Berlin. Die Meldung über eine entlaufene Löwin hat die Kleinstadt in die Weltnachrichten gebracht. Was Sie über Kleinmachnow wissen sollten.
Kleinmachnow: über Nacht ist eine beschauliche Kleinstadt mit der Meldung über eine ausgerissene Löwin – die offenbar doch nur ein Wildschwein war – in den Weltnachrichten. Kleinmachnow in einem Atemzug mit Washington, Moskau, Paris. Die 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner können es kaum fassen. Was ist das für ein Städtchen, über das jetzt alle sprechen?
Der Ort in Brandenburg ist eine Wohlfühloase für Tiere und Menschen. In der ausgedehnten Waldsiedlung im Südwesten der Hauptstadt, zehn Minuten vom Wannseeufer entfernt, mit riesigen Gärten, altem Baumbestand, Teichen und üppig wuchernden Hecken fühlen sich die Bewohner pudelwohl. Aber auch unzählige Wildschweine, Rehe, Dachse, Fischotter, Marder, Biber, seltene Vögel und eine wachsende Waschbärkolonie.
Kleinmachnow: Reiz der Kleinstadt vor den Toren Berlins
Die Stadt war schon in den 20ern ein gesuchter Ort für Künstler, Intellektuelle und moderne Baumeister. Kurt Weill, Christa Wolff und der Schauspieler Matthias Brandt zählen zu den vielen Persönlichkeiten, die dem Reiz der Kleinstadt mit der Metropole Berlin vor der Tür verfallen sind. Auch Hildegard Knef verbrachte ihre letzten Jahre hier, in einer kleinen Wohnung mit dem Blick auf die herrlichen alten Eichen.
Zu DDR-Zeiten grenzte Kleinmachnow an den Klassenfeind. Die Berliner Mauer trennte die Stadt von Berlin-Zehlendorf. Panzersperren auf den Straßen sollten Durchbrüche mit dem Auto verhindern. Direkt am Todesstreifen wohnten die ganz Linientreuen, SED-Kader, Stasimitarbeiter, Mitglieder der Grenztruppen.
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"Löwin" entlaufen: Auch Clanbosse und Millionäre residieren in Kleinmachnow
Nach der Wende war Kleinmachnow erneut Kampfzone – zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Wohlhabende Westdeutsche entdeckten den Ort, ehemalige Besitzer klagten Ex-DDR-Bürger aus den herrlichen Landhausvillen, in denen reiche Berlinerinnen und Berliner nach der Jahrhundertwende die Sommerfrische suchten. In der Ernst-Thälmann-Straße wohnen längst mehr Millionäre als Kommunisten.
Heute ist nur jeder fünfte Kleinmachnower auch hier geboren, die meisten sind zugereist. Immer mehr bescheidene Siedlungshäuschen werden abgerissen, durch große, teure Architektenvillen ersetzt. Auch Rapper und Clanbosse haben den Reiz der Stadt entdeckt. Während Bushido nach Dubai gezogen ist, residiert Arafat Abou-Chaker immer noch in einer riesigen Villa am Zehlendorfer Damm und sorgt für Gesprächsstoff bei den Nachbarn.
In Kleinmachnow gibt es Dry-Aged-Beef für 80 Euro das Kilo
Es gibt alle Schulen – von der Waldorfschule in einer alten Gärtnerei bis zur teuren Privatschule Berlin-Brandeburg-International, vor der sich morgens die Luxuslimousinen stauen, um die Kinder von Managern oder Diplomaten abzuliefern. Regiert wird Kleinmachnow von SPD-Bürgermeister Michael Grubert, der sich über die hohen Einkommensteuereinnahmen seiner wohlsituierten Einwohnerinnen und Einwohner freuen darf, die auch mal 80 Euro für das Kilo Dry-Aged-Beef beim Biofleischer zahlen.
Bei der jüngsten Bundestagswahl waren in Kleinmachnow übrigens die Grünen am stärksten und die FDP dreimal so stark wie die Linkspartei. Die AfD, in Brandenburg sonst stark, schaffte gerade 5,5 Prozent.
Warum ein Löwe Kleinmachnows größtes Problem hätte lösen können
Wäre jetzt tatsächlich eine Löwin nachts durch die Gärten von Kleinmachnow gestreift, wäre sie von automatischen Wassersprengern berieselt worden. Sie hätte sich in einem der zahlreichen Pools erfrischen und vielleicht über die vielen Mähroboter wundern können, die wie Heinzelmännchen den Rasen der gepflegten Gärten kurzhalten.
Dass die Löwin sich nun offenbar außgerechnet als Schwein herausgestellt hat, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn für Kleinmachnows größtes Problem hätte das Raubtier ein Segen sein können. Die Stadt ist heimliche Hauptstadt von Brandenburgs Wildschweinen. Ganze Horden fressen die Beete leer, plündern Mülltonnen und haben jegliche Scheu vor dem Menschen verloren haben. Ein Wunder, dass der Stadtjäger nicht längst kapituliert hat.
Gut, dass weder Löwen noch Schweine Miete zahlen müssen. Kleinmachnow ist extrem teuer, hat landesweit mit die üppigsten Grundstücks- und Immobilienpreise. Vielleicht steigen sie ja weiter, jetzt mit dem Weltruf.