San Francisco. Wind und Wasser setzen dem größten Eisberg der Welt zu. Seine Tage sind gezählt – doch der Gigant liefert spektakuläre Bilder.
Egal ob A68 oder A76 – Eisberg A23a hat sie alle überlebt, nur gelegentlich in seinen Dimensionen übertrumpft. Seit 1986 existiert A23a, der größte Eisberg der Welt, und ruhte auf dem Grund des antarktischen Weddellmeers. 400 Meter dick ist der Koloss und fast 4000 Quadratkilometer groß, dreimal so groß wie die Millionenmetropole Los Angeles, viereinhalbmal die Größe von Berlin.
Ende 2023 hat sich A23a auf seine letzte Reise gemacht, sich erhoben vom Meeresboden und in den antarktischen Zirkumpolarstrom gelegt, der ihn wegtreiben wird aus seinem eisigen Zuhause, hin in wärmere Gefilde, die ihn schließlich werden tauen lassen. Wie die meisten Eisberge aus dem Gebiet werde er wahrscheinlich in den Südatlantik gelangen, schätzt die Europäische Weltraumagentur (Esa).
Oder das, was von ihm übrig ist. Denn Wind und Wasser setzen dem Giganten zu und formen seine scharfen Eisklippen neu, schlagen Löcher in die weißen Wände und höhlen gigantische Kavernen aus. Langsam werden sie ihn zermahlen.
Der Aufbruch war lange vorbereitet: Erste Bewegungen waren bereits 2020 beobachtet worden, Ende vergangenen Jahres legte A23a dann an Geschwindigkeit zu und zog vorbei an der Nordspitze der antarktischen Halbinsel, die sogenannte Eisberg-Allee hinab. Der flügge gewordene Koloss hat es eilig: Vergleichsweise schnell bewege er sich von seinem Zuhause weg, hieß es Mitte Dezember von der Esa. Wind und Meeresströme treiben ihn an.
Warum A23a sich jetzt auf seine letzte Reise gemacht hat, ist Forschern nicht ganz klar. Der Eisberg könnte an seiner Unterseite an Eismasse verloren haben, vermuten sie. „Irgendwann wurde er so klein, dass er den Halt am Meeresgrund verlor und sich zu bewegen begann“, sagte Andrew Fleming, Fernerkundungsexperte des British Antarctic Survey, der BBC im vergangenen Dezember.
Faszinierende Bilder vom Eiskoloss
A23a mag ehrfurchtgebietend sein, die Kräfte, die nun an ihm zerren, sind es allemal. „Wir haben drei, vier Meter hohe Wellen gesehen, die in den Berg brachen“, sagte Ian Strachan unlängst der britischen BBC. Strachan leitet eine Expedition zum bald nicht mehr größten Eisberg der Welt. „Die Wellen haben Eiskaskaden erzeugt. Ein Zustand konstanter Erosion.“ Das Team sei Mitte Januar nahe genug an den Eisberg herangekommen, um Drohnenaufnahmen zu machen. Die rund 30 Meter hohen Klippen des Berges seien von dichtem Nebel umhüllt gewesen.
Die Expedition hat faszinierende Bilder vom Koloss geschossen, die nicht nur von den Eiskavernen zeugen, sondern einen zarten Eindruck davon vermitteln, welche Dimensionen A23a misst. Der Eisberg ist so groß, dass sich das Auge beim Betrachten der Bilder in der grauen Ferne am Horizont verliert. Ein Ende des Eises ist nicht in Sicht.
„Er ist von überwältigender Größe“, sagte Richard Sidey, ein mitgereister Fotograf, der BBC. „Ich glaube, wir können uns überhaupt nicht vorstellen, wie groß er ist.“ Eine Trillion Tonnen soll er schwer sein, jeden Tag verliert er an Gewicht, Stück für Stück. „Es war dramatisch und schön zu fotografieren.“
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Koloss kann gefährlich werden – oder nützlich
Ganz ungefährlich ist die Reise von A23a nicht. Er könnte auf die Inselgruppe Südgeorgien treffen. Liefe er dort auf Grund, könnte er beim Abschmelzen sehr viel – gigantisch viel – Süßwasser freisetzen. Außerdem könnte er dort lebende Tiere gefährden, Robben und Vögel, die die Insel als Kinderstube nutzen. Sie könnten von ihren Nahrungsquellen abgeschnitten werden, fürchten Forscher.
Auf der anderen Seite trägt der Eisberg auch Tonnen von Mineralien in seinem eisigen Leib, die ebenfalls freigesetzt werden. Die wiederum sind eine perfekte Nahrungsgrundlage für die Meereslebewesen in der Region. Was am Ende geschehen wird, ob A23a Segen oder Fluch ist, bleibt abzuwarten.
Wie lange wird es dauern, bis A23a nicht mehr ist? Unklar, aber es gibt Anhaltspunkte, bei D28 etwa, der 2019 vom Amery-Schelfeis abbrach und seither zumindest seine ungefähre Größe behalten hat.
Immerhin: Dieses Mal ist nicht der Klimawandel schuld. Laut einem CNN-Bericht brach A23a sehr wahrscheinlich im Zuge des natürlichen Wachstums des Schelfeises ab.
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