Florida/Berlin. Von Hurrikan Beryl bis Milton: Hurrikan-Jäger Jonathan Petramala ist vor Ort. Hier erklärt er, was ihn an dem gefährlichen Job reizt.

Wenn andere Hals über Kopf flüchten, richtet Jonathan Petramala gerade erst seinen Arbeitsplatz ein. Als „Hurricane Chaser“ (zu Deutsch: „Hurrikan-Jäger“) dokumentiert er die extremsten Wetterereignisse der Welt und ist dabei immer mitten im Geschehen. Der Journalist, der früher einige Jahre für ein US-amerikanisches Wetternetzwerk arbeitete, hat so unter anderem schon mehrere Hurrikans hautnah erlebt. Mittlerweile berichtet er hauptberuflich auf Youtube, Instagram oder Facebook über extreme Wetterereignisse und bewegende Schicksale – und lässt die Menschen vor Ort von Zerstörung und Hoffnung erzählen.

Kontakt nach außen ist für die Betroffenen das wichtigste

Das eigene Schicksal ist den Betroffenen jedoch in der Regel nicht das wichtigste. „In Stürmen wie Hurrikan Dorian und Beryl wollen die Leute einfach gesehen werden. Sie hoffen, dass ihre Familien erfahren, dass es ihnen gut geht“, berichtet Petramala im Gespräch mit dieser Redaktion. Gerade wenn es keine anderen Kommunikationsmöglichkeiten gebe, seien die Menschen oft sehr dankbar für die Möglichkeit, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Über die sozialen Medien macht Petramala das möglich.

Als erster Berichterstatter vor Ort zu sein, ist eine keine leichte Aufgabe, erzählt der Wetterexperte. „Es ist hart, die Verwüstung zu sehen. Ich bin aber immer wieder beeindruckt von der Widerstandsfähigkeit und der Freundlichkeit der Menschen, denen ich begegne“, sagt Jonathan Petramala. Im Gespräch mit den Betroffenen wird das Wesentliche offensichtlich. Auf die Frage „Wie geht es Ihnen?“ käme häufig als knappe Antwort: „Ich lebe.“ Man merke schnell, was wirklich wichtig ist: die eigene Gesundheit und die der Familie. Materielle Dinge können ersetzt werden, das eigene Leben nicht.

Hurrikan-Jäger: Das war sein brenzligstes Erlebnis

Auf seinen Reisen in Katastrophengebiete kommt Petramala auch selbst immer wieder in gefährliche Situationen. Doch diese Gefahren, so erklärt er, würden oft übertrieben dargestellt. „Wir respektieren die Stürme immer, planen Fluchtwege und sichere Unterkünfte.“

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Der Sturm an sich sei ohnehin weniger gefährlich als die Begleitumstände. Problematischer seien umgestürzte Bäume und Stromleitungen, die Fluchtwege versperren oder Unfälle verursachen können. Die größeren Risiken wie Sturmfluten plant er mit seinem Team vorab ein und bereitet sich entsprechend darauf vor. Das sei zwar wichtig, eines sei aber zu jedem Zeitpunkt klar: „Jeder Sturm ist anders.“ Garantien gibt es keine.

Eine besondere Situation erlebte er im Hurrikan Beryl, der im Juli diesen Jahres Verwüstungen in der Karibik anrichtete. Als Petralama damals dort in seinem Hotel Schutz suchte, wurde das Dach weggerissen und er stand plötzlich unter freiem Himmel. Statt in Panik zu geraten, blieb der erfahrene Hurrikan-Experte erstaunlich ruhig und filmte weiter, um die Aufnahmen für eine spätere Doku zu verwenden. Auch wenn die Situation bedrohlich erschien, machte er seine Arbeit: „Auf dem Höhepunkt des Sturms sagte ich: ‚Das ist jetzt nicht ideal.‘ Das fasste die Situation und meine Gefühle perfekt zusammen“, erinnert sich Jonathan Petramala.

Angst und Sorgen habe er selbst in solchen Situationen weniger. „Die Frage, wo ich mich aufhalten soll und wie ich den Sturm dokumentiere, besonders in abgelegenen Gebieten wie Inseln, steht immer im Vordergrund.“ Der Fokus auf den Job sei außerdem so stark, dass wenig Platz mehr für Angst oder Zweifel bleibe.

Hurrikan Milton erreichte Petramalas Heimatstadt

Die entsprechende Vorbereitung läuft dabei immer etwas anders ab. Besonders die Planung für Hurrikan Milton Anfang Oktober ist Petramala im Gedächtnis geblieben. Der schlug in der Nähe seiner Heimatstadt zu. Den Sturm in der Gegend zu erleben, in der man lebt und in der auch viele Bekannte zu Hause sind – ein eigenartiges Gefühl.

Palm trees hit by a hurricane in Miami Beach
Bei einem Hurrikan kommt es nicht selten zu schweren Schäden. © iStock | Juanmonino

Grundsätzlich packe er nicht viel ein, gerade genug für etwa drei Tage. Wasser, Essen, Akkus für die Kameras. Zu viel dürfe nie mitgenommen werden: „Wir müssen mobil sein und können uns nicht mit unnötigen Vorräten belasten.“ Etwas anders war es bei Hurrikan Beryl auf der Karibik-Insel Carriacou, die zu Grenada gehört. Hier musste der Hurrikan-Jäger auf dem Hinflug Gewichtsbeschränkungen einhalten. Daher mussten vor Ort noch Vorräte eingekauft werden, vor allem Wasser. Im Auge des Sturms kein leichtes Unterfangen.

Die Karriere hat viele Freundschaften gekostet

Um immer rechtzeitig bei den Stürmen zu sein, muss Jonathan Petramala einen großen logistischen Aufwand betreiben und sein Privatleben hintanstellen: „Mein Leben ist chaotisch und unberechenbar. Deshalb habe ich auch nicht mehr viele Freunde – sie können sich nicht darauf verlassen, dass ich Zeit habe.“ Meist wisse er etwa fünf Tage im Voraus, ob er Zeit habe. Bei langfristigen Plänen bucht er aber immer eine Reiserücktrittversicherung hinzu: Die Wahrscheinlichkeit, stornieren zu müssen, liege etwa bei 50 Prozent. „Ich habe eine unglaublich verständnisvolle Frau. Unsere Ausflüge und Urlaube werden immer in letzter Minute gebucht, je nach Wetterlage.“

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Trotz all der Herausforderungen seines Berufes möchte er nicht tauschen: „Ich liebe die unmittelbare Wirkung, die meine Berichte haben.“ Weil er die Zeitgeschichte so direkt dokumentieren könne und mit der Wertschätzung der Menschen belohnt werde, sei die Arbeit unglaublich lohnend. Aber es sind nicht nur die Menschen, die ihn an seinem Job begeistern: „Die mächtigsten Kräfte auf unserem Planeten aus erster Hand zu erleben, ist unglaublich.“