Rom. Nach dem Angriff auf einen Wanderer wurde die Bärin KJ1 in Norditalien auf Befehl erschossen. Kritik kommt nicht nur von Tierschützern.
Die Empörung unter italienischen Tierschützern ist groß: Förster in der Alpenregion Trentino im Norden des Landes haben die Bärin KJ1 erschossen. Die etwa 20 Jahre alte Mutter von drei Jungen hatte am 16. Juli in einem Wald nahe der Ortschaft Dro einen französischen Urlauber angegriffen und verletzt.
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Um herauszufinden, ob sie es wirklich war, die den Mann angefallen hatte, wurde KJ1 letzte Woche eingefangen und untersucht. Eine genetische Analyse bestätigte schließlich den Verdacht, dass die Bärin für den Angriff auf den Wanderer verantwortlich war. Damit war ihr Schicksal besiegelt: Dank eines Funkhalsbandes konnte sie von den örtlichen Förstern aufgespürt und getötet werden. Experten des Instituts für Umweltschutz und Forschung (ISPRA) zufolge sollen ihre Jungen freigelassen werden. Sie seien alt genug, um alleine zu überleben. Braunbärenjungen bleiben oft bis zu zwei Jahre bei ihrer Mutter.
Nach Angriffen auf Menschen: Bärin sei „hohes Risiko“ für die Bevölkerung gewesen
Ein Erschießungsbefehl für die Bärin war zuvor bereits zweimal von einem Verwaltungsgericht abgelehnt worden. Nach dem jüngsten Angriff erließ der Präsident der Provinz Trentino, Maurizio Fugatti, jedoch mit Zustimmung des ISPRA am Montagabend ein Dekret, das die Bärin als „hohes Risiko“ für die Bevölkerung einstufte. Sie müsse sofort getötet werden. „Die Bärin KJ1 wird für mindestens sieben Angriffe auf Menschen verantwortlich gemacht, darunter auf den 43-jährigen Wanderer aus Frankreich“, hieß es in Fugattis Schreiben.
Die Reaktion der Tierschützer ließ nicht lange auf sich warten. „Fugatti hat sich als grausam und arrogant erwiesen“, protestierte die Parlamentarierin und Ex-Tourismusministerin Michela Vittoria Brambilla, die einer Kommission für Tierschutz vorsitzt. Der italienische Tierschutzverband LNDC kündigte sogar eine Klage gegen Fugatti an. Dieser habe das Dekret am Abend erlassen, um zu verhindern, dass Tierschützer vor Gericht gegen den Tötungsbefehl vorgehen.
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Auch der italienische Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin schlug kritische Töne an. „Die Tötung einzelner Bären ist keine Lösung. Ich verstehe die Bevölkerung, die Probleme beim Zusammenleben mit den Bären hat, aber wir erleben heute die Auswirkungen eines Fehlers aus der Vergangenheit“, so der Minister in einer Stellungnahme. Vor 25 Jahren seien im Trentino Bären aus touristischen Gründen „leichtsinnig“ angesiedelt worden. „Ein Ausweg ist sicherlich die Sterilisation, und wir arbeiten daran.“
Bärenpopulation in Italien: Petition soll Eindämmung vorantreiben
Tierschützer fordern immer wieder, die Menschen für Wildtiere zu sensibilisieren oder Wildtierkorridore einzurichten. Doch ein Großteil der Trentiner Bevölkerung will davon nichts wissen. Seit eine Bärin im April 2023 einen 26-jährigen Jogger tödlich verletzte, stehen sie mit den Tieren auf Kriegsfuß. Ein Gesetzesentwurf sieht den Abschuss von bis zu acht Tieren pro Jahr vor. Eine Petition zur Eindämmung der Bärenpopulation fand innerhalb weniger Tage 6000 Unterstützer. Sie wurde der Gemeinde Val di Sole übergeben, wo eine Volksabstimmung zum Thema Bären durchgeführt werden soll.
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Nach neuesten Schätzungen leben im Trentino über 100 Exemplare. Dass sie sich hier so heimisch fühlen, ist dem Wiederansiedlungsprojekt „Life Ursus“ zu verdanken. Im Jahr 1999 wurden in Zusammenarbeit mit der EU zehn Bären aus Slowenien in der Region ausgesetzt, wo die Tiere damals vom Aussterben bedroht waren. Ursprünglich war eine Population von 50 Tieren geplant. Zu dieser Zahl will die Provinzverwaltung nun zurückkehren – indem sie Bären zum Abschuss freigibt. Doch noch bleibt es bei Einzelfällen.
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