Wittgenstein. Automatisch ausgelöste Notrufe von Autos verursachen immer mal wieder Fehlalarme. Für Wittgensteins Feuerwehrchefs sind sie trotzdem sinnvoll.

Viele moderne Fahrzeuge sind mit einem sogenannten E-Call-System ausgestattet. Einem automatischen Notrufsystem, das bei einem Unfall die Rettungskräfte alarmiert. Seit 2018 ist das System, laut einer EU-Verordnung, in allen neuen Fahrzeugmodellen Pflicht. Doch bei der Technik kommt es immer mal wieder zu Fehlauslösungen. Auch in Wittgenstein hat es bereits Fälle gegeben.

„Die Systeme an sich sind wichtig und richtig, selbst wenn sie nur einmal Menschenleben retten.“

Thomas Tremmel
Hauptamtlicher Kreisbrandmeister

„Im Jahr 2024 hatten wir insgesamt 29 E-Call-Auslösungen, bei denen wir keinen Sprechkontakt zum Fahrer aufbauen konnten“, teilt Torsten Manges, Pressesprecher des Kreises Siegen-Wittgenstein, mit. Davon gab es acht Unfälle mit Verletzten und vier Unfälle ohne Verletzte. Die Mehrzahl der E-Calls ohne Kontakt zum Fahrer – und zwar 17 Fälle – seien eine „unsachgemäße Auslösung“, heißt es weiter. Die Statistik sei aber nicht repräsentativ, da allein zehn der Fehlauslösungen in der vergangenen Woche eingegangen seien. „Da löste ein Fahrzeug vermutlich durch einen technischen Defekt oder durch mutwillige Auslösung immer wieder einen E-Call aus“, erklärt Kreisbrandmeister Thomas Tremmel. Bei den ersten drei Einsätzen sei die Feuerwehr noch ausgerückt. „Dann haben wir gemerkt, dass man die Fahrstrecke nachvollziehen kann.“ Das Fahrzeug war vermutlich von Bad Berleburg – wo einer der ersten E-Calls ausgelöst wurde – auf dem Weg nach Siegen. „Bei den anderen Alarmierungen haben wir keine Einsatzkräfte mehr geschickt.“ Damit bleiben für den gesamten Kreis also nur sieben Fälle einer Fehlalarmierung.

Bei Unfällen abseits der Straße kann der E-Call Leben retten

Die E-Call-Auslösungen sind noch Neuland, da es die Systeme noch nicht so lange gibt. Deswegen gebe es Verbesserungsbedarf. „Die Systeme an sich sind wichtig und richtig, selbst wenn sie nur einmal Menschenleben retten“, sagt Tremmel. Der Kreisbrandmeister beschreibt eine Situation: „Wir haben eine Böschung oder ein dichtbewachsenen Wiesengrundstück. Ein Auto bricht da durch, verschwindet dahinter und niemand bekommt es mit. Es gab schon mehrere Unfälle, wo man erst Stunden oder auch Tage später den Unfall gesehen hat und möglicherweise nur noch Tote bergen konnte. Genau davor schützt das System.“

„Wenn so eine Einrichtung da ist und es kann Menschen aus einer ganz kritischen Situation geholfen werden, dann fahre ich lieber fünfmal irgendwo hin für nichts, aber kann einmal Menschen retten.“

Karl-Friedrich Müller
Leiter der Feuerwehr Erndtebrück

Diese Situation hat auch Karl-Friedrich Müller, Leiter der Feuerwehr Erndtebrück, schon erlebt. „Das war ein schwerer Verkehrsunfall. Es war schlechtes Wetter, Schneeregen und schlechte Sicht. Ein Fahrzeug ist in einer Kurve geradeaus und in Bäume hineingefahren. Eine Person war schwer verletzt. Das Fahrzeug hat automatisch den Notruf ausgelöst. Wir sind nach Angaben der Koordinaten hingefahren und haben die beiden betroffenen Personen retten können. Die hätten wir sonst nie gefunden und sie hätten nicht überlebt. Das ist das Positive“, sagt Müller. Für ihn überwiegen die Vorteile der Technik: „Wenn so eine Einrichtung da ist und es kann Menschen aus einer ganz kritischen Situation geholfen werden, dann fahre ich lieber fünfmal irgendwo hin für nichts, aber kann einmal Menschen retten“, sagt Müller weiter.

Die Rettungskette wird automatisch in Gang gesetzt, wenn kein Kontakt zum Fahrer hergestellt werden kann

Wie der Fall aus der vergangenen Woche zeigt, sind Fehlalarmierungen auch in Bad Berleburg bekannt. „Hier und da kommt das vor. Übermäßige Alarmierungen finden dadurch aber nicht statt“, sagt Matthias Limper, Leiter der Feuerwehr in Bad Berleburg. „Der Sinn des Ganzen ist gut. Wir haben auch schon Einsätze gehabt, wo das Ding genau gemacht hat, was es sollte. Personen hatten einen Unfall, waren zwar nicht eingeklemmt oder bewusstlos, aber unter Schock und standen um ihr Auto herum. Die Anlage hat automatisch ausgelöst, bevor derjenige vielleicht sein Handy gefunden hat oder mit zitternden Händen in der Lage war, einen Anruf zu tätigen.“

„Wir haben auch schon Einsätze gehabt, wo das Ding genau gemacht hat, was es sollte. Die Anlage hat automatisch ausgelöst, bevor derjenige vielleicht sein Handy gefunden hat oder mit zitternden Händen in der Lage war, einen Anruf zu tätigen.“

Matthias Limper
Leiter der Feuerwehr Bad Berleburg

Das Problem bei den fehlerhaft ausgelösten Notrufen ist, dass oft kein Kontakt zu den Fahrern hergestellt werden kann. Kann die Leitstelle oder die Servicegesellschaft des Fahrzeugherstellers keinen Kontakt zum Fahrer aufbauen, wird automatisch die Rettungskette ausgelöst – mit Polizei, Rettungswagen und Feuerwehr. „Dann geht man von einem Unfall aus. Mit einer eingeklemmten, bewusstlosen Person, wo Rettungskräfte benötigt werden“, erklärt Matthias Limper.

Bei Fehlalarm zurückmelden, damit keine Rettungskräfte ausrücken

Deswegen sei es wichtig, wenn der elektronische Notruf ausgelöst wird – egal ob man zu schwungvoll gegen einen Bordstein gefahren, aus Versehen auf den Knopf gekommen oder ein technischer Defekt die Ursache ist – den Kontaktversuch zu beantworten und nicht einfach das Fahrzeug zu verlassen. „Wenn man aus Versehen darauf kommt, nicht aus Scham das Auto verschließen und weggehen. Sondern sagen, es war eine Fehlauslösung. Das ist wichtig, dann rücken keine Rettungskräfte aus“, sagt Kreisbrandmeister Thomas Tremmel.

„Es gibt keine fehlerfreien Systeme, egal ob Brandmeldeanlage, Rauchmelder oder E-Call.“

Dirk Höbener
Leiter der Feuerwehr Bad Laasphe

Bad Laasphes Feuerwehrchef Dirk Höbener zieht den Vergleich der E-Call-Systeme zu heimischen Rauchmeldern: „Die lösen auch schon mal fehlerhaft aus. Es gibt keine fehlerfreien Systeme, egal ob Brandmeldeanlage, Rauchmelder oder E-Call.“ Und bei Brandmeldeanlagen treten die Fehlalarme deutlich häufiger auf. „Das sind trotzdem gute Systeme. Da ist das Positive zu sehen. Dafür kann man auch mal einen Fehlalarm hinnehmen“, so Höbener. Denn im Ernstfall kann der automatische E-Call Leben retten.

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