Stockholm. Dänemark hat ein ehrgeiziges Ziel, was den Umweltschutz angeht. Auf einer beliebten Insel soll nun ein Mammut-Projekt umgesetzt werden.
- Weltweit stellen riesige Müllberge und Abfälle Gesellschaften vor große Hürden
- Die beschauliche zu Dänemarkt zählende Insel Bornholm will dieses Problem angehen
- Die Insel wagt einen radikalen schritt und hat sich für 2032 viel vorgenommen
Keine Mülldeponien mehr, keine Müllverbrennungsanlagen: Die dänische Insel Bornholm auf der südlichen Ostsee will der erste Ort der Welt werden, der Abfälle gänzlich abschafft. Bis 2032 hat man sich zum Ziel gesetzt, alle Abfälle wiederzuverwenden oder irgendwie zu recyceln. So der ehrgeizige Plan des kleinen, kommunalen Abfallunternehmens BOFA. 22.000 Tonnen Abfälle werden derzeit noch jedes Jahr verbrannt oder deponiert. Zwar hat das Regionalparlament einstimmig beschlossen, die Verbrennungsanlage der „grünen Insel“ 2032 zu schließen. Ob alles so läuft, wie geplant?
Insel will Müll abschaffen: „Brauchen jede Menge Hilfe von den Bornholmern“
„Wir wissen noch nicht völlig genau, wie es gehen wird, aber wir haben eine Vision und gesetzte Deadlines. Wir experimentieren in vielen Projekten“, so BOFA-Sprecher Brian Johansen gegenüber dieser Redaktion. Da gehe es um bessere Sortierung oder neue und klügere technologische Behandlungsformen. Wichtig sei, dass die Bevölkerung hinter dem Plan steht: „Wenn wir ernsthaft mit ‚Bornholm zeigt den Weg – Bornholm ohne Abfall 2032‘ beginnen, dann brauchen wir jede Menge Hilfe von den Bornholmern.“ Mit ihrer Bereitschaft zur Mülltrennung seien sie der Schlüssel zum Erfolg.
Brian Johnson gesteht aber auch ein: „Bis 2032 müssen einige Dinge geschehen, damit sich das hier machen lässt.“ Der Hausmüll der Bornholmer wird derzeit in sechs verschiedene Sparten getrennt. Dazu gehören etwa Altpappe/Altpapier, Altkleider und Alttextilien. Weitere Mülltrennungskategorien sind Altbatterien, Elektrokleingeräte. Der übrige Hausmüll gehört in einen schwarzen Sack mit der Aufschrift „BOFA“.
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Damit kein Abfall mehr verbrannt oder deponiert werden muss, soll es bald statt sechs ganze zwölf Mülltrennungssparten geben: Getrennt wird dann nach Papier, Kartons, Metall, Glas, Batterien, Kleinelektronik, Plastik, Essensresten, Tetrapak, Dämmmaterialien, Giftmüll, Restmüll und so weiter.
Bald soll Müll noch strenger getrennt werden
„Die Trennung in zwölf Kategorien kommt nächstes Jahr auf unsere Bornholmer Haushalte zu“, so Johansen. Organische Abfälle werden kompostiert und als Biogas in Energie umgewandelt, Rückstände als Dünger verwendet. Ausrangierte Gegenstände wie Möbel oder Kinderbekleidung sollen durch Tauschbörsen in eine Kreislaufwirtschaft gelangen. Derzeit sind rund die Hälfte aller Erwachsenen der Insel Mitglied in einer Facebookgruppe, in der Privatgegenstände kostenlos zum Abholen angeboten werden, weil sie sonst weggeworfen würden. Auch die Second-Hand-Läden florieren.
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Ein Problem mit den verschiedenen Recyclingkategorien ist, dass viele Gegenstände zum Recyceln an Unternehmen andernorts in Dänemark, Deutschland oder Schweden geliefert werden müssen, was mit CO2-Transportkosten verbunden ist. Eine weitere Einschränkung sind Großunternehmen, die ihre Produkte umweltschädlich verpacken.
Kleine Gemeinden wie Bornholm sind gezwungen, mit so vielen Akteuren wie möglich gemeinsamen Druck auszuüben, damit die Hersteller umdenken. Etwa bei Windeln, die auch umweltfreundlich produziert werden könnten, wie man in Bornholm in einem von insgesamt rund zehn Pilotprojekten vormacht.
Ehrgeiziges Ziel: Insel will bis 2025 CO2-neutral werden
Auf Bornholm lebt etwa ein Prozent der dänischen Bevölkerung. Der Rest Dänemarks soll dem Beispiel der Insel folgen, so der Anspruch. Auch will Bornholm neue Unternehmen aus der Recyclingbranche anziehen. Mit den zahlreichen Windrädern auf der Insel und dem Meer davor erzeugt die Ostseeinsel bereits mehr erneuerbare Energie als sie selbst verbraucht.
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Der Bau neuer Windräder ist bereits in Planung. Es sollen so viele werden, dass sie mehr Strom erzeugen als ganz Dänemark braucht. Derzeit exportiert die Insel bereits erneuerbare Energie ans dänische Festland, so viel Überschuss hat sie. Denn bis 2025 will die dänische Ostseeinsel auch CO2-neutral werden.
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Die kleine Insel mit rund 40.000 Einwohnern ist bekannt für ihre unberührte Natur, ihre malerischen Fischerdörfer und ihre Kunsthandwerkstradition. Die Bewohner verdienen rund 20 Prozent weniger als der Durchschnitt in Dänemark. Die „Zero Waste“ Initiative soll Bornholm daher auch wirtschaftlich auf die Beine helfen. Viele Wiederverwertungsprojekte werden von der EU mitfinanziert und so auch neue Arbeitsplätze geschaffen.
Recycling: „Zero-Waste“-Projekt bereits angelaufen
Die früher von der Fischerei dominierte Insel hatte große wirtschaftliche Probleme als die Branche in den 80ern zusammenbrach. Noch immer ist sie oft Bittsteller in Kopenhagen. Das Projekt „Zero Waste“ hat Bornholms Ruf aber ordentlich aufpoliert, die Insel ist zu einem Pionier geworden, auf den die Welt schaut. Darauf sind die Bewohner auch stolz.
68 Prozent des Mülls werden bereits recycelt, 26 Prozent verbrannt und sechs Prozent auf die Deponie gebracht. Das ist schon mal eine gute Ausgangslage, um zur ersten abfallfreien Gemeinde der Welt zu werden. Das bedeutet, dass Bornholm dann völlig frei von brennbarem Restmüll und Mülldeponien sein wird. Abfälle, wie Plastik über Metall bis hin zum Hausmüll sollen im besten Fall direkt auf Bornholm wiederverwendet werden.
Insel forscht an neuen Abfall-Technologien
Gleichzeitig wird ein Abfall- und Ressourcenzentrum eingerichtet, um neue Technologien für eine abfallfreie Gesellschaft zu entwickeln und im kleinen Format zu testen. Ziel ist, besonders schwierigen Müll zu recyceln. Die Technologie in dem Gebiet entwickelt sich derzeit rasant, wobei neue Lösungen wie „intelligente Mülltonnen“ und „Robotersortierung“ nur einige Beispiele sind.
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Ein wichtiges Element ist auch die Abfallvermeidung, die darauf abzielt, dass Abfall gar nicht erst entsteht. „Wir haben auch ein Projekt mit einer großen Supermarktkette“, so Johansen. Die Konsumenten sollen ihre eigenen Behälter mitnehmen, um bestimmte Waren abzufüllen – dann braucht es keine Verpackungen mehr.“ Der Tenor auf Bornholm: Es kann für jedes (Müll-)Problem eine Lösung geben.