Rom. In Südtirol mehren sich die Proteste gegen die Touristenmassen. Ein neuer Vorstoß könnte Urlaubern einen Strich durch die Rechnung machen.
Mit malerischen Wanderwegen, azurblauen Alpenseen und urigen Berghütten lockt Südtirol Besucher aus der ganzen Welt. Doch die weltweit steigende Popularität der Dolomiten als Urlaubsziel hat alarmierende Auswirkungen auf die Umwelt und das soziale Gefüge in den Bergregionen.
Auch interessant
Hüttenwirte und Naturschützer schlagen Alarm, da immer mehr Besucher die Bergregion stürmen und dabei oft rücksichtslose Verhaltensweisen an den Tag legen. Derweil belasten der Verkehr, Müllberge, unerlaubtes Campen und das Baden in geschützten Bergseen die Natur immer stärker.
Inzwischen formiert sich in der Region zunehmender Widerstand gegen den Massentourismus, der Südtirol zwar starke Einnahmen, aber auch viele Probleme beschert. Bürger- und Umweltschutzverbände fordern jetzt von den Behörden Maßnahmen gegen die Verkehrsbelastung rund um die Dolomitenpässe.
Südtiroler fordern Einschränkungen auf wichtigen Urlaubsrouten
Ihre Idee: befristete Sperrungen der Passstraßen für den Privatverkehr in den Sommermonaten. Dafür soll das Busnetz ausgebaut werden. „Der Verkehr auf den Pässen hat in den Sommermonaten inzwischen ein unerträgliches Maß erreicht und schadet sowohl der Lebensqualität der Einheimischen als auch dem Erlebnis der Touristen“, so die Umweltschützer des Alpinverbands CAI in einer Pressemeldung.
Viele Regionen in der Europäischen Union kämpfen mit einem starken Touristenandrang. Dass Südtirol dabei im EU-Vergleich zu den Spitzenreitern gehört, belegen Daten vom Statistikamt Eurostat. Gemessen am Verhältnis zwischen Einheimischen und Übernachtungen liegt Südtirol europaweit auf Platz vier der meistbesuchten Gebiete – sogar noch vor den balearischen Inseln wie Mallorca.
Experte: müssen Tourismus „nachhaltiger gestalten“
Harald Pechlaner, Tourismusexperte und Leiter des Centers for Advanced Studies des Bozner Forschungszentrums Eurac, hat einen ganzheitlichen Ansatz: „Es geht um die Frage, wie wir das gesamte Reiseerlebnis für den Gast nachhaltiger gestalten können – von der Reisevorbereitung bis zur Rückkehr nach Hause. Das kann nicht nur die einzelne Tourismusorganisation oder der Hotelbetrieb für sich machen, da muss man die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen.“ Attraktionspunkte wie den Pragser Wildsee und die Dolomiten werden immer Urlaubsziele bleiben, so der Experte. Aber man müsse den Touristen auch Alternativen anbieten.
- Besondere Highlights: Urlaub in Italien – 10 Geheimtipps einer Expertin
- Reisen: Das sind die beliebtesten Regionen für Urlaub in Italien
- Sightseeing: Die bekanntesten Sehenswürdigkeiten in Italien
- Wetter & Klima: Urlaub in Italien – Das ist die beste Reisezeit
„Im Grunde genommen müssten wir sie noch viel stärker mit der Lebenswelt vor Ort in Berührung kommen lassen“, so Pechlaner. „Das bedeutet auch, wenn wir jetzt zum Beispiel an die Dolomiten als das UNESCO-Weltnaturerbe denken, dass wir den Gästen erklären, welche Verantwortung das für uns, aber auch für sie bedeutet.“
Massentourismus verstärkt Wohnungsnot auch in Südtirol
Südtirol hat bereits umstrittene Schritte unternommen, um die Besucherzahl in Grenzen zu halten. Für den Beherbergungsbetrieb und jede Gemeinde gilt eine Bettenobergrenze. „Wir sind uns bewusst, dass Tourismus nur im Einklang mit der lokalen Bevölkerung funktionieren kann“, betont Manfred Pinzger, Präsident des Südtiroler Hoteliers- und Gastwirteverbandes (HGV). „Zu bestimmten Zeiten, in bestimmten Orten stoßen wir aber an Grenzen.“ Vor allem für kleine und familiengeführte Betriebe müsse es aber Entwicklungsmöglichkeiten geben, so Pinzger weiter. „Ansonsten sind diese Betriebe nicht mehr zukunftsfähig sind.“
Auch interessant
Die starken Tourismusströme wirken sich laut Umweltschutz- und Bürgerverbände auch negativ auf die Preise, vor allem in der Immobilienbranche, aus. Die Stadt Meran zählt mittlerweile 690 Wohnungen, die an Urlauber kurzzeit-vermietet werden. „Das sind 690 Wohnungen, die auf dem Mietwohnmarkt fehlen. Arbeiter und Familien verzweifeln in Meran bei der Wohnungssuche“, kritisiert die Fraktionssprecherin der Grünen, Julia Dalsant in einer Presseaussendung.