Berlin. Rund ums Mittelmeer toben Waldbrände. Ein Experte erklärt, warum sie immer häufiger auftreten und was das Löschen so schwierig macht.
- In Südeuropa häufen sich im Sommer 2023 Waldbrände – aktuell auch wieder in Griechenland
- Welche Faktoren führen zu den heftigen Feuern?
- Ein Experte ordnet die schwierige Lage im Mittelmeerraum ein
Im Mittelmeerraum wüten in diesem Sommer schwere Waldbrände. Loderndes Feuer, Wälder in Flammen, verzweifelte, erschöpfte Feuerwehrleute: Die Bilder wiederholen sich, eigentlich jedes Jahr. In Griechenland ist die Lage 2023 besonders dramatisch.
Dort sind freiwillige Feuerwehren selten. "So lange sie das nicht ändern, werden sie solche Probleme immer wieder haben", sagt Ulrich Cimolino (58). Er ist seit 40 Jahren Feuerwehrmann, seit 2019 steht er dem Arbeitskreis Waldbrand beim Deutschen Feuerwehrverband vor. Der Fachmann erläuterte unserer Redaktion, was Löscharbeiten so erschwert.
Cimolino setzt im Frühjahr an, in Griechenland 2023 der regenreichste seit Jahren. Ähnlich war es in Kroatien. Die Vegetation explodierte: Überall begann es zu sprießen und zu blühen. Allerdings geht die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Südeuropa seit Jahren zurück. Felder werden nicht bestellt, liegen brach, verfallen und verwildert.
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Waldbrände in Südeuropa: Trockenes Buschwerke, ölhaltige Bäume
In Griechenland kann dann der Juli mit extremer Hitze, mit Temperaturen wochenlang über 40 Grad – das Gras war nun nicht mehr frisch, sondern verdorrt, wie alle anderen Pflanzen auch. Trockenes Buschwerk, aus der Sicht eines Feuerwehrmannes: brennbare Vegetation. Einst bestellte Felder verwilderten und wurden zum Busch, zur leicht brennbaren "Macchia", wie es in Italien heißt.
Zum vertrockneten eng verwachsenen Buschwerk, das schnell brennt, kommt hinzu, dass ehemals gesicherte Wege schlicht zugewachsen sind – die Feuerwehr kommt schlecht durch. Staaten wie Portugal oder Spanien haben außerdem auf Eukalyptus-Plantagen gesetzt, die wachsen schnell und sind lukrativ. Aber: auch brandgefährlich. Als ölhaltige Bäume brennen sie noch schneller als Kiefer.
Hitze, Trockenheit und starke Winde begünstigen das Feuer
Es war nur eine Frage der Zeit, bis es zum ersten Waldbrand kam, extrem entfacht durch die starken Winde. Die sind typisch für die Jahreszeit. Von April bis Oktober weht meist ein Nordwest-, Nord- und Nordostwind vom griechischen Festland in Richtung Kreta, der "Meltemi", vergleichbar mit dem "Mistral" in Südfrankreich. Solche Winde können Geschwindigkeiten von 100 km/h oder mehr erreichen. "Jeder Funke führt schnell zum Entzünden, Feuer breiten sich sehr schnell aus", erzählt Cimolino.
Dann werde früh und schnell auf "luftgestützte Einsatzmittel" gegriffen. Im Klartext: Löschflugzeuge- und Hubschrauber. Das liegt nahe, gerade, wenn die Feuerwehr wie in Griechenland nicht flächendeckend präsent ist – anders als in Deutschland, wo jede Gemeinde verpflichtet ist, eine Feuerwehr aufzustellen, meistens eine freiwillige. Das ist im Süden auch üblich – Beispiel Portugal –, indes nicht überall, vor allem nicht in Griechenland. Cimolino kennt die genauen Gründe dafür nicht. Er vermutet Jobängste bei der Berufsfeuerwehr.
Wenn aber die Feuerwehr in der Fläche fehlt und gleichzeitig mehrere Feuer parallel ausbrechen – das Murphy-Prinzip –, auch auf Korfu oder im Großraum Athen, dann werden auch die Löschflugzeuge knapp. Im Fernsehen konnte man in den vergangenen Tagen Bilder von Bürgern sehen, die mit naßen Tüchern und Gartenschläuchen versuchten, das Feuer von ihren Häusern fernzuhalten. Ohne Ausbildung, ohne Geräte, ohne Feuerschutz, ohne Strukturen. Ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Selbst für Profis ist Brandbekämpfung bei großer Trockenheit und starken Winden fast unmöglich. Der Wind ist besonders tückisch, denn
- er kann schnell die Richtung wechseln
- treibt das Feuer vor sich her – besonders in Hanganlagen: "hangaufwärts läuft das Feuer immer schneller als in der Ebene"
- Funken und Flammen springen schnell über, auch über lange Schneisen hinweg.
- "Flugfeuer", wie die Experten es nennen, kann im Extremfall mehrere Kilometer Entfernung überwinden.
Feuer in Südeuropa – Bilder von den Waldbränden
Klimawandel: Die "Waldbrandjahre" häufen sich
Solche Feuer können Tage, ja Wochen andauern. Das Feuer auf Rhodos geht bald in die dritte Woche. Die Feuerwehren bekämpfen die Waldbrände bis zur Erschöpfung. Die Leute arbeiten bei Lufttemperaturen von über 40 Grad, müssen laufen, Geräte tragen, Schläuche ziehen. Cimolino: "Das ist extrem körperlich belastend."
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Auch in Deutschland gab es immer wieder "Waldbrandjahre": 1947, 75, 76, 92. Aber es gibt Cimolino zu denken, dass sie sich häufen. Auch 2018, 2019, 2020 und 2022 gehören längst dazu. Mit jedem weiteren Jahr nimmt die Bodentrockenheit zu.
Die Hinweise auf den Klimawandel sind unübersehbar. Und gerade in der Mittelmeer-Region dürfte die Waldbrandgefahr von Jahr zu Jahr zunehmen. Für Fachleute wie Cimolino ist das seit Jahren offensichtlich. Als wir ihn erstmals im Juli 2022 befragten, damals anlässlich der Waldbrände in Südfrankreich, lautete seine lakonische Antwort: "The same business as every year." Jedes Jahr das Gleiche.
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