Berlin. Seit über 20 Jahren findet „Aufspürerin“ Susanne Panter weltweit vermisste Menschen. Welche Fälle sie als besonders emotional erlebte.

Unbekannte Väter, verloren gegangene Geschwister, nie vergessene Jugendlieben – Susanne Panter findet sie alle. Die 52-jährige „Aufspürerin“ gründete Deutschlands ersten privaten Personensuchdienst und spürt seit 20 Jahren weltweit Menschen auf, die vermisst werden. Meist mit Erfolg.

Frau Panter, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Personensuchdienst zu gründen?

Susanne Panter: Die Idee ist zu mir gekommen. Ursprünglich wollte ich Klassen- und Ehemaligentreffen organisieren. Aber dann kamen immer mehr Menschen auf mich zu, die Familienangehörige suchten. Vor genau 20 Jahren habe ich mich dann darauf spezialisiert.

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Sie selbst haben Ihren leiblichen Vater erst mit 18 kennengelernt. Können Sie sich deshalb so gut in die Menschen hineinversetzen?

Panter: Ich hatte einen präsenten und liebevollen Stiefvater und habe deswegen als Kind nie darunter gelitten, meinen biologischen Vater nicht zu kennen. Aber ich kann dieses spezielle Bindungsgefühl und das Suchen nach den leiblichen Eltern gut nachempfinden. Und ich kenne die große Freude, wenn man sich findet und als Familie zusammenwächst. Generell gibt es in meiner Familie viele Schicksale, denen ich auch in meinem Job begegne. Deswegen habe ich wohl eine Affinität dazu.

Susanne Panter ist Herkunftsberaterin und Menschenaufspürerin. Am 03. August erschien ihr Buch „Aus den Augen, doch im Herzen“.
Susanne Panter ist Herkunftsberaterin und Menschenaufspürerin. Am 03. August erschien ihr Buch „Aus den Augen, doch im Herzen“. © picture alliance/dpa | Frank Rumpenhorst

Susanne Panter: „Meist steckt eine tragische Geschichte hinter dem Verschwinden“

Wie läuft so eine Suche?

Panter: Zunächst lasse ich mir die ganze Geschichte erzählen. Dann suche ich unter anderem in Verzeichnissen von Ämtern, Archiven und Datenbanken sowie nach eventuell aussagekräftigen Dokumenten wie Heirats- und Scheidungsunterlagen. Mithilfe einer speziell für uns entwickelten Software arbeite ich die einzelnen Schritte systematisch ab. Dabei werde ich von meinem Team und einem freiberuflichen Netzwerk aus rund zehn Rechercheuren und Beratern unterstützt.

Gibt es einen Fall, den Sie nie vergessen werden?

Panter: Ich habe mal im Auftrag einer Frau deren Vater gesucht, den wir fast nicht gefunden haben, weil er als Frau bestattet wurde. Geschlechtsumwandlungen machen die Suche kompliziert – und sind gar nicht so selten. Aktuell habe ich für einen Klienten, der als Frau geboren wurde, die Mutter ausfindig gemacht und ihr geschrieben, dass ihr Kind sie sucht. Ich bin sehr gespannt, wie sie die Nachricht, jetzt einen Sohn zu haben, aufnehmen wird.

Was ist der schwierigste Moment?

Panter: Die größte Herausforderung ist oft nicht die Suche, sondern die Kontaktanbahnung. Denn meist steckt eine tragische Geschichte hinter dem Verschwinden.

„Aufspürerin“ Susanne Panter: „Bei vielen Fällen muss man sehr sensibel sein“

Brauchen Sie therapeutische Fähigkeiten?

Panter: Ich bin ausgebildete Mediatorin, das hat durchaus therapeutische Aspekte. Man braucht bei der Kontaktanbahnung großes Einfühlungsvermögen und muss sich vorstellen können, wie sich das für jemanden anfühlt, wenn er das erste Mal davon hört, dass er vor 40 Jahren ein Kind gezeugt hat. Oder was in einer Mutter vorgeht, die als junge Frau ein Kind abgegeben hat, das jetzt Kontakt aufnehmen möchte – wodurch ein lang gehütetes Geheimnis ans Tageslicht kommen könnte. Bei vielen Fällen muss man sehr sensibel sein und sich bewusst machen, welche Folgen die Nachricht für die gefundenen Personen und deren Familie haben kann.

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Sollte man als Suchender überhaupt den ersten Schritt machen?

Panter: Nach meiner Erfahrung sind meine Klienten froh, wenn ich die Mittlerrolle übernehme und ihnen beratend zur Seite stehe. Man muss möglichst diplomatisch in den Erstkontakt gehen, weil man eben nicht weiß, in welches Leben und welche Familiensituation man da hineinplatzt. Außerdem ist man als Suchender selbst in einer emotional anspruchsvollen Situation. Deswegen arbeite ich auch mit Therapeuten zusammen.

Wie nehmen Sie Kontakt auf?

Panter: Immer schriftlich und diskret. Wir achten darauf, dass die Privatsphäre der gefundenen Person gewahrt bleibt und in der Familie nichts durcheinandergerät.

Ein Fall, in dem Susanne Panter half: „Ich hatte 40 Jahre keinen Kontakt zu meinem Bruder“

Suche nach Angehörigen: Das ist die Erfolgsquote von Susanne Panter

Klingt, als wolle nicht jeder gefunden werden.

Panter: Meistens doch. Aber es kommt auch vor, dass ein Treffen kategorisch abgelehnt wird. Ich erinnere mich an einen Mann, der seine Eltern kennlernen wollte. Als ich seine Mutter ausfindig gemacht hatte und ihr erklärte, ihr Sohn würde gern mit ihr sprechen und auch wissen, wer sein Vater ist, da sagte sie mir: „Ich weiß nicht, wer die Väter sind.“ Dann erzählte sie mir von der Vergewaltigung. Die beiden haben sich nie getroffen.

Oft ist die Kontaktaufnahme mit gesuchten Familienangehörigen eine emotionale Situation, die viel Fingerspitzengefühl erfordert (Symbolbild).
Oft ist die Kontaktaufnahme mit gesuchten Familienangehörigen eine emotionale Situation, die viel Fingerspitzengefühl erfordert (Symbolbild). © iStock | David Petrus Ibars

Am häufigsten werden Familienmitglieder gesucht, oder?

Panter: Ja. Väter und Mütter, aber auch Geschwister. Oft hatten die Eltern in Vorehen bereits Kinder, oder sie sind das Ergebnis von Seitensprüngen.

Wie lange dauert es, jemanden zu finden, zu dem man noch nie Kontakt hatte?

Panter: Maximal zwölf Wochen. Je nach Aufwand kostet eine Suche zwischen 880 und 3700 Euro.

Und wie hoch ist die Erfolgsquote?

Panter: Wenn sich jemand nicht versteckt, fast 100 Prozent. Ich habe in den vergangenen 20 Jahren mehr als 4000 Menschen gesucht – und über 90 Prozent gefunden.

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„Einem Menschen ein Stück seiner Identität zurückzugeben ist etwas Tolles“

Erinnern Sie sich an einen besonders emotionalen Fall?

Panter: Einmal habe ich im Auftrag von Zwillingsbrüdern nach deren leiblicher Mutter geforscht, das war einer der unfassbarsten und berührendsten Fälle meiner gesamten Karriere. Denn als ich die Mutter in Amerika gefunden hatte, stellte sich heraus, dass sie gar nichts von ihren Kindern wusste. Sie hatte die Jungen mit 18 bekommen, und ihr Vater hatte ihr nach der Geburt erzählt, die Zwillinge wären gestorben. Dabei hatte er die Neugeborenen zur Adoption freigegeben. Meine Klienten und ihre Mutter waren unendlich glücklich, sich gefunden zu haben.

Das motiviert…

Panter: Ich finde es sehr erfüllend, dazu beitragen zu können, dass sich für jemanden Fragezeichen in Ausrufezeichen verwandeln. Wenn jemand ein Familienmitglied sucht, sucht er ja nach Antworten auf Fragen, die ihn seit Jahren begleiten: Warum hat meine Mutter mich weggegeben? Warum hat mich mein Bruder im Stich gelassen? Warum bin ich, wie ich bin? Wem sehe ich ähnlich? Einem Menschen ein Stück seiner Identität zurückzugeben ist etwas Tolles. Und wenn es bestenfalls noch eine Chance gibt, dass sich eine gute Beziehung entwickelt, ist das pures Glück.

Und wenn Sie mal jemanden nicht finden …

Panter: Das kann ich kaum ertragen.

Susanne Panters Buch „Aus den Augen, doch im Herzen“ ist gerade im Piper Verlag erschienen. Ihre spannendsten Fälle sind in der SWR-Doku-Serie „Die Aufspürerin“ online abrufbar.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift „Donna“, die wie diese Redaktion zur FUNKE Mediengruppe gehört.