Essen. . Wird die Energiewende für Hausbesitzer noch teurer? NRW-Handwerkspräsident Ehlert ist besorgt. Das steckt hinter der geplanten Solarpflicht.

Möglichst viele Solaranlagen auf Deutschlands Dächern – so möchte die Bundesregierung die Klimaschutzziele erreichen. Doch während der Bund noch an einer Verordnung arbeitet, sind einige Bundesländer wie NRW weiter: Um die Energiewende im Land zu beschleunigen, will NRW ab 2024 Solaranlagen auf Gebäuden schrittweise zur Pflicht machen und eine Solarpflicht einführen. Je nach Größe kann eine PV-Anlage für ein Wohnhaus bis zu 20.000 Euro kosten. Vor dem Hintergrund der aktuellen Heizungsdebatte befürchten Hausbesitzer nun neue Kosten. Handwerker warnen vor unsinnigen Vorgaben der Politik.

„Der Ausbau der Solarenergie ist unverzichtbar zum Erreichen der Klimaziele. Bei der Errichtung von Neubauten macht es Sinn, auf diese Technologie zu setzen. Man muss sich allerdings klar, sein, dass dies das Bauen verteuert, auch für Gewerbetreibende“, sagte Andreas Ehlert, Präsident des Spitzenverbands Handwerk.NRW. Derzeit herrsche bei der Energiewende viel zu viel Hektik und Widersprüchlichkeit. „Das schafft Verunsicherung bei Hauseigentümern und Energiekunden. Wir brauchen da mehr Konstanz und Konsistenz“, forderte Ehlert.

Auch die Opposition im Landtag nahm die NRW-Regierung in die Pflicht: „Jetzt ist die Landesregierung gefragt, die Umsetzung überall im Land auch praktisch und gerecht zu ermöglichen“, sagte Alexander Vogt, stellvertretender Fraktionschef der SPD im Landtag. Er forderte vor allem eine gerechtere Verteilung der Fördermittel. „Die Bedingungen in den Kommunen klaffen bislang weit auseinander. Reiche Städte und Gemeinden können neue Solaranlagen fördern, die ärmeren nicht", kritisiert Vogt im Gespräch mit dieser Redaktion. „Niemand darf übermäßig belastet werden. Die Solarförderungen muss so angepasst werden, dass Menschen mit geringeren Einkommen besonders berücksichtigt sind. Denn wichtig ist, dass alle an der Energiewende teilhaben und davon profitieren können.“ Konkret forderte Vogt, so genannte Balkonkraftwerke für Mieterinnen und Mieter zu bezuschussen.

Worum es bei der Solarpflicht geht und was bislang bekannt ist:

Was hat die NRW-Landesregierung beschlossen?

Das Kabinett hat sich auf einen Entwurf der neuen Landesbauordnung verständigt. Sie soll die Energiewende vorantreiben. In NRW sind aktuell auf weniger als zehn Prozent der Dächer Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen installiert, so der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE). Neben Solarzellen auf dem Dach geht es auch um Windenergie, Wärmepumpen oder Wasserstoff. Der Entwurf muss nun ins Parlament eingebracht werden. In Kraft treten soll das Gesetz am 1. Januar 2024.

Worum geht es bei der Solarpflicht?

„Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden“, heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. In NRW setzen CDU und Grüne nun um, was sie in ihren Koalitionsvereinbarungen beschlossen hatten. Bereits seit 2022 gibt es die Vorgabe, neue Parkplätze auf gewerblichen Flächen (Einzelhandel, Discounter) mit mehr als 35 Stellplätzen mit Solaranlagen zu überdachen. Nun kommt die Plicht für Solaranlagen.

Was genau schreibt nun die Solarpflicht vor?

Die Pflicht soll schrittweise eingeführt werden. Ab 1.1.2024 soll sie für neue Nichtwohngebäude gelten. Gemeint sind Verwaltungs-, Gewerbe- oder Industriegebäude, aber auch Immobilien der öffentlichen Hand. Diese Stufe sollte eigentlich schon Anfang 2023 eingeführt werden. Für neugebaute Wohngebäude soll die Vorschrift ab 1.1.2025 gelten. Entscheidend ist dabei der Tag, an dem der Bauantrag eingeht. Ein Jahr später, ab dem 1.1.2026, sollen auch Bestandsgebäude von der Pflicht betroffen sein: Bei einer kompletten Erneuerung älterer Dächer muss eine Solaranlage installiert werden.

Gibt es Ausnahmen?

Die Details der Solarpflicht sollen in einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung stehen. Vorbild dürften die Bestimmungen in anderen Bundesländern wie Vorreiter Baden-Württemberg sein. Darin sind mehrere Ausnahmen von der Solarpflicht beschrieben. Ist etwa ein Dach durch Aufbauten nicht für eine Photovoltaik-Anlage geeignet oder das Stromnetz für die Einspeisung nicht ausreichend ausgebaut, entfällt die Vorschrift. Von der Regelung befreit sind auch Anlagen, die sich aufgrund der ungünstigen Lage innerhalb von 20 Jahren nicht amortisieren.

Was sagt das Handwerk?

Andreas Ehlert, Präsident des Spitzenverbands Handwerk.NRW.
Andreas Ehlert, Präsident des Spitzenverbands Handwerk.NRW. © dpa

Viele Fragen müssten noch in der Verordnung konkretisiert werden – etwa, wann bei Dachsanierungen eine Solarpflicht entsteht. „Vernünftig ist, dass die Pflicht bei Bestandsgebäuden nur bei vollständiger Erneuerung der Dachhaut eines Gebäudes erfolgen soll“,sagte Handwerks-Präsident Ehlert. Hintergrund ist die Befürchtung von Fachbetrieben, dass PV-Anlagen auf schlecht gedämmten Dächern installiert und in einigen Jahren wieder demontiert werden müssten.

Auch müssten Landesbauordnung und Rechtsverordnung offen bleiben für technische Alternativen, die durch absehbare Innovationen möglich werden, so Ehlert. „Ein solches Thema kann vor allem bei Gewerbebauten die Geothermie werden. Außerdem kommen gerade Lösungen auf den Markt, mit Hilfe von besseren Speichertechnologien Strom für Gebäude dann zu beziehen, wenn er gerade im Überfluss verfügbar ist.“

Wie teuer ist eine Solaranlage auf dem Dach?

„Der Preis hängt von der Größe der Anlage und den verwendeten Komponenten ab“, sagt Jörg Sutter, Energieberater der Verbraucherzentrale NRW. Für Anlagen mit einer Leistung bis zehn Kilowatt peak, typisch für Ein- oder Zweifamilienhäuser, gilt ein durchschnittlicher Preis von 1500 bis 2000 Euro pro Kilowatt peak an, Installation eingerechnet. Höherwertige Solarmodule, Wechselrichter oder Batteriespeicher können den Preis nach oben treiben. Grob gerechnet sollten Verbraucher mit Anschaffungskosten von 8000 bis 20.000 Euro rechnen, so die Verbraucherzentrale NRW. Soll ein Batteriespeicher Teil der Anlage sein, kommen pro Kilowattstunde Speicherkapazität 800 bis 1100 Euro hinzu, hat Stiftung Warentest ermittelt.

Welche Förderungen gibt es für Solaranlagen?

Photovoltaik-Anlagen werden durch unterschiedliche Zuschüsse, zinsgünstige Kredite oder regionale Programme gefördert. Deutschland gleicht dabei einem Flickenteppich. Bundesweit ist das Programm 270 (Erneuerbare Energien Standard) der Förderbank KfW für die Finanzierung von PV-Anlagen gedacht. Eine Art Förderung im laufenden Betrieb ist die Einspeisevergütung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das Betreibern 20 Jahre lang feste Vergütungssätze garantiert. Der Besitzer einer Anlage mit einer Leistung von bis zu zehn Kilowatt peak erhält zum Beispiel für jede eingespeiste Kilowattstunde 8,2 Cent. Daneben gibt es regionale Förderprogramme in Bundesländern und Kommunen. Die schlechte Nachricht für private Haushalte: Aktuell sind in NRW die meisten kommunalen Fördertöpfe leer.

Wie lange dauert es, bis sich eine PV-Anlage auf dem Dach amortisiert hat?

In der Solarbranche geht man davon aus, dass sich übliche PV-Anlagen auf Einfamilienhäusern (acht bis 15 Kilowatt peak) nach etwa neun bis elf Jahren amortisiert haben, also Gewinne erwirtschaften. Kommt ein Batteriespeicher hinzu, steige der Zeitraum auf bis zu 15 Jahre. Die Ungewissheit, wie sich der Strompreis weiter entwickelt, erschwert jedoch Renditerechnungen. Derzeit ist der Strompreis noch auf 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Mit jeder Kilowattstunde selbst erzeugtem Strom sparen Betreiber von Solaranlagen Kosten – insbesondere dann, wenn sie die Energie selbst verbrauchen.

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