Berlin. Der Kreuzbandriss zählt zu den häufigsten Verletzungen beim Ski-Fahren. Ein Chirurg erklärt, wie lange man beim Sport aussetzen sollte.
Nicht nur schöne Sonnenbräune kann die Folge eines Skiurlaubs sein: Leider sind auch Verletzungen an der Tagesordnung, die unsere Gesundheit beeinträchtigen, so Unfallchirurgen. Der Kreuzbandriss gehört zu den Klassikern unter den Ski-Unfällen überhaupt. Mit rund 100.000 Fällen zählt eine Kreuzband-Operation zu den häufigsten Eingriffen am Knie.
Doch trotzdem sei eins besonders wichtig, so Facharzt Dr. Christian Schoepp: Jedes Knie ist anders. Es gibt keine 08/15-Methode, sondern auch die Kreuzband-OP sei höchst individuell, sagt der Chefarzt der Klinik für Arthroskopische Chirurgie, Sporttraumatologie und Sportmedizin am BG Klinikum Duisburg.
Dass wir stabil auf unseren Beinen stehen, hat auch etwas mit den Kreuzbändern im Knie zu tun. Welche Aufgabe haben die Kreuzbänder genau?
Dr. Christian Schoepp: Die Kreuzbänder sind Teile des Kniegelenks. Jeder Mensch hat zwei Kreuzbänder: ein vorderes und ein hinteres, die von der Schienbeinkopfmitte zum Oberschenkelknochen über Kreuz laufen. Die Kreuzbänder stabilisieren das Knie und stellen sicher, dass sich Unter- und Oberschenkel nicht gegeneinander verschieben.
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Und diese Bänder können reißen. Vor allem beim Sport?
Schoepp: Das Kreuzband reißt bei einem Unfall, und das Kniegelenk wird instabil. Aktuell sehen wir enorm viele Verletzungen, die durch Ski-Unfälle ausgelöst werden. Sonst kommt es aber auch durch andere Sportarten vielfach zu Kreuzbandrissen. Sportarten mit schnellen Richtungswechseln wie Fußball, Handball oder Hockey gehen mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einher.
Meist passiert die Ruptur durch ein traumatisches Umknicken in Verbindung mit einer Verdrehung (Distorsion) des Kniegelenks. Dadurch entsteht dann die Instabilität zwischen Oberschenkel- und Unterschenkelknochen.
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Schubladentest bei Kreuzbandriss: So stellen Experten die Diagnose
Welches Kreuzband reißt häufiger – das vordere oder hintere?
Schoepp: 90 Prozent der Verletzungen betreffen das vordere Kreuzband.
Wie erkennt der Arzt einen Kreuzbandriss?
Schoepp: Vieles lässt sich bereits durch die klinische Untersuchung erkennen, unter anderem durch das sogenannte Schubladen-Zeichen. Hierbei kann das Schienbein gegenüber dem Oberschenkel nach vorne (vorderer Kreuzbandriss: vorderes Schubladen-Zeichen) beziehungsweise nach hinten (hinterer Kreuzbandriss) verschoben werden.
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Nach Röntgen und MRT steht dann die Therapie an. Wie sieht die genau aus?
Schoepp: Heutzutage ist der mikro-chirurgische Eingriff das Mittel der Wahl. Die wesentlichen Operationsschritte können ohne große Hautschnitte arthroskopisch, also über eine Gelenkspiegelung, behandelt werden. Hier wird dann arthroskopisch ein Kreuzbandersatz eingesetzt, die Kreuzbandplastik.
Wie funktioniert das?
Schoepp: Man benötigt dafür ein Ersatzband, um das gerissene Band zu ersetzen. Dieses Band wird aus körpereigenem Sehnenmaterial gewonnen. Wir arbeiten sozusagen mit Sehnentransplantaten.
Knieprobleme: Wie lange fällt man beim Sport aus?
Woher nehmen Sie diese Sehnen?
Schoepp: Aus der Nähe des Kniegelenks. In etwa siebzig Prozent wird als Ersatzsehne eine rückwärtige Oberschenkelbeugesehne (Semitendionussehne) genommen. Aber man kann beispielsweise auch einen Sehnenstreifen aus der Oberschenkelvorderseite nehmen, nämlich von der Quadrizepssehne. Das Transplantat ist vergleichbar stabil und wird aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse von Kreuzbandchirurgen immer öfter verwendet.
Es gibt also beim Sehnenersatz nicht die Methode 08/15?
Schoepp: Auf keinen Fall. Es kommt immer darauf an, welchen Patienten ich vor mir habe und welche Voraussetzungen er mitbringt. Das überhaupt ist etwas Grundsätzliches: Es gibt nicht die eine OP-Strategie, sondern bei jeder Kreuzband-Operation handelt sich um eine personalisierte Operation.
Einem Kampfsportler sollte ich unter Umständen eine andere Sehne einsetzen als einem Fußballer. Es muss genau analysiert werden, welche Bewegungsmuster in der jeweiligen Sportart dominieren. Die Strategie hängt auch vom Alter oder von der Beinachse ab. Da muss man ganz individuell schauen, was passt.
Das Knie akzeptiert die neue Sehne als Ersatzband?
Schoepp: Ja. Unser Organismus akzeptiert den Ersatz und wandelt die Sehne in ein neues Kreuzband um.
Wann darf man das Bein wieder belasten?
Schoepp: Genauso wie die Operation ist auch der Rehabilitationsprozess individuell immer unterschiedlich zu betrachten. Wann die Belastung gesteigert werden kann, ist ganz unterschiedlich.
Da möchten wir uns von einfachen Zeitvorgaben in Wochen oder Monaten lösen. Wir betrachten eher einzelne Rehabilitationsphasen, die aufeinander aufbauen. Wie lange jede einzelne Phase dauert, ist von Patient zu Patient verschieden.
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Wie erkennen Sie den Prozess der Genesung?
Schoepp: Die Einschätzung der Genesung und damit auch der Sportfähigkeit möchten wir heutzutage anhand objektiver Testdaten abgeben. In unserem Motoriklabor können wir sehr genau erkennen, wie weit die Genesung fortgeschritten ist.
Dafür stehen uns Labortests wie die Spiroergometrie (Atemgaskontrolle) oder die 3-D-Sprungkraftanalyse sowie mobile Lichtschrankensysteme zur Bestimmung der Sprint- und Richtungswechselschnelligkeit zur Verfügung. Erst dann lässt sich sagen, ob der Patient mit Sport beginnen kann.
Unfallchirurg: Nicht immer ist eine OP nötig
Was kann der Patient denn tun? Zweimal Physiotherapie pro Woche, und nach drei Wochen ist das auch vorbei, das ist ja nicht so viel. Sofort auf ins Fitnessstudio?
Schoepp: Eher nicht. Wenn man hier falsch belastet oder falsch trainiert, riskiert man eine gute Ausheilung und die Stabilität. Erst nach Absprache mit den behandelnden Ärzten und Therapeuten sollte man ins Fitnessstudio.
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Grob gesagt: Wie lang fällt die Sportpause aus?
Schoepp: Es ist individuell unterschiedlich, aber in der Regel sind es deutlich mehr als sechs Monate, bis das alte Sportniveau wieder erreicht wird. Das betrifft selbst Berufssportler, und auch bei denen kann es bis zu einem Jahr dauern. Wenn man manchmal liest, dass schon kurz nach der Kreuzbandverletzung das Rückkehrdatum des Sportlers prognostiziert wird, halte ich das für ziemlich unseriös.
Zur Genesung ist der Muskelaufbau ist das A und O?
Schoepp: Auf jeden Fall. Mit einer guten Muskulatur kann man einen Kreuzbandriss in einigen Fällen sogar konservativ behandeln. Das heißt, man muss nicht sofort operieren, sondern kann die OP in aller Ruhe planen, je nachdem, wie es auch beruflich für den Patienten passt.
Ist meistens eine Operation nötig?
Schoepp: Eine Operation ist vor allem dann nötig, wenn es zu einer Kombination verschiedener Verletzungen gekommen ist. Neben einem Kreuzbandriss kommt häufig ein Meniskusriss oder auch eine Knorpelverletzung hinzu. Bei einem isolierten Kreuzbandriss kann man unter Umständen auch noch warten.
Wie gesagt, die Muskulatur muss stimmen, damit das Bein nicht wegknickt. Das muss allerdings gut abgewogen werden. Denn durch wiederholtes Wegknicken oder Fehlbelastung drohen sekundäre Schäden im Knie, wodurch auch das Arthroserisiko zunimmt..
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Sollte der Patient auch täglich selbst Übungen in seinen Alltag einbauen, z.B. Kniebeugen zur Stärkung der Oberschenkelmuskulatur?
Schoepp: Auf jeden Fall wäre das gut. Die medizinischen Fachgesellschaften wie zum Beispiel die Deutsche Kniegesellschaft haben online abrufbare Präventionsprogramme erarbeitet, die dazu beitragen sollen, die Verletzung zu vermeiden.
Eine gute Muskulatur schützt das Gelenk und ist gleichzeitig auch eine Arthroseprophylaxe. Und Prävention ist natürlich besonders dann wichtig, wenn man nicht regelmäßig Sport treibt und zum Beispiel untrainiert in den Ski-Urlaub fährt.