Berlin. Als Kind soll Jesus Menschen getötet haben. Davon erzählt das Kindheitsevangelium, von dem nun ein einmaliges Fragment aufgetaucht ist.

Unter Historikern besteht große Einigkeit, dass Jesus Christus wirklich existiert hat. Zu zahlreich sind die historischen Quellen, die von einem Wanderprediger aus Nazareth sprechen. Das Neue Testament in der Bibel erzählt vom Erwachsenenleben Jesu. Doch von der Kindheit des christlichen Glaubensspenders ist relativ wenig bekannt. Das Kindheitsevangelium nach Thomas ist da eine wertvolle Quelle – von der jetzt das älteste bekannte Fragment aufgetaucht ist.

Papyrologen der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Lüttich fanden das Fragment tief in den Archiven der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg „Carl von Ossietzky“ versteckt. Dort lag das Dokument aus dem frühen Christentum jahrzehntelang unberührt, bis es von den Wissenschaftlern entdeckt wurde. Sie schätzen die Herkunft des in griechischer Sprache verfassten Papyrus auf das 4. bis 5. Jahrhundert n. Chr. Das älteste davor bekannte Überbleibsel des Kindheitsevangeliums stammt aus dem 11. Jahrhundert, berichten die Forscher in einem Statement.

Fragment aus Ägypten von hoher Bedeutung für Bibelforscher

„Das Fragment ist von außergewöhnlichem Interesse für die Forschung“, sagt Lajos Berkes, Dozent an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität, der das Fragment mitentdeckte. Das Kindheitsevangelium nach Thomas wurde wahrscheinlich im 2. Jahrhundert verfasst und hat nichts mit dem Thomasevangelium zu tun. Das Kindheitsevangelium ist dabei nicht Teil des biblischen Kanons, sondern ein Apokryph, eine christliche Schrift, die erst nach den Hauptevangelien verfasst wurde und in in der Antike, bzw. im Mittelalter sehr beliebt wurde.

Den Wissenschaftlern gelang es durch das Fragment auch neue Einblicke in die Überlieferung des Texts gewinnen. „Unsere Erkenntnisse zu dieser spät-antiken, griechischen Kopie der Arbeit bestätigen die heutige Einschätzung, dass das Kindheitsevangelium im Original auch in Griechisch verfasst war“, fügt Gabriel Nocchi Macedo von der Universität Lüttich an.

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Papyrus war wohl Teil einer Schreibübung in der Schule oder Kloster

Das 11 mal 5 Zentimeter große Papyrus-Fragment enthält nur 13 griechische Zeilen und soll aus Ägypten stammen. Weil der Text Forschern lange als trivial erschien, blieb er so lange in den Archiven unbemerkt. „Es wurde angenommen, dass er Teil eines Alltags-Dokuments wie eines privaten Briefs oder einer Einkaufsliste war“, so Berkes. Gerade weil die Handschrift so unbeholfen war, wurde die Bedeutung übersehen. Erst als das Forschungsteam das Wort Jesus im Text ausmachte, wurden sie hellhörig.

Indem sie den Text mit vielen anderen digitalisierten Paypri verglichen, konnten sie den Inhalt Buchstabe für Buchstabe entschlüsseln. Als sie nach Stichwörtern aus dem Text in anderen christlichen Schriften filterten, stießen sie auf das Kindheitsevangelium. Wegen der schlechten Handschrift glauben die Forscher, dass die Kopie des Evangeliums als Schreibübung in einer Schule oder einem Kloster angefertigt worden sein könnte.

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Jesus tötet zwei Kinder mit Flüchen im Kindheitsevangelium

Das Fragment beschreibt den Beginn einer Episode, die als zweites Wunder des Kindheitsevangeliums gilt. Darin formt Jesus an der Furt eines rauschenden Bachs zwölf Spatzen aus weichem Ton. Als ihn daraufhin sein Vater Josef tadelt, warum er das am für Juden heiligen Sabbath tue, klatscht der Fünfjährige in die Hände und erweckt die Figuren zum Leben.

Doch nicht alle Geschichten aus Jesus Kindheit aus dem Evangelium sind so friedlich. Bereits im Alter von einem Jahr verflucht Jesus ein anderes Kind, das daraufhin zur Leiche verdorrt. Ein weiteres Kind tötet er per Fluch, weil es ihn anrempelte. Als die Nachbarn von Josef und Maria sich über das mordende Kleinkind beschweren, macht er die Kläger kurzerhand blind. Später lernt Jesus seine Kräfte zu bändigen und für das Gute einzusetzen.

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