Berlin. Nach der Attacke in Aschaffenburg haben Angehörige von dem getöteten Jungen (2) Abschied genommen. Das sagt seine Familie über ihn.
Die Anteilnahme war riesig: Rund 1000 Menschen drängten am Samstagnachmittag in die Moschee im Frankfurter Gallusviertel, um sich von dem kleinen Yannis zu verabschieden. Der Zweijährige war am Mittwoch, 22. Januar, bei der Messerattacke in Aschaffenburg getötet worden.
Die Familie des Jungen lebt in Aschaffenburg, doch die Moschee, der sie dort besucht, ist zu klein, um all die Trauernden zu beherbergen. Deshalb hatte die Familie ihre Freunde und Angehörigen nach Frankfurt eingeladen. „Schenke den Herzen seiner Eltern Ruhe und Erleichterung“, hieß es laut ARD-Bericht auf der Einladung. Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) nahm ebenfalls an der Trauerfeier teil.
Der Vorsitzende der Tarik-Ben-Ziyad-Gemeinde, Ahmed Araychi, berichtete dem „Hessischen Rundfunk“: „Die Leute waren still.“ Es sei schwer, die richtigen Worte zu finden. „Wir schöpfen viel Kraft aus unserem Glauben. Dass wir weitermachen können.“ Die Familie des Jungen hat, wie viele andere Gläubige der Gemeinde, marokkanische Wurzeln. Yannis‘ Leichnam soll nach Marokko überführt werden. Dort soll er in dem Dorf beerdigt werden, in dem seine Großeltern leben. Die marokkanischen Behörden hätten angekündigt, so die ARD, die Kosten zu übernehmen.
Aschaffenburger Familie „schockiert“ über Verlust
Gegenüber RTL hatte Yannis‘ Mutter von den letzten Stunden im Leben ihres Sohnes berichtet: Am Mittwochmorgen hatte sie ihn in die Kita gebracht, die ihre Söhne zweimal in der Woche besuchen. Yannis‘ großer Bruder (4) blieb an diesem Tag zu Hause, weil er krank war. Für diesen Tag hatte die Kita-Gruppe des „Kindernest Grenzenlos“ einen Ausflug in einen nahegelegenen Park geplant. Dort passierte es: Ein 28-jähriger Mann verfolgte sie, näherte sich der Gruppe und stach auf die Kinder ein.
Als die Mutter Yannis gegen 12 Uhr abholen wollte, war die Gruppe noch nicht von ihrem Ausflug zurück. „Ich habe meinem anderen Sohn gesagt: Komm, wir gehen und suchen deinen Bruder“, so die Mutter im Gespräch mit RTL. Unterwegs habe sie Sirenen gehört, doch Polizeibeamte hätten ihr keine Auskunft geben wollen, was passiert war.
Kurze Zeit später die schreckliche Gewissheit: Die Polizei erscheint in der Kita. In dem Moment, als ihre Schwester und ihr älterer Sohn aus dem Raum gebeten werden, sei ihr klar geworden, dass Yannis nicht mehr lebe, so die Mutter. Dann die vernichtenden Worte: „Dein Kind ist gestorben.“
Familie trauert um Yannis: „Es geht uns schrecklich“
Im Interview mit dem „Stern“ sagte eine Tante von Yannis: „Es geht uns schrecklich. Freunde, Bekannte, alle sind schockiert.“ Laut dem Bericht erhält die Familie rund um die Uhr Betreuung durch Seelsorger. Bilder aus dem Kinderzimmer des Jungen, die RTL veröffentlichte, zeigen seinen Rucksack in der Optik der beliebten Kinderserie „Paw Patrol“. Es wirkt, als hätte Yannis gerade noch damit gespielt: Neben einer Kiste mit allerlei Fahrzeugen, einer Schaufel und einem Xylophon steht sein liebstes Spielzeug – ein Polizeiauto.
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Der kleine Junge mit marokkanischen Wurzeln liebte die Polizei, wie seine Eltern RTL berichten. Sein Großonkel bekräftigt gegenüber „Bild“, Yannis habe selbst einmal Polizist werden wollen: „Wenn er mit einem Polizeiauto spielte, sagte er ‚Polizei, Polizei‘ und ‚ich Polizist, ich Polizist‘.“
Große Anteilnahme für getöteten Jungen: „Es bricht einem das Herz“
Die Betroffenheit über das Schicksal des Zweijährigen und der anderen Opfer ist groß in Aschaffenburg. „In Solidarität mit unserem Kind Yannis D.“, rief die Islamische Kulturgemeinschaft e.V. am Tag nach dem Angriff zu einer Solidaritätsbekundung auf. Am Donnerstagabend kamen Tausende Trauernde zum Tatort im Park, um dort eine Mahnwache abzuhalten.
Auch in den sozialen Medien nahmen viele Menschen Anteil am Schicksal des kleinen Jungen. Ein Foto von Yannis in einem senffarbenen Shirt wurde vielfach geteilt. „Der kleine Yannis, er wurde nur zwei Jahre alt“, schreibt ein Nutzer. „Es bricht einem das Herz.“
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Neben dem marokkanischen Jungen starb ein 41-Jähriger, der den Erzieherinnen und Kindern zu Hilfe eilte. Nach Informationen unseres Reporters vor Ort hinterlässt der Mann zwei Kinder und eine Frau. Er soll in einem örtlichen Fußballverein aktiv gewesen sein. Bei der Attacke wurde außerdem ein zweijähriges syrisches Mädchen durch drei Messerstiche im Halsbereich schwer verletzt. Ein 72-Jähriger erlitt Stiche im Brustkorb und eine der Erzieherinnen (59) brach sich im Handgemenge den Arm. Die Erzieherin konnte das Krankenhaus laut Polizeiangaben inzwischen verlassen, die beiden anderen Verletzten vermutlich zu Beginn der Woche.
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Bei dem mutmaßlichen Angreifer handelt es sich nach ersten Erkenntnissen um einen Afghanen, der bereits mehrfach wegen psychischer Probleme aufgefallen und polizeibekannt war. Ihm wird zweifacher Mord, zweifacher versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der Mann ist aktuell in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.