Rom. Die italienische Staatsanwaltschaft greift nach 44 Jahren die Ermittlungen wieder auf: Zeugen verraten Details zum Tod in den Bergen.

Ein Fotomodel, das später zur Baronin von Rothschild wurde – das allein hat bereits das Zeug zur Unterhaltung. Doch die Geschichte, die diese prominente Frau schrieb, weist geradezu Thriller-Qualitäten auf: Zusammen mit ihrer Sekretärin verschwand Jeanette Bishop, Ex-Frau des britischen Barons Evelyn de Rothschild, in einem Schneesturm von Italiens Bergwelt. Jäger entdeckten wenig später nur noch ihre von Wildschweinen zernagten Leichen. Nun kommt wieder Bewegung in den Fall, der sich vor 44 Jahren abspielte.

Der mysteriöse Tod der beiden verschwundenen Frauen aus dem Jahr 1980 wird jetzt neu aufgerollt. Der Staatsanwalt der Stadt Macerata kündigte an, er werde neue Elemente zu dem Fall genau prüfen und Zeugen befragen. Um den Auslöser der neuen Ermittlung macht er bisher jedoch noch ein Geheimnis.

Das Drama der Lady Rothschild: Wurde ihre Leiche versteckt?

Doch was genau war passiert? Zum Zeitpunkt ihres Verschwindens hielt sich Frau Bishop May in den Marken auf, einer Region in Mittelitalien. Hier wollte sie die Renovierung eines Bauernhauses organisieren, das sie kurz zuvor gekauft hatte.

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Am Tag ihres Verschwindens verließen sie gemeinsam mit ihrer italienischen Sekretärin Gabriella Guerin gegen 17 Uhr das Hotel, in dem sie logierten. Sie wurden zuletzt gesehen, wie sie bei schlechtem Wetter mit einem Peugeot eine abgelegene Bergstraße hinauffuhren. Das Auto wurde nach drei Wochen entdeckt, die Leichen erst 14 Monate später. Die Autopsie ihrer Leichen ergab damals keine Hinweise auf Gewaltanwendung. Ein Mysterium.

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Zunächst sah es so aus, als sei die Ursache für den Tod der Frauen Unterkühlung gewesen. Die italienische Justiz hatte die Ermittlungen daraufhin eingestellt, weil die beiden Frauen nach Ansicht der Behörden schlichtweg im Schnee erfroren waren. Die Ermittler konnten zudem nicht klären, ob die damals 40-jährige Bishop und ihre Begleiterin in dem Wald in der Nähe der Ortschaft Podalla den Tod fanden oder ob irgendjemand die Leichen dort versteckt hatte. Auch das genaue Todesdatum blieb ein Rätsel.

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Im Dezember 1982 stellte der zuständige Staatsanwalt Alessandro Iacoboni jedoch weitere Untersuchungen an, um zu prüfen, ob es sich um einen Mordfall handeln könnte. Im September 1989 stellte er dann fest, dass die Frauen Opfer eines Doppelmordes wurden, der von unbekannten Tätern mit unbekannten Mitteln verübt worden war. Die Ermittlungen wurden jedoch mangels an Beweisen eingestellt.

Anwalt verschweigt Hintergründe zur neuen Ermittlung

Nun aber beginnt die Staatsanwaltschaft mit der Anhörung von einem Dutzend Zeugen, die damals engeren Kontakt zu den Verstorbenen gehabt hatten. Giovanni Fabrizio Narbone, leitender Staatsanwalt der Stadt Macerata, lehnte es allerdings ab, Einzelheiten über die Gründe für die Wiederaufnahme der Ermittlungen bekannt zu geben.

Er bestätigte aber, dass die Untersuchungen wegen Doppelmordes wieder eingeleitet wurden. „Wir haben alle Unterlagen noch einmal überprüft, um festzustellen, ob es irgendwelche Anhaltspunkte für Widersprüche gibt. Wir meinen, dass es eine Chance gibt, der Sache auf den Grund zu gehen. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Menschen versterben, die in diese Geschichte verwickelt gewesen sein könnten oder davon wussten“, sagte Narbone gegenüber lokalen Medien. 

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Nach Angaben der Staatsanwaltschaft von Macerata sind viele Zeugen des Falls inzwischen tot. So lebt zum Beispiel nur noch einer der Jäger, die die Überreste der beiden Frauen gefunden hatten. Gestorben ist auch der damalige Hauptzeuge Daniele Talocco, ein ehrenamtlicher Richter von San Ginesio, der die beiden Frauen am Nachmittag ihres Verschwindens lebend gesehen hatte.

Handwerker sah sie als Letzter: „Sie war bezaubernd“

Nazzareno Venanzi, ein Handwerker, war einer der letzten Menschen, die die ehemalige Lady de Rothschild lebend gesehen haben. „Am Morgen zeigte sie mir ein Tor, das ihr für das Haus, das sie renovierte, zusagte“, berichtet er der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera.

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„Wir tranken einen Aperitif vor dem Mittagessen. Als ich erfuhr, dass sie nicht in ihr Hotel zurückgekehrt war, machte ich mir Sorgen und benachrichtigte die Polizei. Jeannette May war bezaubernd. Erst nach ihrem Tod erfuhr ich, dass sie in England bekannt war und die ehemalige Frau des Bankiers Rothschild war“, berichtete Venanzi. Vielleicht kann der Todesfall jetzt, 44 Jahre später, endlich aufgeklärt werden.