Berlin. Eine geheimnisvolle Apparatur aus der Antike ist ein mechanischer „Computer“. Forscher haben nun neue Erkenntnisse zu seinem Zweck.

Der Mechanismus von Antikythera ist eines der legendärsten Artefakte der Archäologie. Die geheimnisvolle Apparatur aus dem antiken Griechenland war im neuesten Indiana-Jones-Film „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ die Inspiration für das titelgebende Rad. Forscher bezeichnen den Mechanismus als eine Art handgetriebenen, mechanischen „Computer“, zu dem es jetzt neue Erkenntnisse gibt.

Das stark beschädigte Relikt wurde 1901 von Tauchern aus dem Wrack eines Handelsschiffs vor der ägaischen Insel Andikythira geborgen. Archäologen datieren seine Entstehungszeit auf rund 100 v. Chr., zu dieser Zeit stand Griechenland bereits unter römischer Herrschaft. Radiographische Bilder enthüllten 2005 die komplizierte Mechanik des Geräts, dessen Bronze-Fragmente immer noch 30 Zahnräder enthielten sowie mit rätselhaften wissenschaftlichen Zifferblättern oder Skalen versehen waren.

Mechanismus von Antikythera konnte Sonnenfinsternis voraussagen

Archäologen zufolge soll es sich dabei um eine verstellbare, Schuhkarton-große Vorrichtung handeln, die je nach Eingabe Informationen über astronomische Phänomene anzeigte. Die äußeren Ziffernblätter waren dabei mit den inneren Zahnrädern verbunden, was den Nutzern erlaubte, Sonnenfinsternisse und die astronomische Position von Planeten für jeden beliebigen Tag mit unglaublicher Präzision vorherzusagen.

Ähnliche komplizierte Mechanismen sind der Wissenschaft erst aus den Kathedralenuhren des Mittelalters bekannt. Doch an welchem Kalenderjahr orientierten sich die Erbauer für ihre Vorrichtung: am Mondjahr, das nur 354 Tage hat, oder am Sonnenjahr, das auf 365 Tage kommt? Dazu hat eine neue im Fachmagazin „Horological Journal“ erschienene Studie, eine Antwort gefunden.

Eine vorangegangene Studie untersuchte den sogenannten Kalenderring mithilfe von Röntgenstrahlen. Die Bilder enthüllten, dass auf dem Ring in regulären Abständen Löcher waren, die wohl die Tage des Jahres markierten. Weil der Ring aber zerbrochen war, blieb unklar, wie viele Löcher es insgesamt einmal waren. Griechische Forscher schätzten zunächst, dass es um die 347 und 367 Löcher sein müssten.

Auch spannend: Forscher verfolgen Herkunft legendärer Krankheit

Griechische Erfinder arbeiteten mit unglaublicher Präzision

Die Forscher aus Glasgow konnten jetzt durch statistische Modelle berechnen, dass der Ring im ursprünglichen Zustand wahrscheinlich um die 354 Löcher hatte. Diese Zahl spricht für das Mondjahr, das in der Antike in Ägypten angewandt wurde. Die Forscher zogen dafür den Ansatz der Bayesschen Inferenz heran, der Wahrscheinlichkeit nutzt, um unvollständige Daten zu quantifizieren und zu vervollständigen.

Das Forschungsteam benutzte zusätzlich modernste Technik, um die Distanz zwischen den Löchern zu messen. Die Geräte registrieren winzige Gravitationswellen in der Raumzeit, die von astronomischen Ereignissen wie der Kollision von Schwarzen Löchern verursacht werden und dabei die Erde passieren. Zusammen mit den statistischen Modellen konnten die Forscher so die außergewöhnliche Präzision enthüllen, mit der die Löcher gesetzt waren. Demnach unterschieden sich die Abstände zwischen den Löchern nur um durchschnittlich 0,028 mm.

  • Aktuelle Nachrichten aufs Handy? Hier geht es zur neuen WAZ-News-App – für Android und iOS.
  • Die WAZ auch bei Social Media – ob WhatsApp, Instagram oder Facebook.
  • Sie mögen den Tag kompakt zusammengefasst? Dann sind Sie beim täglichen WAZ-Newsletter richtig – hier entlang.