Berlin. Extreme Unwetter wie in Spanien nehmen zu und können auch Deutschland treffen, sagt Klimaforscher Niklas Höhne. Welche Maßnahmen er fordert.

Überflutete Straßen, aufgestapelte Autos, Einwohner, die ihr Hab und Gut verloren haben: Eine Woche nach den verheerenden Unwettern in Spanien mit bisher mehr als 200 bestätigten Toten ist zwar das Wetter deutlich besser. Aber in den betroffenen Regionen um Valencia gefolgt von Katalonien zeigt sich noch immer ein Bild der Verwüstung. An solche Extremregenfälle und die katastrophalen Folgen für die Bewohner müssen wir uns auch in Europa sehr wahrscheinlich gewöhnen, sagt Prof. Dr. Niklas Höhne, Klimawissenschaftler vom New Climate Institute in Köln.

Im Interview erklärt Höhne, wie solche Extremwetterereignisse mit dem Klimawandel zusammenhängen, was das für die Gefahr in Deutschland bedeutet und wie sich Staaten und Kommunen gegen künftige Unwetterkatastrophen wappnen können.

Extremer Regen innerhalb von nur wenigen Stunden: Wie bewerten Sie das, was wir vergangene Woche in der spanischen Provinz Valencia und später in der Region um Barcelona beobachten – ist das außergewöhnlich oder ein Stück weit erwartbar?

Niklas Höhne: Natürlich sind es erschreckende Bilder, die wir aus der Region Valencia sehen. Ganz ungeheuerlich und für die Menschen dort zu sehr schwierig zu verarbeiten. Aber was die Klimawissenschaft schon seit 30 Jahren sagt, ist, dass es mit der steigenden Temperatur zu häufigeren und zu heftigeren Extremwettereignissen kommen wird. Und das, was damals vorhergesagt worden ist, ist jetzt genau so eingetreten.

Welchen Anteil an Unwettern dieser Stärke hat der menschengemachte Klimawandel?

Höhne: Es liegt daran, dass wir weltweit schon sehr lange Kohle, Öl und Gas verbrennen. Das erzeugt CO2 und das wiederum bleibt sehr lange in der Atmosphäre. Das erwärmt den Planeten, die Luft kann dadurch mehr Wasserdampf aufnehmen, es erwärmt auch die Ozeane, deswegen verdunstet deutlich mehr Wasser. Und dieses Wasser muss irgendwann wieder herunterkommen. Dadurch kommt es jetzt zu Ereignissen wie in Spanien, wo so viel Regen an einem Tag herunterkommt wie sonst in einem ganzen Jahr. Das sind Extreme, auf die man nicht vorbereitet ist. Man muss klar sagen: Das sind Anzeichen des menschengemachten Klimawandels. Ohne diesen hätten wir diese Ereignisse in der Heftigkeit und Häufigkeit nicht.

Hochwasser in Spanien: „Sind keine ‚Jahrhundert-Ereignisse‘ mehr“

Welche Rolle spielt die geografische Lage dieser Regionen Valencia und Katalonien nah am Mittelmeer? Ist die besonders gefährdet solche Unwetter?

Höhne: Nicht unbedingt. Diese Wetterlagen gab es dort schon immer, aber sie waren nicht so heftig. Der Klimawandel und die hohen Temperaturen befeuern diese Stürme und Wetterphänomene noch mehr. Wir sehen, dass dieses Wetterphänomen von Valencia schon vorher da war, aber jetzt sehr viel heftiger ist. Das Gleiche gilt für die Unwetter vor einem Monat in Österreich und angrenzenden Regionen. Oder die jüngsten Hurricanes in den USA, die sind durch die extrem warmen Ozeane noch mal heftiger als vorher. Das ist einfache Grundlagenphysik: Höhere Temperaturen bedeuten mehr Wasserdampf, den die Luft aufnehmen kann, mehr Verdunstung und dadurch mehr Niederschlag, mehr Wind und auch mehr Sturm.

Nach den Überschwemmungen in Spanien
Nach dem Hochwasser: Freiwillige tragen Eimer mit Schlamm bei den Aufräumarbeiten in Paiporta bei Valencia in Spanien. © DPA Images | Hugo Torres

Viele Menschen haben den Eindruck, wir sprechen inzwischen fast jedes Jahr von einem neuen „Jahrhundert-Unwetter“. Muss man davon ausgehen, dass die Häufigkeit dieser Katastrophen auch bei uns in Europa weiter zunehmen wird?

Höhne: Leider müssen wir davon ausgehen, dass das keine „Jahrhundert-Ereignisse“ mehr sind, sondern das „neue Normal“. Das liegt daran, dass CO2 sehr lange in der Atmosphäre bleibt und dass selbst im günstigsten Fall, wenn wir sofort aufhören würden, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen, diese Ereignisse nicht weggehen würden, sondern sie bleiben.

Und die Staaten sind weit davon entfernt, sofort mit fossilen Brennstoffen aufzuhören.

Höhne: Wir sind fleißig dabei, jedes Jahr global noch mal mehr zu emittieren als im Jahr davor, wir beschleunigen derzeit noch den Temperaturanstieg jedes Jahr. Je früher wir Emissionen auf null reduziert haben, umso langsamer steigt die Temperatur und damit die Wahrscheinlichkeit für solche Extremwetterereignisse. Sie steigt aber immer. Das heißt, dieses Ausmaß von Schäden ist das neue Normal und geht nicht weg. Es wird, je nachdem, was wir dagegen tun, langsamer schlechter. Nichts zu tun, kann auf lange Sicht nicht gut gehen.

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Hätten sich die betroffenen Regionen besser vorbereiten können?

Höhne: Wir haben dieses Jahr enorme Auswirkungen gesehen, auf die sich die Regionen nicht hätten vorbereiten können. Kein Abwassersystem der Welt kann Regen von einem Jahr an einem Tag aufnehmen. Deswegen zu sagen, wir passen uns daran an und wir hoffen, dass wir da irgendwie durchkommen, das wird nicht funktionieren. Deswegen müssen wir jetzt raus aus Kohle, Öl und Gas, so schnell wie möglich. Je schneller wir das schaffen, desto langsamer verläuft der Temperaturanstieg und wir können noch Schlimmeres verhindern.

Niklas Höhne, Klimawissenschaftler vom New Climate Institute in Köln
„Der Klimawandel und die hohen Temperaturen befeuern diese Stürme und Wetterphänomene noch mehr“, sagt der Klimawissenschaftler Niklas Höhne vom New Climate Institute in Köln. © privat | Rixa Schwarz

Angesichts der Bilder in Spanien fragen sich viele: Was droht uns in Deutschland? Fürchten Sie ähnliche Ausmaße oder sind wir durch die geografische Lage geschützter?

Höhne: Betroffen sind wir alle weltweit. Es kommt ein bisschen auf die geographische Lage an, aber die Physik und die Phänomene sind überall gleich. Zum einen haben wir mehr heiße Tage, mehr Hitzeperioden. Die Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen und schneller den Boden austrocknen, deswegen kommt es zu enormen und längeren Dürren. In Deutschland haben zum Beispiel die Wälder sehr darunter gelitten. Und auch für die Gesundheit ist das schwierig: Wir hatten in Deutschland letztes Jahr rund 3000 frühzeitige Todesfälle wegen Hitze, insbesondere in der alten Bevölkerung. Das sind mehr als Verkehrstote.

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Schutz vor Extremwetter: „Die nächste Flut wird kommen“

Wie sieht es in Deutschland bei Starkregen und Stürmen aus?

Höhne: Auch hier haben die Stürme und Windgeschwindigkeiten zugenommen. Ereignisse wie 2021 im Ahrtal, wo in sehr kurzer Zeit auf sehr kleiner Geografie sehr viel Regen gefallen ist, sind bislang noch außergewöhnlich, aber auf die müssen wir uns langfristig einstellen. Wir hatten dieses Jahr in Deutschland schon mehrere Hochwasserkatastrophen, angefangen im Januar mit Hochwasser in Norddeutschland, das hat sich dann durch das ganze Jahr gezogen. Wir sind davon nicht ausgenommen und auch irgendwann von Hitze und Regenmengen überfordert. Wir müssen uns darauf vorbereiten.

Wie kann das aussehen? Was können Staaten bis hin zu Kommunen tun?

Höhne: Bei Hochwasser ist die Flächenversiegelung gefährlich. Je mehr Flächen wir versiegeln, umso schneller läuft das Wasser ab. Man muss dafür sorgen, dass das Wasser zurückgehalten wird. Wir sollten sehr aufpassen, wo und wie wir bauen. In Flusstälern ist es schwieriger als höher auf dem Berg. Hausbesitzer und -besitzerinnen müssen aufpassen, wie sie ihr Haus schützen, damit im Extremfall das Wasser nicht reinläuft. Auch Rückhaltebecken und Begrünung der Flüsse sind Maßnahmen, die man hier umsetzen kann. Aber wenn an einem Tag so viel Regen runterkommt wie sonst in einem Jahr, wird es überall brenzlig.

Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal ist mehr als drei Jahre her. Haben Sie den Eindruck, dass Deutschland beim Hochwasserschutz seitdem vorangekommen ist?

Höhne: Es geht in die richtige Richtung. Frühwarnsysteme funktionieren jetzt besser als damals. Aber der Druck ist groß, das eigene Haus wieder dort aufzubauen, wo es vorher gestanden hat. Auch wenn eigentlich absehbar ist, dass die nächste Flut kommen wird. Das kann ich auch nachvollziehen, das ist Heimat. Wir müssen auch das Versicherungssystem umbauen, damit es auf solche Situationen vorbereitet ist. Wir sind auf einem guten Weg, aber noch lange nicht da.