Rom. Zwei Monate nach dem Untergang der Luxusyacht haben sich erneut Taucher zum Wrack aufgemacht. Experten haben eine neue Theorie zum Unglück.
Die Ermittlungen um die im August vor Palermo gesunkene Luxusyacht „Bayesian“ laufen auf Hochtouren. Taucher haben nun im Auftrag der ermittelnden Staatsanwaltschaft erneut das Wrack inspiziert, in dem sieben Personen ums Leben gekommen sind, darunter der britische Milliardär Mike Lynch und seine Tochter Hanna. Die Ermittler erhoffen sich von dem Tauchgang weitere Erkenntnisse, die zur Rekonstruktion der Geschehnisse in der Unglücksnacht beitragen könnten.
Die wichtigste Frage, die die zuständige Staatsanwaltschaft von Termini Imerese beantworten muss, lautet: Wie konnte so viel Wasser in das Schiff eindringen, dass es sank? Vor allem, wenn es offenbar nicht über die große Heckklappe in den Maschinenraum geströmt sein kann, wie aus Videoaufnahmen von Tauchern hervorgeht. Erst nach Abschluss aller Untersuchungen will Oberstaatsanwalt Ambrogio Cartosio genaue Angaben zur Unglücksursache machen. Ermittelt wird indes zu möglichen technischen Defekten, die das Unglück begünstigt haben könnten.
Neue Theorie zum Untergang – lag es an der Bauweise?
Die neuste Theorie: Der Mast könnte schuld sein. Die „Bayesian“ verfügte über einen mit 72 Metern außergewöhnlich hohen und 40 Tonnen schweren Aluminiummast. „Technische Unterlagen zeigen, dass die ‚Bayesian‘ bei einem Sturm leicht hätte umkippen können und hierauf gesunken wäre“, berichtete jüngst die New York Times unter Berufung auf Experten. Andere „schwerwiegende Schwachstellen“ hätten zur Katastrophe beigetragen, darunter zwei große Glastüren, durch die bei starkem Wind und Wellengang gefährliche Wassermassen in das Boot hätten eindringen können.
Vor allem Giovanni Costantino, CEO der „Italian Sea Group“ (TISG), deren Reederei Perini die „Bayesian“ 2008 gebaut hat, wehrt sich gegen diese These. „Der Artikel der New York Times enthält aus technischer Sicht so lächerliche Konzepte, dass er nicht einmal kommentiert werden sollte“, hieß es in einer Stellungnahme der TISG. „Unser Unternehmen bekräftigt das, was bereits in der Vergangenheit über die Sicherheit des Bootes gesagt wurde.“
Nach Unglück: Reederei könnte Aufträge verlieren
Costantino vertritt seit dem Untergang die These, dass die Besatzungsmitglieder schuld seien und nicht strukturelle Probleme des Schiffes. Er hatte angekündigt, rechtlich gegen jene vorzugehen, die statische Mängel an der Yacht vermuteten. Hintergrund sind sicher auch wirtschaftliche Schwierigkeiten infolge des tragischen Unfalls: Bei der TISG-Tochtergesellschaft Perini Navi stehen nach einem Bericht der italienischen Zeitung „La Nazione“ drei Yachten kurz vor der Fertigstellung. Doch die Auftraggeber wollen nach dem Unglück die Schiffe nicht mehr übernehmen. Dem Unternehmen droht der Verlust neuer Aufträge.
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Seit mehr als zwei Monaten liegt die „Bayesian“ schon vor Sizilien auf Grund. Für die Bergung gibt es bislang immer noch keinen Termin. Die Pläne, um das Wrack an die Oberfläche zu bringen, kommen vorerst nicht voran. Das Schiff liegt in 50 Metern Tiefe, die Bergung gilt als kompliziert. Mindestens 40 Taucher und ein großer Lastkran werden benötigt – und die Zeit drängt, denn an Bord befinden sich noch mehr als 18.000 Liter Diesel. Die erneute Untersuchung durch Taucher bildet die Grundlage für die Ausarbeitung des Bergungsplans. Dieser muss aber noch dem Hafenamt Palermos vorgelegt werden, der ihn genehmigen muss. Erst danach kann die Bergung beginnen.