Berlin. Anja Kling ist wieder in der Krimi-Reihe „Das Quartett“ zu sehen. Im Interview spricht die Schauspielerin über Machtmissbrauch am Set.
In der vielseitigen Karriere von Schauspielerin Anja Kling ist die Krimireihe „Das Quartett“ (neue Folge am 25. Mai um 20.15 Uhr im ZDF) eine feste Größe. Doch die 54-Jährige verlässt sich beruflich nicht nur auf ihre Einsätze vor der Kamera. Wenn sie nicht gerade zwischendurch Unkraut jätet, ist sie auch als Agentin tätig. Die wichtigsten Aufgaben ihres Lebens sind jedoch mit ihren Kindern verbunden.
Sie meinten unlängst in einem Interview, dass Sie nicht mehr so viel zu tun hätten. Aber erst vor kurzem waren Sie in „Der Millionenraub“ zu sehen, jetzt kommt die neue Folge des „Quartetts“, und demnächst drehen Sie wieder ...
Anja Kling: Das stimmt, trotzdem merke ich einen gewissen Unterschied. Mit 50 wird man eben nicht mehr so häufig angefragt wie zwischen 20 und 30. Mir geht es vergleichsweise gesehen immer noch gut, aber man muss sich Alternativen schaffen. Ich wollte nie traurig vor meinem Telefon sitzen und darauf warten, dass man mir Rollen anbietet. Deshalb habe ich ja mit meinem Mann letztes Jahr die Schauspielagentur meiner Mutter übernommen, die sich aus dem aktiven Geschäft zurückziehen wollte.
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Aber am heutigen Tag haben Sie nicht in der Agentur zu tun...
Kling: Nein, denn ich bin ja auch weiterhin Schauspielerin und habe gerade drei Wochen gedreht. Als ich wiederkam, habe ich gesehen, dass im Garten alles von Unkraut zugewachsen ist. Das darf ich jetzt stupide herauszupfen, was aber irgendwie auch etwas Meditatives hat (lacht).
Anja Kling über Selbstzweifel: „Ich war sehr unsicher“
Ihr Mann unterstützt Sie nicht dabei?
Kling: Der macht ja schon alles andere im Haus. Er ist technisch und handwerklich sehr begabt und kann alles reparieren, was kaputtgeht. Da werde ich ihm nicht auch noch sagen, dass er mir beim Unkraut jäten helfen soll. Aber wenn ich das täte, dann würde er das wahrscheinlich auch noch machen.
Geben Sie als Agentin jungen Kolleginnen Rat, wie sie an ihre Karriere herangehen sollen?
Kling: Wenn ich gefragt werde, bin ich immer gerne da. Es bleibt natürlich meine subjektive Sicht der Dinge. Entscheiden müssen sie das selbst. Es ist auf jeden Fall sehr günstig, dass ich aus dem Metier komme. Es gibt inzwischen viele E-Castings, bei denen sich Schauspielerinnen und Schauspieler per Video vorstellen. Da bin ich gerne mit Rat und Tat unterstützend dabei.
Die neue Folge von „Das Quartett“ handelt von jungen Frauen, die auf andere Weise Orientierung suchen. Was hat Ihnen selbst geholfen, sich im Leben zurechtzufinden?
Kling: Das waren ganz klar mein Elternhaus und mein Freundeskreis. Es gibt Freunde, mit denen ich seit meiner frühen Jugend zusammen und durch dick und dünn gegangen bin. Und natürlich gibt es innerhalb meiner Familie – zu meinen Eltern, meiner Schwester und meinen Kindern – ein starkes Band. Wir helfen und halten uns gegenseitig.
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Hatten Sie in jungen Jahren Phasen der Selbstzweifel?
Kling: Natürlich. Ich würde mich wundern, wenn das jemand gar nicht hatte. Ich war sehr unsicher als junge Schauspielerin und habe lange gesucht, wo meine Stärken und Defizite liegen und wie ich damit umgehe.
Nach diesen Grundsätzen lebt Anja Kling als Mutter
Wann haben Sie sich in Ihrer eigenen Haut einigermaßen sicher gefühlt?
Kling: Da war ich Anfang 30, als ich meine Kinder bekommen habe. Da verschieben sich die Prioritäten extrem. Die Themen, die man vorher für unglaublich wichtig gehalten hat – Wie komme ich an? Wie finden die anderen mich? – verlieren ihre Bedeutung. Denn auf einmal spürt man eine bedingungslose Liebe – von den Kindern und zu den Kindern. Denen ist völlig egal, was ich drehe und ob ich dafür Preise kriege. Die lieben mich, weil ich ihre Mama bin. Dieses Gefühl hat mir eine große Sicherheit gegeben.
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Die jungen Protagonistinnen im Film geraten auf gefährliche Abwege. Wie weiß man als Mutter, wann man steuernd eingreifen muss?
Kling: Das muss man individuell entscheiden. Da gibt es keinen guten Rat. Wenn man seinen Kindern eine gute Basis gibt und sie mit Kraft, Energie und Selbstbewusstsein, aber auch einer gehörigen Portion Bescheidenheit groß werden, dann haben sie eine gute Chance, dass sie ihren Weg meistern.
Natürlich kann es sein, dass sie durch Menschen in ihrem Umfeld in Kreise geraten, die einem nicht so gefallen. Ich habe das Glück, dass das weder mir noch meinen Kindern passiert ist. Ich weiß nicht, wie ich in so einem Fall reagieren würde, aber ich würde das wahrscheinlich sehr genau beobachten und dann die Hand reichen, wenn ich das Gefühl habe, dass mein Kind das will und braucht. Druck und Zwang helfen jedenfalls nicht.
Schlechte Einflüsse können, wie in der Folge zu sehen, von guruhaften Personen ausgehen, die andere manipulieren und ihre Macht missbrauchen. Haben Sie die in Ihrer Branche kennengelernt?
Kling: Durchaus, aber Gott sei Dank nicht oft. In den 35 Jahren, in denen ich diesen Beruf ausübe, ist die Zahl gering geblieben. Das waren Fälle von Machtmissbrauch am Set. Ich habe das vom Rand aus beobachtet und als sehr unangenehm empfunden.
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Wie haben Sie reagiert?
Kling: Wenn ich das unmittelbar erlebt habe, habe ich immer etwas gesagt.
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Verschwindet dieser Machtmissbrauch, der ja oft von Männern ausging, in der #MeToo-Ära?
Kling: Den Eindruck habe ich, denn es ist wirklich sehr viel strenger geworden. Wenn so etwas ansatzweise vorkommt, gibt es genug Stellen, an die man sich wenden kann. Wobei ich im Übrigen nicht nur Frauen als Opfer erlebt habe. Das Gleiche ist auch Männern passiert.
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Spüren Sie gegenüber Ihren Kindern, die Opfer solcher Strukturen werden könnten, einen starken Beschützerinstinkt?
Kling: Ich habe keine großen Befürchtungen. Denn ich glaube, dass meine Kinder stark genug wären, sich auf unterschiedliche Weise zu wehren. Aber wenn ich merken sollte, dass sie in eine Situation geraten, in der sie nicht klarkämen, wäre mein Beschützerinstinkt riesig. Dann werde ich zur Löwin.