Sydney. An einer Eliteschule Australiens mussten sich Lehrerinnen um ihre Sicherheit sorgen. Der Fall ging bis zur Menschenrechtskommission.
Vor rund drei Jahren formierte sich eine Art #MeToo-Bewegung in Australien. Mehrere Zehntausend Menschen gingen damals für die Rechte von Frauen auf die Straße. Ihr Ärger hatte sich über Wochen formiert, nachdem eine Vergewaltigung im Parlament ans Tageslicht kam und sich selbst der damalige Justizminister schweren Anschuldigungen ausgesetzt sah.
Bei den Vorkommnissen handelt es sich jedoch um keine Einzelfälle: Kaum ein Jahr später deckte ein Bericht schockierende sexuelle Gewalt und Belästigung in australischen Minencamps auf. Und wenig später enthüllte eine Untersuchung, dass Frauen selbst in den von Australien betriebenen Forschungsstationen in der Antarktis teils schockierenden Situationen ausgesetzt sind.
Diese Fälle sexueller Belästigung gab es an der Eliteschule
Kurz vor dem Weltfrauentag am Freitag kam nun ein Skandal ans Licht, der zeigt, dass die teils toxische Männerkultur im Land schon in jungen Jahren auftreten kann. So deckte eine Recherche des staatlichen australischen Senders ABC für das investigative Programm „Four Corners“ auf, dass Lehrerinnen in einer der renommiertesten Jungenschulen des Landes von jungen Schülern sexuell belästigt werden. Die betroffenen Lehrerinnen müssen sich sogar dann um ihre Sicherheit sorgen, während sie im Klassenzimmer unterrichten.
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Der Bericht schildert, wie Lehrerinnen flauschige Handschellen überreicht bekamen, ihnen im Pausenhof hinterhergepfiffen oder Orgasmusgeräusche gemacht wurden. Ein Schüler versuchte gar, eine Mathelehrerin zu erpressen, um Nacktbilder von ihr zu bekommen. Würde sie diese nicht schicken, so würde er behaupten, sie habe ihn sexuell missbraucht. Tatort ist Cranbrook, eine der teuersten und elitärsten Privatschulen Sydneys, in der viele der reichsten Familien Australiens ihre Söhne ausbilden lassen.
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Lehrerin beschwerte sich sogar bei Menschenrechtskommission
Die Mathelehrerin war so besorgt über ihre Behandlung an der Schule, dass sie sich im vergangenen Jahr sogar bei der australischen Menschenrechtskommission beschwerte. „Meiner Erfahrung nach gab es in Cranbrook keine sichere, integrative und unterstützende Kultur für mich und das andere weibliche Lehrpersonal“, sagte sie der Kommission im Oktober 2023. „Ich begann, mich unsicher zu fühlen.“ Die Situation müsse sich ändern, nicht nur für das aktuelle und zukünftige Lehrpersonal, sondern auch, weil die Schule plane, demnächst auch Mädchen zu unterrichten, sagte die Lehrerin.
Der Schüler, der den Erpressungsversuch unternommen hatte, wurde letztendlich suspendiert und entschied sich, die Schule zu verlassen. Er schrieb einen langen Entschuldigungsbrief an die Lehrerin mit der Botschaft, er sei beschämt und am Boden zerstört über sein Verhalten. „Ich habe Ihnen, meinen Lehrern und der gesamten Schulgemeinschaft, meinen Freunden und meiner Familie so viel Leid und Enttäuschung zugefügt“, hieß es darin.
Er erklärte, er sei wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit schon seit einiger Zeit gemobbt worden. Die Erpressungs-E-Mail habe er geschrieben, um seine Peiniger zu beeindrucken. Dass der Junge nicht alleine handelte, zeigte sich, als ein anderer Klassenkamerad belauscht wurde, als er vor seinen Mitschülern lautstark verkündete, die Lehrerin sei „eine Hexe, die es verdient, schikaniert zu werden“.
Eliteschule: Lehrerkollegium rechtfertigte sexuelle Belästigung
Besonders erschüttert war die Lehrerin letztendlich auch vom Verhalten der Schulleitung. Als sie den Vorfall meldete, trösteten sie ihre männlichen Vorgesetzten mit den Worten, sie müsse damit rechnen, sexuell belästigt zu werden, weil sie eben jung sei und gut aussehe. „Die Rechtfertigung sexueller Belästigung stärkt künftigen Missbrauch“, schrieb die Lehrerin später an die Kommission.
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Vonseiten Cranbrooks lautete das offizielle Statement, dass es an der Schule keine Schikanen gegen Frauen gegeben habe und dass die Schule eine „integrative und vielfältige Kultur“ habe. Die von „Four Courners“ angesprochene „kleine Stichprobe der angeblichen Probleme“ sei zwar „äußerst enttäuschend“, vermittle aber „kein repräsentatives, genaues oder vollständiges Bild unserer Kultur“, hieß es.
Sexuelle Belästigung: Forscher vermuten historischen Grund
Doch die häufig toxische Männerkultur im Land ist inzwischen ein so offensichtliches Problem in Australien, dass sich sogar schon die Forschenden mit der Thematik auseinandergesetzt haben. 2018 veröffentlichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität von New South Wales eine Studie, in der sie zu dem Schluss kamen, dass Australiens Sträflingsvergangenheit als Ursprung der „toxischen“ Männerkultur zu sehen sei.
Australien war einst Ende des 18. Jahrhunderts von den Briten besiedelt worden, obwohl in dem Land bereits etliche indigene Völker lebten. Um die neue Kolonie aufzubauen, entsandte das Königreich Sträflinge ans andere Ende der Welt. Die ersten 1500 Männer, Frauen und Kinder kamen 1788, in den folgenden 80 Jahren folgten Zehntausende weitere Strafgefangene.
Laut der Wissenschaftler kreierten der verschärfte Wettbewerb unter den Männern und die daraus resultierende Gewalt in dieser Anfangszeit Verhaltensweisen und gefährliche Normen in Bezug auf Männlichkeit. Diese hätten „Nachwirkungen bis ins moderne Australien“, schrieb Pauline Grosjean, eine Wirtschaftsprofessorin der australischen Universität, die an der Studie beteiligt war, in einem späteren Beitrag für das akademische Online-Magazin „The Conversation“.