Essen. Die Phlegräischen Felder, ein Supervulkan bei Neapel, ließen eine Tempelanlage im Meer versinken. Ihre Erbauer kamen von weit her.
Die Nabatäer waren ein einzigartiges Volk der Antike, das auf einem Gebiet zwischen Arabien und Syrien lebte. Erst vor kurzem sorgte ihr Königreich für Schlagzeilen, als Archäologen eine Grabkammer unter dem „Schatzhaus“ der nabatäischen Hauptstadt Petra in Jordanien ausgruben. Die Fassade des Felsentempels diente bereits als Kulisse für den Film „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“. Doch jetzt berichten Meeresarchäologen von einer versunkenen Tempelanlage der Nabatäer – in Italien.
Vor der Küste von Pozzuoli, einer etwa 15 Kilometer westlich von Neapel gelegenen Stadt, fanden die Forscher die 2000 Jahre alten Überreste des Tempels: darunter Altäre und beschriftete Marmorplatten. Laut der in der Fachzeitschrift „Antquity“ veröffentlichten Studie sollen nabatäische Immigranten die Gebäude in Italien errichtet haben.
Die Gegend von Pozzuoli ist für ihre Erdbeben berüchtigt. Die Stadt selbst ist das Zentrum der Phlegräischen Felder, ein schlummernder Supervulkan, der erst kürzlich die Bewohner von Neapel durch eine Erdbebenserie über einen Ausbruch spekulieren ließ.
Archäologie: Erdbeben ließen Tempel im Meer versinken
Pozzuoli hieß in der römischen Antike Puteoli und war ein großer Hafen, an dem Schiffe aus dem ganzen römischen Reich anlegten, um ihre Handelsgüter wie Getreide abzuladen. Die seismischen Aktivitäten der Gegend haben seitdem die Küste von Pozzuoli um zwei Kilometer landeinwärts verschoben. Lagerhäuser und andere Gebäude des Hafenviertels sind dadurch im Meer versunken und konserviert worden. Bereits im 18. Jahrhundert vermutete man, dass es hier einmal einen Tempel gegeben haben muss. Darauf ließen entsprechende geborgene Artefakte schließen. Doch die genaue Position konnte niemand bestimmen.
Forschern gelang erst im Jahr 2023 ein Durchbruch, als sie bei der Kartierung des Meeresbodens der Region zwei unter Wasser liegende Räume im römischen Stil fanden. Auf einer Fläche von 10 mal 5 Metern bildeten Wände zwei große Räume, in denen Taucher zwei Altäre aus weißem Marmor entdeckten.
In den Altären waren rechteckige Nischen eingefügt, die wahrscheinlich in der Antike heilige Steine enthielten. In jedem Raum befand sich außerdem eine Marmorplatte mit der lateinischen Inschrift „Dusari sacrum“, was „Dushara geweiht“ bedeutet. Dushara war der Hauptgott der alten nabatäischen Religion.
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Römer zollten Heiligtum der Nabatäer Respekt
Die Entdeckung des nabatäischen Heiligtums im Hafengebiet des alten Puteoli zeigt, wie stark die nabatäischen Kaufleute in die römische Gesellschaft integriert waren. Die Verwendung von Marmor für Altäre und Inschriften verdeutlicht den Wohlstand und den hohen Status der Nabatäer, heißt es in der Studie.
Die Nabatäer erlebten unter der römischen Herrschaft von der Zeit des Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr) bis zu Trajan (98 bis 117 n. Chr.) eine Blütezeit. Sie kontrollierten wichtige Handelsrouten, auf denen sie Luxusgütern aus dem Osten ins Reich transportierten.
Mit der Gründung der römischen Provinz Arabia Petraea im Jahr 106 n. Chr. verloren die Nabatäer jedoch ihre Unabhängigkeit und ihre Handelsdominanz. Rom übernahm die Kontrolle, und der Tempel bei Neapel wurde aufgegeben. Später wurde die kunstvolle Anlage mit einer Mischung aus Beton und Keramikscherben aufgefüllt. Nicht aus Respektlosigkeit, sondern aufgrund der römischen Tradition, heilige Orte zu achten. Archäologische Funde, darunter Amphoren, weisen darauf hin, dass der Tempel zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. zugeschüttet wurde, was das Ende der nabatäischen Präsenz in Puteoli markierte.
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