Tokio. Alexandra Truwit hat bei einem Hai-Angriff ihr Bein verloren. Wie die 24-Jährige es trotz ihres Traumas zu den Paralympics geschafft hat.
Für alle Heranwachsenden, die keine Lust auf Schwimmunterricht in der Schule haben, hat Alexandra Truwit eine Mahnung parat: „Schwimmen hat mir definitiv das Leben gerettet.“ Bei den Paralympischen Spielen von Paris, die seit Mittwoch (28.8.) und noch bis Ende nächster Woche (Sonntag, 8.9.) in Paris stattfinden, zählt die 24-Jährige zweifellos zu den schillerndsten Persönlichkeiten. 15 Jahre war sie auf Leistungsniveau geschwommen, als ihr eine grauenerregende Begegnung im Mai 2023 alles abverlangte, was sie in unzähligen Trainingseinheiten gelernt hatte. Immerhin trat sie gegen einen Hai an.
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Ihre bewegende Geschichte schildert Alexandra Truwit gegenüber US-amerikanischen Medien so: „Zwei Tage nach unserem College-Abschluss fuhr ich mit einer meiner besten Freundinnen auf einen Schnorcheltrip.“ Zu den Turks- und Caicosinseln nahe der Bahamas waren sie gereist, um die atemberaubende Natur über und unter Wasser zu erleben. Atemberaubend im wahrsten Sinne des Wortes, wie Truwit berichtet: „Aus dem Nichts tauchte ein Hai auf und zu, rammte uns, attackierte uns.“
Olympionikin schildert Hai-Angriff: „Wir kämpften zurück“
Die zwei Freundinnen wehrten sich mit Kräften. „Wir kämpften zurück. Aber ziemlich schnell war mein Bein in seinem Maul“, erinnert sich Truwit. „Das Nächste, woran ich mich erinnere, war, dass mein Fuß und ein Teil meines Beins abgebissen waren.“ Die Distanz, die sie und ihre Freundin und Schwimmkollegin Sophie Pilkinton bis zu ihrem Boot schwimmen mussten, schätzt die Athletin mal auf rund 25, mal auf gut 80 Meter.
Klar scheint jedoch: Um einem Hai davonzuschwimmen, war es eine beträchtliche Strecke. „Alles, was ich gelernt hatte, musste ich zu meinem Vorteil nutzen, in einer Situation, in der ich eigentlich keinen Vorteil hatte.“ Denn der jungen Frau, die gerade ihr Studium in Kognitiven Wissenschaften und Ökonomie abgeschlossen hatte, war in jenen Momenten völlig bewusst: „Ich hatte keinen Fuß mehr und blutete stark. Der Hai kreiste auch noch um uns.“
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Doch die Freundinnen schafften es zurück auf ihr Boot und an Land. Sophie Pilkinton wickelte ihrer Freundin ein Tourniquet ums Bein, um die Blutung zu stoppen. Alexandra Truwit verbrachte einige Zeit im Krankenhaus. Doch schon bald machte sich ihr Trauma bemerkbar: „Es war dann schwierig für mich, Wassergeräusche auch nur zu hören und nicht gleich wieder gedanklich in die Momente dieses Haiangriffs zurückgeworfen zu werden.“
Trotz Trauma: Truwit schaffte es bis zu Olympia
Kaum ein anderes Tier löst beim Menschen diese Mischung aus Faszination und Grauen aus. Hollywood-Streifen wie „Der weiße Hai“ oder „The Beach“ haben dafür gesorgt. Dabei sind Hai-Angriffe auf Menschen selten. Das Florida Museum of Natural History, das hierzu Statistiken führt, kommt für das Jahr 2023 auf weltweit 120 Interaktionen zwischen Menschen und Haien. In 91 Fällen biss der Hai zu. 42 Prozent der Betroffenen wurden beim Surfen, Schnorcheln oder bei anderen Wassersportarten von den Tieren überrascht. Dabei ist es genau genommen der Mensch, der ins natürliche Habitat der Haie eindringt.
Tödliche Hai-Attacken wiederum gab es 2023 weltweit nur 14. Verletzungen sind weitaus häufiger. Alexandra Truwit gehört zu denjenigen, die sich von ihrem Schicksal nicht zurückwerfen lassen wollten. Drei Monate nach der traumatisierenden Begegnung im Ozean war sie wieder im Wasser, wenn auch in einem Schwimmbecken, und begann zu trainieren. „Ich wollte für all das kämpfen, was ich zurückkriegen könnte. Meine Liebe fürs Wasser gehörte dazu.“ 2024 war sie schon bei den Para Swimming European Open Championships im portugiesischen Funchal dabei, wurde über 400 Meter Freistil Zweite.
24-Jährige hat bei Paralympics großes vor
Auf dem Weg ins neue Leben half auch der Austausch mit Personen, die ihre Situation nachempfinden können. Truwits Prothesenbauer stellte den Kontakt zur Para-Schwimmerin, mehrfachen Medaillengewinnerin und Buchautorin Jessica Long her. Die beiden Frauen wurden Freundinnen. „Ihr Selbstvertrauen und die Art, wie sie ihre Prothese auch stolz außerhalb des Beckens zeigt, haben mir Kraft gegeben, mich so zu akzeptieren“, sagt Truwit. „Ich habe Glück, sie in meinem Leben zu haben.“
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Bei den Paralympics in Paris fällt die Amerikanerin in die Kategorie S10, in der Personen mit Bewegungseinschränkungen der Hüfte oder der unteren Beinpartien teilnehmen oder eben solche mit Fußamputation. Am Sonntagmorgen tritt die 24-Jährige in der ersten Runde über 100 Meter Freistil an, am 5. und 6. September startet sie jeweils über 400 Meter Freistil und 100 Meter Rücken. Je weiter sie in diesen Wettbewerben kommt, desto häufiger dürfte dieser Tage ihre unglaubliche Geschichte erzählt werden.