Berlin. Bei Infekten setzen viele zur Stärkung des Immunsystems auf bestimmte Präparate. Ein Immunologe erklärt, warum das gefährlich ist.
Multivitamintabletten oder ein Fläschchen „Orthomol immun“ gehören für viele Deutsche in der Erkältungszeit zur täglichen Routine, versprechen solche Nahrungsergänzungsmittel doch Schutz vor Symptomen wie Schnupfen und Husten. Doch nicht immer unterstützen die Mittel die Gesundheit, können sie im schlimmsten Fall sogar deutlich verschlechtern.
Die Hersteller von Präparaten wie Orthomol und vergleichbaren Produkten werben zwar damit, dass sie eine umfassende Palette an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen liefern, die „zu einer normalen Funktion des Immunsystems“ beitragen. Auch deshalb werden die nicht gerade günstigen Produkte Menschen mit „geschwächtem Immunsystem“ empfohlen.
Immunologen wie Lothar Rink von der Uniklinik RWTH Aachen warnen allerdings davor, blind auf solche Mittel zu setzen, ohne den individuellen Bedarf und die tatsächliche Wirkung zu berücksichtigen.
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Erkältung: Präparate haben oft keinen wirklichen Nutzen
Viele Immunpräparate werden als Nahrungsergänzungsmittel und ausdrücklich nicht als Arznei verkauft, da sie nicht zur Heilung von Krankheiten bestimmt sind. Daher müssen die Hersteller ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auch nicht vorab bei einer Behörde nachweisen.
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Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen allerdings, dass die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln für gesunde Menschen, die sich ausgewogen ernähren, keinen signifikanten Nutzen hat. Im Gegenteil, so Rink, könnten solche Präparate schnell zu Überdosierungen bestimmter Vitamine und Mineralstoffe führen. „Eigentlich bräuchten gesunde Menschen, die sich ausgewogen ernähren, gar keine Nahrungsergänzungsmittel.“
Laut Rink gibt es aber eine Ausnahme: Vitamin D, das sogenannte Sonnenvitamin. „Deutschland liegt weiter nördlich auf der Erde, als viele Menschen annehmen. Gerade in der dunklen Jahreshälfte leiden daher viele Menschen an einem Vitamin-D-Mangel. Da sollte man gegensteuern.“ Wichtig sei es aber auch, das Vitamin nicht zu überdosieren. „Viele Präparate werden mit Dosierungen verkauft, die weit über der maximal empfohlenen Tagesdosis liegen.“
Überdosierung von Vitaminen bringt unangenehme Folgen mit sich
Wer zu viel der Nährstoffe zu sich nehme, könne gesundheitlichen Probleme riskieren, so der Immunologe. Bei Vitamin C mache sich das zum Beispiel durch Kopfschmerzen bemerkbar. Symptome wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Schwächegefühl sowie Nervosität hingegen sprächen für eine Überdosierung von Vitamin D. Besonders gefährlich: Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BFR) droht bei einer Überdosierung von Vitamin E sogar die Wahrscheinlichkeit, vorzeitig zu sterben.
Um zu prüfen, welche Nährstoffe der Körper in welcher Menge überhaupt braucht, sei die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine gute Anlaufstelle, so Rink. Die dort angegebenen Höchstmengen sollten Verbraucher dabei allerdings nicht komplett durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Schließlich seien im normalen Essen ja auch noch Vitamine und andere Nährstoffe enthalten. Ansonsten droht ebenfalls eine Überdosierung.
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Bestimmte Gruppen neigen besonders zu Nährstoffmangel
„Wer Verdacht auf eine Mangelernährung hat, sollte am besten einen Arzt konsultieren“, so Rink. Dieser kann prüfen, ob es Symptome für einen Nährstoffmangel gibt und ein Blutbild machen lassen. Besonders gefährdet seien demnach Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, denen durch den Verzicht auf Fleisch einfach bestimmte Nährstoffe fehlen. „Pescetarier haben damit vergleichsweise deutlich weniger Probleme. Unter anderem deshalb, da sie immerhin noch Fisch essen.“ Auch ältere Menschen leiden demnach oft an einem Mangel. Rink: „Sie stellen über die Zeit oft ihre Ernährung um und nehmen weicheres Essen zu sich. Darin ist meist zu wenig Zink enthalten.“
Wer einen Nährstoffmangel hat, sollte sich außerdem über die richtige Aufnahme des Supplements informieren. „Es gibt zum Beispiel Vitamine, die fettlöslich sind und welche, die wasserlöslich sind. Die fettlöslichen Vitamine sollte man dann also zum Beispiel nicht morgens supplementieren, wenn man noch nichts gegessen hat“, so Rink.
Unterstützung bei Nährstoffmangel könnten auch Apps bieten: „Wir haben zum Beispiel eine App entwickelt, in der die Nutzer angeben können, was sie essen. Das wertet die App aus und gibt dem Nutzer dann an, wie wahrscheinlich es ist, dass ihm in seiner Ernährung Zink fehlt. Für andere Nährstoffe gibt es ähnliche Apps von anderen Anbietern“, sagt der Leiter des Instituts für Immunologie an der RWTH Aachen.