunden später erlag er seinen Verletzungen.
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Der Vorfall löste landesweite Bestürzung aus. Die Dominik-Brunner-Stiftung setzt sich heute dafür ein, das Andenken an Brunner zu bewahren, Zivilcourage zu fördern und Opfern von Gewalt sowie deren Angehörigen zu helfen. „Zivilcourage ist für uns das besonnene Einschreiten in Situationen, in denen unsere Werte verletzt werden und gleichzeitig Menschen akut in Gefahr sind“, sagt der Sprecher. Die Stiftung fördere Zivilcourage auf drei Wegen: durch Gewaltprävention, die Würdigung von und Hilfe für couragierte Helfer sowie Aufklärungsarbeit. Sie möchte Menschen dazu ermutigen, in Notsituationen mutig zu handeln – immer jedoch unter der Bedingung, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen.
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Fall in Offenbach: Tugce Albayrak schützte zwei Mädchen
Ein weiterer tragischer Fall ereignete sich 2014 in einer McDonald's-Filiale in Offenbach. Die Lehramtsstudentin Tugce Albayrak versuchte, zwei 13-jährige Mädchen zu schützen, die von einer Gruppe junger Männer belästigt wurden. Als Albayrak mit ihren Freundinnen das Restaurant verließ, traf sie erneut auf die Gruppe junger Männer. Nach einer kurzen Auseinandersetzung schlug der Angreifer Albayrak mit der flachen Hand ins Gesicht, sie stürzte zu Boden und schlug mit dem Hinterkopf auf den Asphalt auf. Zwei Wochen später wurden die lebenserhaltenden Maßnahmen im Krankenhaus beendet. Angehörige gründeten daraufhin den Verein Tugce Albayrak. Er ist vor allem an Schulen aktiv und bringt Schülerinnen und Schülern bei, Konflikte gewaltfrei zu lösen.
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In Aschaffenburg soll am kommenden Sonntag ein Gedenkgottesdienst für die Opfer und deren Angehörige stattfinden. Erwartet werden auch hochrangige Politiker und Politikerinnen.