Wien. Österreichs Ski-Tourismus steckt in einer Krise. Warme Temperaturen gefährden den Wintersport massiv. Womit Urlauber rechnen müssen.
Freitagabend, Ski aufs Dach, ab ins Auto, los. Da staubt der Schnee, da glitzern die verschneiten Berge in der Sonne, da planen vor allem die Österreicher schon mal gern einen freien Montag ein. Die Skigebiete abseits des Gletschers gelten aber auch bei Urlaubern als attraktiv. Doch der Traum vom Skiparadies ist bedroht.
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Der warme Februar und viel Regen zwingen vielen Skiresorts in Österreich ein frühes Ende der Wintersaison auf. Nach der Wintersaison bedeutet für viele aber vor der Sommersaison. Und es sind vor allem die kleinen Resorts in tiefen Lagen, die vormachen, wie eine Neuausrichtung klappen und der Urlaub noch gelingen kann.
Dramatischer Schneemangel: Einige Bergbahnen haben Betrieb eingestellt
Nach Angaben von Markus Redl, Geschäftsführer der Ecoplus Alpin GmbH, sind niederösterreichische Skigebiete wie Annaberg, Lackenhof am Ötscher und Mönichkirchen schon jetzt nur noch teilweise in Betrieb. Je nach Wetter der kommenden Tage müsste der Betrieb weiter reduziert werden. Die Schneeauflage in diesen Skigebieten sei „schon stark dezimiert“, so Redl gegenüber dem ORF.
An Sonne mangelt es nicht in Österreichs Bergen – allerdings an Schnee. Wo sonst in dieser Zeit des Jahres zumindest ein wenig dekoratives Weiß die Hänge ziert: Jetzt ist hier nichts als Grün. In so manchem Skiresort: ein weißes Band auf grüner Wiese, das sich ins Tal schlängelt – so es sich noch schlängelt. Denn einige Bergbahnbetriebe in niedrigeren Lagen haben die Skisaison bereits beendet.
Von einem Teilbetrieb ist in den meisten Tiroler und Salzburger Skibetrieben noch keine Rede. Salzburger Bergbahnen in Flachau, Wagrain und St. Johann sehen den Skibetrieb bis Ostern gesichert, auch wenn der Februar im Durchschnitt um mehr als sieben Grad zu warm war, heißt es laut Medienberichten. Man wolle bis Ostern weitermachen, sagte Toni Bodner, Vorstandsvorsitzender der Kitzbüheler Bergbahnen, gegenüber orf.at. Doch auch hier sorgt man sich um die Talabfahrten: „Es ist offen, wie lange wir diese aufrechterhalten können.“ Schwierig sei es vor allem in den Lagen unterhalb von 1200 bis 1300 Meter Seehöhe.
Wintersportgebiete müssen mit ungewöhnlichen Plänen ums Überleben kämpfen
„Wir reden nicht von einem Ende, wir kämpfen bis zum Schluss“, sagt Ines Buchgeher, Sprecherin der Wexl Arena in St. Corona am Wechsel. Das Wintersportgebiet liegt auf einer Höhe von 840 bis 1039 Metern. Man kämpfe darum, „dass die Kinder ihre Skikurse durchziehen können“. Das gehe auch noch, dank guter Schneewartung. Aber das war vor dem Regeneinbruch am Wochenende.
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Markus Redl hat zu dem Thema ein Buch mit dem Titel geschrieben: „Die Zukunft der Skigebiete: Das weiße Gold wird grün!“. Da geht es beispielsweise um Anpassungsstrategien und hybriden Betrieb. In seiner Rolle als Geschäftsführer wurden Skiresorts zum Teil zurückgebaut, zugleich aber das Marketing gebündelt, der Ticketverkauf digitalisiert. Unter dem Strich also: eine Neuausrichtung.
Sommerrodelbahnen oder Bikeparks sollen Touristen locken
Auf den Schnee werde man nicht ganz verzichten können, sagt er. Aber man könne versuchen, ihn effizient auf kleinerer Fläche einzusetzen, wo er dann auch länger halte – während zugleich anderes angeboten werde: Wanderwege, Bikeparks, Sommerrodelbahnen. Attraktionen allesamt, die einst vielleicht eher die Sommerlücke füllen sollten. Letztlich müsse aber jede Region für sich eine Strategie entwickeln – orientiert an den Fragen: „Wo sind die Chancen, wo sind die Betten und wo die Mobilitätslösungen?“
Das sind Fragen, die sich vor allem in Gebieten in niedrigen Lagen stellen. Denn eine Neuausrichtung ist hier für viele nötig. Die erste Februarhälfte war in ganz Österreich um im Schnitt sieben Grad wärmer als im Mittel der bereits warmen Jahre von 1991 bis 2020. Seit 1869 war ein Februar in Österreich nicht mehr so warm wie dieser. Bienen und Hummeln sind bereits auf Nahrungssuche, Zecken bereits aktiv – in niedrigen Lagen blühen schon die ersten Wiesenblumen.
Von Tauwetterpanik ist in St. Corona allerdings keine Spur. Aus dem chronischen Mangel an Schnee hat man über Jahre eine Marke entwickelt: Wer heute eine Liftkarte kauft, erhält zugleich Eintritt in den Motorikpark – einen riesigen Kletterpark für Kinder. Im Sommer gibt es einen Bikepark, und weitere Angebote stehen zur Verfügung. Aber eben nicht nur im Sommer.
Und so wurde im vorigen Winter zu Silvester dann eben die Sommerrodelbahn aufgebaut, weil kein Schnee da war. Laut Ines Buchgeher habe sich die Sommerrodelbahn bezahlt gemacht. Man habe 50 Prozent der Fahrten verbuchen können wie vergleichbar an einem sehr guten Tag im Sommer.
Experte warnt: Es werden kreative Lösungen gebraucht
Letztlich ist es eine Frage des Publikums. Markus Redl sieht die, für die Pistenkilometer- und Höhenmeterrekorde zählen, letztlich als „Minizielgruppe“. Für genau diese Gruppe sind viele Resorts in Österreich aber ausgelegt. „Was den technischen Standard der Skiregionen angeht, ist Österreich exzeptionell im europäischen und weltweiten Vergleich“, sagt er.
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Ein technischer Ausbau ergebe daher wenig Sinn. Viel eher eine inhaltliche Ausrichtung. Redl spricht von „kreativen Lösungen“. Und diese zwingen sich auf. Denn: „Die Skiorte, in denen nach der Wintersaison die Rollläden hinuntergehen bis in den Herbst, die gibt es kaum mehr. Die bekommen ja auch kaum mehr Personal, weil die Menschen einen dauerhaften Job wollen.“
In St. Corona arbeiten um die 40 Leute im Liftbetrieb. Letztlich aber geht es immer um die Bergbahn als Multiplikator für eine Region. Ines Buchgeher sagt: „Da hängen ja auch noch die Unterkünfte dran, die Gastronomie, die Zulieferer zu Hotellerie und Gastronomie und so weiter.“
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In Tourismus-zentrierten Regionen, in denen der Betrieb noch überwiegend auf den Winter ausgelegt ist, wird Schneemangel dann rasch zur existenziellen Bedrohung. Beispiel Dachstein-Region: Da macht der Tourismus 80 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus – zwei Drittel der Arbeitsplätze hängen daran. Die Dachstein-Region galt bisher überwiegend als Winterdestination. Schneeunsicherheit und nicht zuletzt Liftschließungen während der Pandemie haben dazu geführt, dass man zunehmend den Sommer mit Angeboten erschließt.
Das dahingehende Vorbild in Österreich: St. Corona. Das Gebiet zwischen Wien und Graz war einst eine Nah- und Kurz-Skiurlaubsdestination für Leute, die eine kurze Anreise schätzen. Im Umkreis von 90 Autominuten leben fünf Millionen Menschen. Würde man sich ganz auf den Skizirkus verlassen, wäre hier wohl bereits alles vorbei. Heute ist die tiefe Lage aber kein Problem mehr. Im Gegenteil: Der kleine Ort verzeichnet heute 250.000 Ankünfte pro Jahr – zwei Drittel davon im Sommer.