Berlin. Eine Studie zeigt: Auch ohne Long-Covid und Symptome bleiben Immun-Knötchen im Gehirn bestehen. Was bedeutet das für die Gesundheit?
Eine Corona-Infektion hinterlässt bleibende Spuren im Gehirn – selbst dann, wenn wir diese nicht direkt spüren. Forscher haben entdeckt, dass winzige Knötchen, bestehend aus Mikroglia-Zellen, die für die Immunabwehr des Gehirns zuständig sind, als Zeichen dieser Veränderung fungieren. Diese „Immunnarbe“ deutet demnach darauf hin, dass das angeborene Immunsystem in unserem Gehirn auch nach einer scheinbar vollständigen Genesung von der SARS-CoV-2-Infektion aktiv bleibt.
Trotz des Endes der akuten Phase der Corona-Pandemie sind die langfristigen Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion noch weitgehend unerforscht. Es scheint, dass sowohl genetische als auch epigenetische Faktoren das Risiko für Spätfolgen wie Long-Covid oder Neuro-Covid erhöhen. Auch die Immunantwort auf die akute Infektion spielt eine wesentliche Rolle.
Corona-Studie zeigt: Covid-19-Infektion hinterlässt eine „Narbe“
Neue Forschungsergebnisse zeigen jetzt, dass eine Corona-Infektion sichtbare Veränderungen im Gehirn hinterlassen kann, selbst bei Menschen, die sich vollständig genesen fühlen. Marius Schwabenland und sein Team vom Universitätsklinikum Freiburg haben die Gehirne von 15 Personen untersucht, die mehrere Monate vor ihrem Tod an SARS-CoV-2 erkrankt waren. Sie zeigten keine Symptome mehr und verstarben aus anderen Gründen.
Die genauen Untersuchungen der Gehirne zeigten eine wichtige Entdeckung: Es gab viele kleine Knötchen aus Mikroglia-Zellen, die auf langfristige Probleme im Gehirn hinweisen. Diese Knötchen können auf Schäden durch Viren, Nervenschäden oder andere degenerative Veränderungen hindeuten.
Obwohl die untersuchten Personen keine Symptome von Long-Covid oder anderen Spätfolgen der Covid-19-Erkrankung aufwiesen, war in ihren Gehirnen eine immunologische „Narbe“ zurückgeblieben. Das weist darauf hin, dass das angeborene Immunsystem auch nach der akuten Infektion aktiv blieb, erklären die Forscher. Bei Vergleichsproben von Personen, die nie an Covid-19 erkrankt waren, fanden sich diese Mikroglia-Knötchen hingegen nicht.
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„Es ist gut möglich, dass die anhaltende Aktivierung des angeborenen Immunsystems im Gehirn zu den langfristigen neurologischen Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion beiträgt“, sagt Schwabenland. „In einer früheren Studie hatten wir bereits Proben nach akuter SARS-CoV-2-Infektion untersucht und ähnliche, jedoch deutlich stärkere Veränderungen festgestellt.“ Das Team vermutet, dass diese Mikroglia-Knötchen auch bei den neurologischen Symptomen eine Rolle spielen könnten, die einige Long-Covid-Patienten erleben.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die zentrale Rolle, die fehlregulierte Immunreaktionen bei Covid-19 spielen können – nicht nur bei der akuten Infektion, sondern auch bei Langzeitfolgen wie Long-Covid“, sagt Bertram Bengsch von der Universität Freiburg, Mitautor der Studie. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte zu neuen Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für Long-Covid und andere langfristige Folgen von Infektionskrankheiten führen.
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Corona: Wie viele sind von Long-Covid betroffen?
Etwa zehn Prozent der Corona-Infizierten in Deutschland berichten nach der Erkrankung von anhaltenden Gesundheitsproblemen, die mehrere Jahre anhalten können. Dabei kann es so weit gehen, dass Betroffene unter krankhafter Erschöpfung, schneller Reizüberflutung und konstanten Schmerzen leiden, die ein normales Leben unmöglich machen (auch Myalgische Enzephalomyelitis/Chronische Fatigue Syndrom genannt). Viele Erkrankte sind bettlägerig und auf die Pflege von Familie oder Freunden angewiesen. Auch Kinder und Jugendliche sind von Long-Covid betroffen.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS gibt an, dass weltweit etwa 17 Millionen Menschen an der schweren Krankheit erkrankt sind. In Deutschland waren es bis Ende 2021 bereits 500.000 Betroffene, besonders junge Menschen.
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