Rom. Am Pragser Wildsee, einem Hotspot für Italien-Touristen, gelten seit neustem Beschränkungen. Wer den See besuchen will, muss zahlen.
- Der Pragser Wildsee in Südtirol gehört zu den beliebtesten Touristenattraktionen im Norden von Italien
- Doch die beeindruckende Landschaft hat auch negative Folgen: Einheimische klagen über viel zu viele Besucher
- Nun zieht die Gemeinde Konsequenzen: Der See wird quasi dicht gemacht
Azurblaues Wasser, romantische Fischerboote und eine atemberaubende Bergkulisse: Das ist es, was die Tausenden von Tagestouristen am Pragser Wildsee, einer Hauptattraktion in den Südtiroler Bergen, suchen. Seit dem Erfolg der populären italienischen Fernsehserie "Un passo dal cielo" ("Nur einen Schritt vor dem Himmel") ist das märchenhafte Gewässer zu einem gefragten Ausflugsziel geworden. Immer mehr Menschen pilgern dorthin, viele einfach nur, um ein Erinnerungsfoto zu knipsen, es auf Instagram zu posten, und im besten Fall ein paar Follower dazuzugewinnen.
Dass der Pragser Wildsee zu einem Kultort für Blogger und Instagramer geworden ist, lässt sich in den sozialen Netzwerken leicht verfolgen. Doch der Bürgermeister der Gemeinde Prags, Friedrich Mittermair, hat Selfie-Touristen und Reise-Influencern nun Schranken gesetzt. Die Gemeinde hat ein Zufahrtsticket von 40 Euro zum Pragser Tal eingeführt. Damit zahlen Touristen 20 Euro für den Parkplatz und erhalten einen Voucher für die Restaurants der Gegend.
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Südtirol: So kommen Touristen an den Pragser Wildsee – trotz Beschränkung
Wer in Südtirol den Blick auf den See aus nächster Nähe genießen oder gar im Schatten der steilen Felswände mit einem der Ruderboote auf dem ruhigen Wasser eine Runde drehen will, der muss in den Sommermonaten entweder online ein Ticket buchen, den öffentlichen Nahverkehr nutzen, mit dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen.
Seit einiger Zeit gilt an dem Bergsee nämlich eine strikte Zufahrtsbeschränkung. 40 Prozent weniger Individualverkehr pro Tag hat die digital buchbare Auto-Zufahrt zum Pragser Wildsee mit sich gebracht. Damit ist die Zahl der Touristen von einem Durchschnitt von 10.000 pro Tag mit Spitzenwerten von bis zu 17.000 Besuchern, auf 6000 pro Tag geschrumpft.
Bürgermeister alarmiert: "Das Tal war zu einem Disneyland geworden"
"Ich war mir sicher, dass nicht jeder 40 Euro für ein Selfie ausgeben will", berichtet der Bürgermeister der Gemeinde Prags, Friedrich Mittermair. "Wir setzen auf eine nachhaltige Erreichbarkeit wieder per Zug, Bus, Rad oder zu Fuß, kombiniert mit Regelungen für Parkplätze und Zufahrten mit digitaler Technik." Alle Zufahrtsberechtigten können den Zufahrtspunkt an der Landesstraße Richtung See automatisch passieren. Kameras lesen das KFZ-Kennzeichen und geben die Straße frei.
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"Wir haben dadurch die verlorene Ruhe und Ordnung zurückerlangt, denn das Tal war zu einem Disneyland mit Lärm, Müll und Luftverschmutzung geworden", betont der 70-jährige Bürgermeister, der sich für nachhaltigen Bergtourismus einsetzt. Die Gemeinde hat am Taleingang eine Kurzparkzone mit zwei Infostellen geschaffen, bei der sich Personen, die nicht reserviert haben, über die Möglichkeiten zum See zu gelangen, informieren können.
Inzwischen würden die Maßnahmen zur Besucherlenkung am Pragser Wildsee auch für andere Länder in puncto Hotspot-Management als Beispiel dienen, zeigt sich Mittermair zufrieden. "Jetzt sind wir zu erträglichen Touristenströmen zurückgelangt, was die Lebensqualität des Tals wesentlich erhöht hat."
Restaurant-Inhaber: Sollten "stolz" auf Andrang sein
Mittermair steht einer Gemeinde von 650 Einwohnern vor, von denen viele Hotels, Pensionen oder Restaurants betreiben. Die Zufahrtsbeschränkungen stießen bei Ihnen nicht nur auf Zustimmung. Zahlreiche Hoteliers und Gastronomen beklagen ausbleibende Kundschaft. Einige Restaurants meldeten einen Rückgang von 50 Prozent gegenüber dem vergangenen Sommer und von 70 Prozent gegenüber 2019.
Eine Gruppe von Restaurant-Inhabern hatte bei einem regionalen Verwaltungsgericht sogar Klage gegen die neuen Regeln für die Talzufahrt eingereicht, scheiterte damit jedoch.
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Doch sie wollen nicht aufgeben und bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Josef Planer, Inhaber der "Speckstube Eggerhof", zeigt sich kampfeslustig: "Das ist kein freier Markt mehr. Die Touristen können das Tal nicht mehr frei erreichen. Statt über die Touristen stolz zu sein, die zu uns kommen wollen, weisen wir sie zurück. Dabei müsste man nur die Tourismusströme besser regeln."
Bürgermeister Mittermair lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. "Ich verteidige unsere Kultur, die Schönheit der Gegend und die tiefe Stille", meint er. "Diese Gegend darf seine Seele nicht verlieren."
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