Berlin. Christina Hecke kann gut für sich selbst einstehen. In welchen Momenten das nützlich wird und wie ein Unfall ihr Leben verändert hat.

„Zwischen Recht und Gerechtigkeit“ heißt die neue Folge von Christina Heckes Erfolgsreihe „In Wahrheit“ (am 31. August um 20.15 Uhr im ZDF). Mit der hiesigen Justiz kennt sich die 45-Jährige auch abseits ihrer Rolle als Kriminalhauptkommissarin aus. Warum sie ihr Jura-Studium letztlich nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte, wie sie im echten Leben schon mal mit Kriminellen fertig wurde und wie ein schlimmer Unfall ihr Leben prägte, verrät die Schauspielerin im Interview.

Juristisches Recht und gefühlte Gerechtigkeit müssen nicht immer deckungsgleich sein, wie die aktuelle Folge von „In Wahrheit“ zeigt. Inwieweit bewegt Sie diese Frage?

Christina Hecke: Sie quält mich eigentlich, seit ich denken kann. Nach dem Abitur habe ich Jura studiert und bin im Staatsexamen ausgestiegen, weil ich das Gefühl hatte, dass Gerechtigkeit mit dem, was per Regel und Gesetz als Recht vorgegeben wird, nicht unbedingt vereinbar ist.

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Wünschen Sie sich manchmal, Sie wären doch Juristin geworden, um der Gerechtigkeit möglicherweise doch zum Sieg zu verhelfen?

Hecke: Jedenfalls nicht mit dieser Absicht. Die Rechtsprechung ist reaktiv oder präventiv. Also auf Streit oder möglichen Konflikt ausgerichtet. Das Problem ist, dass wir Menschen uns nur selten für die Wahrheit interessieren. Würden wir uns daran orientieren, würden wir weniger streiten und bräuchten die Frage nach Recht und Gerechtigkeit nicht klären. Ich glaube, dass ein Jurist dem nicht wirklich auf die Sprünge helfen kann. Jeder von uns müsste sich eigentlich nur seinen eigenen Beitrag und Verantwortung in jeder Situation anschauen.

Christina Hecke über Konflikt mit Kriminellen: „Hatte in dem Moment Bärenkräfte“

Trotzdem bleibt es einem ja manchmal nicht erspart, sich anwaltliche Unterstützung zu nehmen. Wie ging es da Ihnen?

Hecke: Ich hatte eine verkehrsrechtliche Situation, wo ich keine andere Wahl hatte, weil ich schlichtweg mit einer Lüge konfrontiert war. Die konnte dann durch Zeugen widerlegt werden. Der Prozess, der gegen mich angestrebt wurde, musste eingestellt werden, und ich habe entsprechend Schmerzensgeld bekommen.

In „Zwischen Recht und Gerechtigkeit“, der neuen Folge der ZDF-Krimireihe „In Wahrheit“, taucht Christina Hecke wieder tief in die Welt der Justiz ein.
In „Zwischen Recht und Gerechtigkeit“, der neuen Folge der ZDF-Krimireihe „In Wahrheit“, taucht Christina Hecke wieder tief in die Welt der Justiz ein. © ZDF und Manju Sawhney | Manju Sawhney

Haben Sie Erfahrungen mit Kriminellen gemacht?

Hecke: In einem Frankreichurlaub vor über 20 Jahren wollte ich Geld aus einem Automaten ziehen, der so manipuliert war, dass er meine Karte nicht zurückgegeben hat. Weil ich an dem gefälschten Aufsatz gezerrt habe, habe ich das gemerkt und dann prompt auch den Trickdieb entdeckt, der hinter mir stand. Irgendwie hatte ich in dem Moment Bärenkräfte, habe den Mann in einen Polizeigriff genommen, in den nächsten Laden gezerrt und „Polizei, Polizei“ gerufen. Allerdings kamen dann zwei Komplizen von ihm und haben ihm geholfen, zu fliehen. Zumindest habe ich aber meine Karte behalten. 

Es gibt ja auch die kleinen Ungerechtigkeiten des Alltags. Wie reagieren Sie, wenn sich beispielsweise jemand im Laden vordrängelt?

Hecke: Die Ungerechtigkeit im Alltag entsteht oft da, wo wir uns nicht gesehen fühlen. Weil wir dabei innerlich unsicher sind, regen wir uns auf. Wenn ich in mir ruhe, dann verweise ich einfach gelassen auf das Ende der Schlange. Sollte die Person das ignorieren, dann versuche ich mich nicht provozieren zu lassen, sonst steige ich mit in den Ring.

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Mit 13 haben Ihr Eltern Sie für ein knappes Jahr nach Australien geschickt. Was waren prägende Erlebnisse in dieser Zeit?

Hecke: Meine Gastfamilie in Sydney hat mir am Morgen einen Busfahrplan und Bargeld in die Hand gedrückt und mir viel Glück gewünscht. Mir blieb nichts anderes übrig, als diese Herausforderung anzunehmen. Am Anfang hatte ich Angst, weil ich mich überhaupt nicht auskannte. Und vor lauter Heimatsehnsucht habe ich total viel gegessen. Aber ich wusste eben, ich muss damit klarkommen, auch wenn mir das mit meinem Schulenglisch nicht einfach fiel.

Schauspielerin verrät: So hat die Nahtoderfahrung ihr Leben verändert

Das umwälzendste Ereignis Ihres Lebens dürfte ja die Nahtoderfahrung bei einem Verkehrsunfall 2007 gewesen sein, nach dem sie tagelang im Koma lagen. Sie meinten einmal, dass Sie das Geschehene auch dankbar seien.

Hecke: Ja. Und gleichzeitig habe ich mich beschämt gefühlt, weil ich bis dahin die Angebote und Lernaufgaben, die mir das Leben gestellt hatte, immer wieder bekämpft hatte.

Über ihr Leben nach der Nahtoderfahrung veröffentlichte Christina Hecke 2020 sogar ein Buch: „Mal ehrlich – Mein Blick hinter unser Leben“.
Über ihr Leben nach der Nahtoderfahrung veröffentlichte Christina Hecke 2020 sogar ein Buch: „Mal ehrlich – Mein Blick hinter unser Leben“. © imago/APress | IMAGO stock

Was ist denn die wichtigste Aufgabe Ihres Lebens?

Hecke: Mich anzunehmen, so wie ich bin. Zu verstehen, dass ich vollkommen bin, egal, was die Welt mir erzählt und wie schlimm die Dinge sind, die ich in der Welt wahrnehme. Denn die gehen nur auf die Entscheidungen von Einzelnen zurück, für die ich nicht verantwortlich bin. Ich muss nicht dafür gerade stehen und ich muss nicht die Welt retten. Das Beste und das Wahrhaftigste, was ich tun kann, ist einfach nur das zu sein, was ich bin. Meine Sensibilität und Lebensfreude zu ehren, egal ob und was Dritte dazu sagen.

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Gab es denn Dritte in Ihrem Leben, die Sie positiv geprägt haben?

Hecke: Als nach dem Unfall mit dem Todesmoment die körperlichen Dinge geheilt waren, war ich bereit, wieder jemand zu begegnen, dessen Namen ich aber nicht nennen möchte. Da war ich so Anfang 30. Ich habe durch diesen Menschen gelernt, dass ich nicht kämpfen muss und das Schwert niederlegen kann. Das war der schönste und wichtigste Moment in meinem Leben, als ich begriffen habe: Ich brauche nicht zu kämpfen und auf mein Recht pochen, damit ich ich sein kann. In dieser schönen und einfachen Sanftheit zu leben, lerne ich immer noch.