Berlin. „Hundeflüsterer“ Rütter hat in 25 Jahren einige absurde Fälle erlebt. Im Interview erinnert er sich an eine besonders traurige Zeit.

Martin Rütter gilt als Deutschlands bekanntester Hundeexperte – nicht zuletzt, weil er sein Wissen in Formaten wie „Rabauken auf 4 Pfoten“ (in der Mediathek auf RTL+) oder seiner Live-Tour „Der will nur spielen“ (ab 5. November) weitergibt. Wie der 53-Jährige im Interview erklärt, hat auch er selbst viel von Hunden gelernt – für sich persönlich und für die Erziehung seiner Kinder. Und er hat verstanden, wie schmerzhaft Verlust sein kann.

Was ist das Wichtigste, was Sie von Hunden für das Leben gelernt haben?

Martin Rütter: Auch mal relaxt zu sein. Das habe ich von meinem ersten Hund, Mina, gelernt. Sie war keine Revoluzzerin, hat nie geknurrt oder gedrängelt. Wenn ich ungeduldig wurde, wurde sie ruhiger und hat einen Gang zurückgeschaltet. Ich wollte sie verändern, musste aber kapieren, dass das nicht geht. Ich habe durch den Hund Geduld gelernt und begriffen, dass ich auch mal Fünfe gerade sein lassen kann. Hunde sind eben perfekte Lehrer, hartnäckig und sehr geduldig.

Hundetrainer verrät: Dieser Fall war besonders absurd

Sie sind seit rund 25 Jahren als Hundetrainer aktiv. Gehen die Deutschen jetzt besser mit ihren Hunden um?

Rütter: Es ist Wahnsinn, was sich in diesen Jahren getan hat. Als ich angefangen habe, war ich ein Exot. Da sind die Leute noch mit einem Kettenhalsband über den Hundeplatz gerannt und haben „Platz“ geschrien und der Hund sollte sich hinschmeißen. Dann kam ich und habe gesagt: „Ja, aber warum eigentlich? Also es macht ja überhaupt keinen Sinn.“

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Heute ist es ja so: Wenn eine durchschnittliche Hundehalterin spazieren geht und eine Runde um den Block läuft, hat sie eine Literflasche Wasser für den Hund dabei, eine Wärmedecke, einen dicken Mantel, zwei verschiedene Leinen, drei Spielzeuge, einen Klicker und einen Tracker, falls der Hund verloren geht.

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Gab es je einen Fall, wo Sie einen Hund als unerziehbar erlebt haben?

Rütter: Diese schwierigen Fälle gibt es. Es ist aber in der Regel nicht so, dass der Hund nicht mehr lernfähig oder reparabel, sondern die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Hund derart belastet ist. Statistisch gesehen sprechen wir hier von einem Hund pro Jahr.

In seiner neuen Live-Show „Der will nur spielen“ spricht Martin Rütter über die wichtigsten Hunde-Themen der letzten 25 Jahre.
In seiner neuen Live-Show „Der will nur spielen“ spricht Martin Rütter über die wichtigsten Hunde-Themen der letzten 25 Jahre. © picture alliance / Jens Niering | Jens Niering

Was war der schwierigste Fall in Ihrer Karriere?

Rütter: Ganz absurd war es mal, als der Mann drei Jahre lang auf der Couch geschlafen hat, weil der Hund ihn nicht mehr zu Frauchen ins Schlafzimmer gelassen hat (lacht). Die Schwierigkeit lag aber nicht am Hund, sondern an Frauchen – nämlich sie zu überzeugen, das zu ändern.

Im Ernst: Die Hürde besteht häufig darin, bei den Leuten überhaupt ein Bewusstsein zu schaffen, dass sie etwas falsch machen, und mit ihrem Verhalten dem Hund nichts Gutes tun. Es ist fast nie DER Problemhund, sondern der Mensch, der seine Einstellungen und Verhaltensweisen überdenken und verändern muss.

Hatten Sie jemals Angst vor einem Hund?

Rütter: Nein, aber immer eine sehr große Portion Respekt. Apropos Angst bei Hunden. Es gibt ja diese Aussage, dass Hunde es riechen würden, wenn der Mensch Angst vor ihnen hat. Und das stimmt sogar. Es hat aber keine Konsequenz. Hunde sind statistisch nicht aggressiver mit Menschen, die Angst haben, als mit Menschen, die keine haben. Wenn Menschen sich adäquat verhalten!

Das Doofe ist nur, dass Menschen, die Angst vor Hunden haben, glauben, sie müssten sich dann als besonders stark aufspielen. Der Hund nimmt den Rest der Körpersprache sehr wohl wahr und genau das verunsichert das Tier.

Martin Rütter: Das ist ihm bei der Erziehung besonders wichtig

Sie betonen, dass Hunde feste Regeln brauchen. Welche festen Regeln haben Sie selbst im Leben nötig?

Rütter: Etliche. Das fängt beim Klingeln des Weckers an (lacht). Ich bin echt kein Frühaufsteher. Aber manchmal muss es eben sein.

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Sie haben es immer wieder mit Hunden in der Pubertät zu tun. Wie waren Sie selbst in Ihrer eigenen Pubertät beziehungsweise in der Pubertät Ihrer Kinder?

Rütter: Das war wirklich Rock’n’Roll. Egal, was war, dagegen sein war wichtig. Und das, was mir gesagt wurde, wollte ich natürlich auf gar keinen Fall. Wenn jemand gesagt hat, das ist „grün“, dann war es für mich „blau“ (lacht). Meine eigenen Kinder waren da zum Glück sehr viel unkomplizierter, sogar richtig pflegeleicht. Vielleicht aber auch, weil ich sehr entspannt mit ihnen in diese Phase hineingegangen bin.

Hundetrainer Martin Rütter: Der Tod seines Hundes Mina war für ihn ein schwerer Schlag.
Hundetrainer Martin Rütter: Der Tod seines Hundes Mina war für ihn ein schwerer Schlag. © picture alliance / zb | Kirsten Nijhof

Konnten Sie eigentlich etwas von Hunden auf die Erziehung Ihrer fünf Kinder übertragen?

Rütter: Konsequenz, mit der ich aber nicht Strenge oder Härte meine, spielt in beiden Bereichen eine sehr wichtige Rolle. Es wäre jedoch leichtfertig, sämtliche Merkmale der Erziehung eines Menschen eins zu eins auf die Hundeerziehung und umgekehrt zu übertragen. Der gravierendste Unterschied ist, dass man bei Kindern durch den Erziehungsprozess eine Selbstständigkeit erreichen möchte. Dieses Ziel gibt es bei Hunden nicht, dort muss eine Abhängigkeit zum Halter bestehen bleiben.

Martin Rütter: „Ich war lange Zeit wahnsinnig traurig“

Aber wenn ein Hund stirbt, ist so eine Beziehung vorbei. Wie kamen Sie selbst damit klar?

Rütter: Als mein erster Hund Mina gestorben ist, war ich wirklich lange Zeit wahnsinnig traurig. Als bei uns der Tag kam, an dem ich wusste, ich muss sie einschläfern, kam ich nach Hause, Mina lag im Garten und ich sah ihr an, dass sie nicht mehr wollte und nicht mehr konnte. Ich habe sie dann genommen und zum Auto getragen. Der Augenblick des Einschläferns beim Tierarzt war für mich dann nicht schlimm, weil ich ganz fest davon überzeugt war, dass diese Entscheidung in diesem Moment richtig ist.

Schlimm waren es erst die Wochen danach. Als plötzlich die Erkenntnis kam, dass wir uns nie mehr wiedersehen. Bei mir hat das dazu geführt, dass ich darüber einfach nicht reden wollte. Ich habe allen Leuten um mich herum eine Mail dazu geschrieben, mit der Bitte, mich nicht darauf anzusprechen. Ich hätte sofort losgeheult. Ich habe Minas Tod ein halbes Jahr lang auch nicht öffentlich gemacht. Und ich habe noch sehr lange bestimmte Rituale gelebt, obwohl der Hund nicht mehr da war.

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Wie ist es heute?

Rütter: Ich denke immer noch oft an sie. Und manchmal, wenn ich meine Hündin Emma anschnauze, rutscht mir auch heute immer noch „Mina“ raus. Es ist heutzutage aber wirklich nicht mehr so, dass ich so weinerlich werde, wenn sowas passiert, sondern dass die dann aufkommenden Erinnerungen an die schönen und lustigen Momente mit ihr total überwiegen. Ich erinnere mich an Mina als einen super Hund, von dem ich so viel Wichtiges lernen konnte.

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