Berlin. Feuerwehrmann Sebastian Gollin traf der Blitz – es war nicht seine erste Nahtoderfahrung. Warum es auch diesmal für ihn glimpflich ausging.

  • Blitzschläge bei Menschen sind äußerst selten, können aber ernste Verletzungen zur Folge haben
  • Feuerwehrmann Sebastian Gollin kam gerade von einem Einsatz, als ihn der Blitz traf
  • Im Krankenhaus staunten die Ärzte nicht schlecht über ihren Patienten

Sebastian Gollin lebt den Traum: Der 46-Jährige kann dreimal im Jahr Geburtstag feiern. Einmal im August und zweimal im September. Nacheifern möchte man ihm trotzdem nicht. Den Geburtstag im August feiert er, seit er 2014 einen Genickbruch überlebt hat. Fahrradunfall. Den zweiten außerplanmäßigen Geburtstag im September feiert er in diesem Jahr zum ersten Mal. Da jährt sich nämlich der Tag, an dem Sebastian der Blitz getroffen hat.

Vom Blitz getroffen: „War ein bisschen durch den Wind“

„Der rechte Arm kribbelt ein bisschen, aber sonst geht’s mir eigentlich gut.“ Dass er das nur wenige Wochen nach seiner Nahtoderfahrung im September 2023 sagen kann, grenzt an ein Wunder. In der Nacht, in der es passiert, ist Sebastian Gollin – stellvertretender Stadtbrandmeister von Bad Münder in Niedersachsen – gerade auf dem Rückweg von einem Einsatz. Das Unwetter scheint schon vorübergezogen, kein Donner ist mehr zu hören, keine Blitze mehr am Himmel, nur der Regen hält noch an. „Ich habe mich von den Kollegen verabschiedet und wollte zum Auto laufen.“ Mitten auf der Kreuzung passiert es: „ein lauter Knall“ – der Schirm in der Linken, die Taschenlampe in der Rechten fliegen Sebastian aus der Hand, werden zur Seite geschleudert.

Sebastian Gollin ist seit über 20 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr.
Sebastian Gollin ist seit über 20 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr. © Privat | Privat

„Ich konnte sie nicht festhalten, wusste gar nicht, wie mir geschieht“, erinnert sich Sebastian Gollin. Danach ist er „ein bisschen durch den Wind“, die Haare stehen ihm zu Berge, trotzdem will er noch heimfahren. Aber die Kollegen von der Feuerwehr halten ihn davon ab. Im Krankenhaus müssen selbst die Ärzte staunen – einen Blitzschlag-Überlebenden sehen sie selten. Noch dazu einen unversehrten. EKG und Blutwerte sind normal, Sebastian Gollin kann entlassen werden. „Den tierischen Muskelkater habe ich erst zu Hause gespürt“, erzählt er. „Die Ärzte sagen, dass das normal ist, weil die Muskeln so doll beansprucht wurden.“ Das Kribbeln im rechten Arm, wo der Blitz eingedrungen sein muss, kam erst ein paar Tage später. 

Blitzschlag vermeiden: So verhält man sich richtig bei Gewitter

Jedes Jahr gehen Millionen Blitze über Deutschland nieder, für 2022 wurden im ganzen Land rund 240.000 Einschläge registriert. Die Wahrscheinlichkeit, einen von ihnen abzubekommen, liegt laut VDE Ausschuss für Blitzschutz und Blitzforschung bei 1 zu 20 Millionen. Es ist also wahrscheinlicher, einen Sechser im Lotto zu gewinnen, als vom Blitz getroffen zu werden. Sebastian Gollin spielt Lotto. Ob er sich für einen Glückspilz hält? „Wenn ich jetzt noch mal im Lotto gewinne, dann wäre ich einer“, lacht der Berufsschullehrer. Ein paar befreundete Elektriker vermuten, dass der Blitz nicht von oben, sondern von der Seite gekommen sein muss und ihn deshalb nicht so schwer getroffen hat. „Die Feuerwehrstiefel haben wohl gut abgeleitet, und der Regenschirm hatte einen dicken Holzgriff, das hat auch geholfen.“

Tödliche Blitzschläge gibt es in Deutschland etwa viermal im Jahr. Experten warnen: Eine Folge des Klimawandels sind häufigere Unwetter, die Zahl der Blitzschlagtoten könnte zunehmen. Bei Gewitter gilt deshalb die Faustregel: Wer die Sekunden zwischen Blitz und Donnerschlag zählt und diese Zahl durch drei teilt, weiß etwa, wie viele Kilometer das Gewitter entfernt liegt. Wenn zwischen Blitz und Donner weniger als sechs Sekunden liegen, sollte man Schutz suchen. 

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Aber wo? Wer draußen unterwegs ist, sollte Wasser meiden, sich einen möglichst niedrigen Punkt suchen und sich auf den Boden kauern, dabei aber nirgends anlehnen. So bietet man dem Blitz wenig Angriffsfläche. Von Bäumen und anderen erhöhten Punkten sollte man sich fernhalten. Ein Auto oder ein Zug kann dagegen wie ein Faradayscher Käfig wirken und den Blitz ableiten – dort ist man also vergleichsweise sicher, solange die Fenster geschlossen sind.

Blitzschlagopfer behalten häufig Verbrennungen zurück

Mindestens so wichtig wie die Prävention ist das richtige Verhalten bei einem Blitzschlag: Menschen, die vom Blitz getroffen werden, können einen Herzstillstand erleiden und müssen per Herzdruckmassage reanimiert werden. Bei einem Blitzschlag fließt Strom mit einer Stärke von bis zu 200.000 Ampere durch den Körper. Zum Vergleich: Eine Steckdose hat bis zu 16 Ampere. Dass manche Menschen einen so heftigen Schlag überleben, hängt laut Experten damit zusammen, dass die Ladung oft nicht durch den Körper geht, sondern auf der Körperoberfläche abfließt. Angst vor Restspannung müssen Ersthelfer im Übrigen nicht haben.

Wer auf offenem Feld von einem Gewitter überrascht wird, sollte Abstand zu Bäumen und hohen Punkten halten, sich hinhocken und damit möglichst klein machen. Auf den Boden legen ist dagegen keine gute Idee, da der Blitz so viel Angriffsfläche hat.
Wer auf offenem Feld von einem Gewitter überrascht wird, sollte Abstand zu Bäumen und hohen Punkten halten, sich hinhocken und damit möglichst klein machen. Auf den Boden legen ist dagegen keine gute Idee, da der Blitz so viel Angriffsfläche hat. © imago/Ralph Peters | Ralph Peters

Folge eines Blitzschlags sind, neben Herzstillstand, oft Verbrennungen, die astähnliche Narben – sogenannte Strommarken – zurücklassen. Auch die Nervenbahnen können durch einen Blitzschlag beschädigt werden. Je nachdem, welche Stelle im Körper getroffen wird, können Seh- und Riechstörungen, Gedächtnisverlust oder muskuläre Beeinträchtigungen zurückbleiben. 

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Sebastian Gollin hofft, dass das Kribbeln im Arm noch weggeht. „Als würde der Arm dauernd einschlafen“, beschreibt er es. „Die Ärzte vermuten, dass ein Nerv beschädigt ist, aber sie wissen nicht, wie nachhaltig.“ Physiotherapie soll helfen. Das, was ihm passiert ist, kann der Niedersachse mit Humor nehmen – auch weil er so wenig davon mitbekommen hat, wie er sagt. „Aber klar, man macht sich schon Gedanken – in solchen Momenten wird einem klar, wie schnell es vorbei sein kann.“ Seine Frau sei indes Schlimmeres von ihm gewohnt. Bei dem Fahrradunfall damals habe er auch schon „verdammtes Glück gehabt“. 

Dieser Artikel erschien zuerst am 22. Oktober 2023.