Berlin. Moritz Bleibtreu verrät, wie ihm seine Hochzeit zur Gelassenheit verhalf & warum er froh ist, dass die Söhne nicht Schauspieler werden.
Mit der Rolle eines besserwisserischen Service-Technikers in der Serie „Viktor Bringt’s“ (ab 30. Mai auf Amazon Prime) zeigt sich Moritz Bleibtreu wieder von seiner komischen Seite. Dafür gibt es ganz konkrete Gründe, wie der 52-Jährige im Interview erklärt. Denn er genießt sein Privatleben so sehr, dass er gerne auf unangenehme schauspielerische Extremerfahrungen verzichtet. Zumal die Rahmenbedingungen seines Berufs nach seiner Auffassung immer schlechter werden.
Inwieweit haben Sie mit Menschen vom Schlage eines Viktor zu tun gehabt?
Moritz Bleibtreu: In meiner Jugend relativ viel, denn Viktor ist ein klassisches Proletarierkind, und die Gegend in Hamburg St. Georg, in der ich groß geworden bin, war ein Arbeitermilieu. Diese Berufsschicht steht mir also sehr nah.
Vermissen Sie dieses Umfeld, nachdem Sie sich ja jetzt in einem anderen Milieu bewegen?
Bleibtreu: Ich hatte immer einen gesunden Abstand zu dem, was man so Celebrity-Leben nennt. Und ich habe viele Freunde aus der damaligen Zeit. Es hat sich also für mich nie so angefühlt, als wäre ich von einer Schicht in die andere gekommen. Mein Leben blieb immer überschaubar.
Bleibtreu über privates Glück: „Arbeit ist nicht mehr das Allerwichtigste“
Sie haben als Schauspieler verschiedenste Genres abgedeckt, aber in letzter Zeit wenden Sie sich wieder mehr der Komödie zu – wie eben in „Viktor Bringt’s“. Stimmt der Eindruck?
Bleibtreu: Das ist richtig. Das fing während der Pandemie an, als ich die Thrillerserie „Blackout“ gedreht habe – nachts auf den Straßen von Berlin während der Ausgangssperre. Da habe ich mir gesagt: Jetzt soll es mal wieder etwas netter und schöner werden, nicht mehr so grau. Glücklicherweise habe ich dann entsprechende Angebote bekommen, und momentan macht mir Comedy unheimlich viel Spaß.
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Man könnte auch vermuten, dass Ihre Hochzeit 2022 Ihre heitere Stimmung befördert hat.
Bleibtreu: Das ist sicherlich keine ganz falsche Wahrnehmung. Ich würde es so formulieren, dass ich nicht mehr ganz so ambitioniert sein muss. Ich führe dieses sehr temporeiche Leben als Schauspieler seit über 30 Jahren, und jetzt bin ich in einer Situation, wo ich mit meinem Privatleben so glücklich bin, dass meine Arbeit nicht mehr das Allerwichtigste in meinem Leben ist. Ich muss mir nicht mehr so viel beweisen, denn mein Ist-Zustand ist einfach klasse.
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Aber ist es nicht ein bisschen problematisch, wenn man seine Ambitionen verliert?
Bleibtreu: Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich ziehe mich nicht zurück. Ich liebe meinen Beruf nach wie vor heiß und innig und werde ihn auch immer mit aller Liebe und Freude ausüben, aber ich sage mir nicht mehr: „Das und das muss ich noch erreichen, und das noch und das auch noch.“ Hinter jeder Tür, die man aufmacht, ist schon die nächste. Man kann sich ja besinnen: Hier, wo ich jetzt bin, ist es gut. Das heißt nicht, dass man die nächste Tür nicht doch irgendwann aufmacht.
Moritz Bleibtreu: Das wundert ihn an der jüngeren Generation
Zu Ihrem Privatleben gehört auch Ihre beiden Söhne, und „Viktor Bringt’s“ ist ebenfalls eine Vater-Sohn-Geschichte. Spiegeln sich in der Geschichte Ihre eigenen Erfahrungen wider?
Bleibtreu: Nicht wirklich. Wir können nur über den vermeintlichen Generationenkonflikt in der Serie herzlich lachen.
Aber gibt es Aspekte aus dem Leben jüngeren Generation, die Sie nicht nachvollziehen können?
Bleibtreu: Es gibt einige Absurditäten, die mir mein älterer Sohn manchmal aus dem Schulleben berichtet. Wenn es da Diskussionen gibt, sind sie immer sofort sehr aufgeregt und erhitzt. Die meisten Themen sind ideologisch so aufgeladen, dass man nicht mehr ruhig über die Sache an sich sprechen kann. Mein Sohn hat mir außerdem erzählt, dass aus seiner neunten Klasse bis zu 40 Prozent der Schüler ohne Abschluss von der Schule gehen. Das hat mich sehr verwundert.
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Was kann man als Erwachsener tun, um diese Tendenzen eventuell zu beeinflussen?
Bleibtreu: Man muss einfach an dem dran bleiben, was Jugendliche erleben. Mit was setzen die sich auseinander? Was für Videogames spielen sie? Was passiert auf TikTok? Wenn man da den Anschluss verliert, wird es schwierig.
Bleibtreu über Schauspielerei: „Inzwischen erschwert man Heterosexuellen, Homosexuelle zu spielen“
Im Gegensatz zu Viktor legen Sie wohl keinen Wert darauf, dass Ihre Kinder beruflich in Ihre Fußstapfen treten?
Bleibtreu: Auf keinen Fall. Meine Jungs haben daran bisher auch kein Interesse, was ich ganz gut finde. Wenn man sich für so einen Beruf entscheidet, lädt man sich ein Riesenpaket auf, und man muss wirklich sehr genau wissen, was man von dem Beruf will. Aus meiner Sicht kann das nur über eine Liebe zum Theater funktionieren. Aber viele von den Kids, die heute auf der Schauspielschule sind, wollen nur Filme machen. Aber ich finde, man soll bereit sein, auf einer Provinzbühne aufzutreten. Denn die Rahmenbedingungen werden nicht besser. Das ist ähnlich wie im Fußball: Will man in der ersten Liga auf der Bank sitzen oder in der zweiten Liga spielen gehen?
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Was verschlechtert sich an den Rahmenbedingungen?
Bleibtreu: Der Schauspielberuf nimmt auf eine Art vielleicht eine ähnliche Entwicklung, wie die des Berufs der Stewardess. Der war einmal extrem cool, aber das ist lange her. Das liegt wahrscheinlich an der Masse. Mittlerweile gibt es so viele Serien, dass das individuelle Spiel oft nicht mehr so wichtig zu sein scheint. Es kommt nicht mehr auf die Schauspieler an, sondern eher auf die Geschichte. Entsprechend wird dann eher danach besetzt, ob man für einen bestimmten Typ passt.
Aber ein Schauspielerleben sollte möglichst darin bestehen, dass man verschiedene Rollen spielt und sich verändert. Das wird zunehmend schwieriger. Hinzu kommen auch noch politische Dogmen. Denn inzwischen erschwert man beispielsweise Heterosexuellen, Homosexuelle zu spielen. Die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten, sich auszuprobieren, nehmen unheimlich ab. Der einzige Raum, wo man das vielleicht noch am ehesten ausleben kann, ist das Theater.