Arfeld. Schon ein Atemzug Brandrauch kann das Bewusstsein rauben – wie die Feuerwehr auf diesen Ernstfall trainiert, zeigt ein Szenario in Arfeld.
Pascal Meineke von der Löschgruppe Schüllar-Wemlighausen, Lukas Becker von der Löschgruppe Arfeld, Steffi Paulmann vom Löschzug Bad Berleburg und Daniel Althaus, ebenfalls vom Löschzug Bad Berleburg befinden sich im Atemschutzeinsatz. Standardmäßig gehen die Kameraden dabei immer in Zweierteams vor, um Menschen zur retten, oder einen Brand zu bekämpfen. Auch bei Chemieunfällen sind – je nach Chemikalie und Unfallart – Atemschutzgeräteträger erforderlich.
Der Workshop
Beim ersten Atemschutzworkshop der Feuerwehr Bad Berleburg trafen sich im August 24 Atemschutzgeräteträger aus den Bad Berleburger Löschzügen und -gruppen, um in Themengebieten rund um den Atemschutz geschult zu werden. Der Workshop soll nicht nur Fähigkeiten und Fertigkeiten vertiefen und auffrischen, es sollen auch Multiplikatoren geschaffen werden, um in den anspruchsvollen Aufgabenfeldern eines Atemschutzgeräteträgers effizient und vor allem sicher arbeiten zu können. Wir durften die Kameraden begleiten und konnten ihre Eindrücke aufnehmen, mit den Einsatzkräften sprechen, Fragen stellen und bei der anspruchsvollen Fortbildung und den heiklen Aufgabenstellungen ganz nah dabei sein.
Die etwa 15 Kilogramm schweren Flaschen sind wichtig, um den Einsatzkräften im dichten Brandrauch das gesunde Überleben zu sichern. Würden sie von dem Brandrauch einatmen, würde es innerhalb kürzester Zeit zu lebensbedrohlichen Situationen kommen. „Früher habe ich immer geschult, dass zwei bis drei Atemzüge Brandrauch ausreichen, um das Bewusstsein zu verlieren“, erklärt Henning Osenberg, Atemschutzausbilder und aktiver Feuerwehrmann in Neunkirchen.
„Nach einem Erlebnis in einem Einsatz weiß ich nun, dass dazu schon der erste Atemzug ausreicht“, macht der erfahrene Feuerwehrmann deutlich und sensibilisiert seine Kameraden. Damals war Henning Osenberg Einsatzleiter, als es bei einem Brandeinsatz zu einem bedrohlichen Zwischenfall kam, bei dem eine Feuerwehrfrau Brandrauch eingeatmet hatte. „Glaubt mir, wenn Ihr da vor Ort seid und das miterleben müsst und nichts anderes tun könnt, als die Kameradin den Einsatzkräften des Rettungsdienstes anzuvertrauen, und Ihr ansonsten vollkommen hilflos seid, dann ist das mit das schlimmste Gefühl, was man sich vorstellen kann“, macht er deutlich.
Da ist es still in der Fahrzeughalle der Arfelder Löschgruppe. Dort sitzen Pascal, Lukas, Steffi, Daniel und all die anderen Feuerwehrleute, die in ihrer Freizeit Atemschutzgeräte aufziehen und für Menschen in Not ins Feuer gehen. Sie möchte Henning Osenberg sensibilisieren. Ihnen mit auf den Weg geben, wie wichtig es ist, in bestimmten Situationen Ruhe zu bewahren und seine Geräte zu kennen. „Es wird gleich ein mulmiges Gefühl sein. Es werden sich auch Kameraden die Masken vom Gesicht reißen“, kündigt Henning an. Doch genau das dürfen sie im Einsatz nicht tun. Darauf möchte der Neunkirchener seine Kameraden vorbereiten.
Zunächst müssen alle ihre Atemschutzgeräte wie im Einsatz anlegen und anschließen, um nur noch Luft über die Flasche zu bekommen. „Wir fangen einfach damit an, dass Ihr auf ein Kommando Eure Flaschen abklemmt und wieder anschließt“, wendet sich Henning an seine Kameraden. Damit schafft er für die Feuerwehrleute Vertrautheit mit dem entsprechenden Steckverschluss, der dazu bedient werden muss. Wo es hakt, schaut der erfahrene Feuerwehrmann mit seinen Ausbilderkollegen vorbei und gibt Hilfe, bis es funktioniert. Langsam steigert er sein Programm.
„Es wird gleich ein mulmiges Gefühl sein. Es werden sich auch Kameraden die Masken vom Gesicht reißen.“
Nun müssen die Kameraden sich ihre Flammschutzhauben über die Atemschutzmaske ziehen, um auch bei mangelnder Sicht die Flasche ab- und wieder anklemmen zu können. Die Taktfrequenz zum Wechsel wird gesteigert. Henning versteht es, trotz des Stresses, den er bewusst immer mehr aufbaut, seine Kameraden immer wieder „herunterzuholen“: „Atmet ganz in Ruhe, ihr habt genügend Luft, die Euch ausreicht, um den Wechsel durchzuführen. Es ist ja immer noch Luft im Schlauchsystem. Geratet nicht in Hektik, nehmt Euch Zeit“, wendet er sich an sie.
Man merkt als außenstehender Zuschauer, wie die einst schnelle Atem- und Pulsfrequenz der Feuerwehrleute tatsächlich wieder ruhiger wird. Sodann steigert Henning allerdings auch die Anforderungen weiter: „Jetzt möchte ich, dass Ihr die Flaschen abklemmt, zu Eurem Nebenmann schiebt und dann die neue Flasche wieder anklemmt. Immer auf mein Kommando. Eins-Zwei-Wechsel“. Einige Kameraden geraten ins Schwitzen.
„Wenn Du die Luft aus dem Schlauchsystem geatmet hast und dann noch mal einatmen willst, und noch nicht wieder angeschlossen hast, dann zieht sich die Maske ans Gesicht und es kommt dann einfach keine Luft mehr“, schildert Steffi Paulmann. „Wir haben dieses An- und Abklemmen auch schon oft geübt, aber wir hatten dann nie Druck auf dem Schlauchsystem. Dann ist es schon etwas anderes“, berichtet sie. Sie und ihr Kollege Daniel haben es etwas einfacher, als manch andere Kameraden: „Wir haben mehr Einsätze aufgrund der Größe im Einsatzgebiet und machen das viel öfter, als Kameraden, die vielleicht nur zwei oder drei Mal im Jahr einen Einsatz mit Atemschutz fahren“.
Henning steigert das Programm erneut, denn jetzt dreht er auch bei einzelnen Kameraden die Atemschutzflaschen zu, sodass auch nach einem Systemwechsel keine Atemluft mehr ankommt. „Dann muss man sich auf das Wesentliche besinnen und die Hand muss als Erstes zum Flaschenventil gehen“, erklärt Marek Kautz. Er ist Atemschutzgeräteträger in Bad Berleburg. Oftmals komme es vor, dass das Flaschenventil sich zudrehe, wenn man durch enge Gänge kriecht und das Drehrad an Wänden oder Pfosten anschlägt. „Das muss man einfach immer im Kopf haben und in den allermeisten Fällen ist das die Ursache, wenn man plötzlich keine Luft mehr bekommt“, erklärt er.
„Man muss sich merken, wie viel Luft man bis zum Brandherd verbraucht hat und sich dann die doppelte Menge für den Rückweg vorhalten.“
Sollte ein Defekt am Schlauchsystem vorliegen, haben die Kameraden die Chance, ein zweites Schlauchsystem, das sich mit an der Flasche befindet, zu konnektieren, oder bei ihrem Kameraden mit angeschlossen zu werden und dann den Rückweg anzutreten. Das zweite Schlauchsystem dient auch dazu, eine Fluchthaube für Menschen im Gebäude mit Atemluft aus der 300 bar gepressten 6-Liter-Flasche einzuspeisen. Dafür stehen also 1800 Liter Atemluft zur Verfügung.
„Bevor wir in den Einsatz gehen, prüfen wir unsere Flaschen“, erklärt Daniel Althaus vom Löschzug Bad Berleburg. „Sind da weniger als 270 bar drin, gehen wir nicht mehr rein“, macht er deutlich. „Hat die Flasche während eines Einsatzes noch einen Restdruck von 55bar, macht sich das durch ein akustisches Signal bemerkbar“, erklärt Daniel Althaus. Dann ist es Zeit, die Flasche zu wechseln, und den Geräteträger aus dem Einsatz auszulösen. Zu dieser Zeit sind die Kameraden aber in den allermeisten Fällen bereits wieder in sicherer Umgebung und nicht mehr dem unmittelbaren Brandrauch ausgesetzt. „Man muss sich merken, wie viel Luft man bis zum Brandherd verbraucht hat und sich dann die doppelte Menge für den Rückweg vorhalten“, erklärt Daniel. „Durch eine fluoreszierende Schreibweise kann man das auch im Brandrauch noch gut auf der Anzeige erkennen und dann früh genug zurückgehen“, erklärt er.
Doch auch außerhalb des Brandrauches drohen den Kameraden noch Gefahren, da ihre Einsatzkleidung komplett kontaminiert ist und giftigen Dämpfen lange und intensiv ausgesetzt war.
An der Station von Christian Müsse von der Löschgruppe Rinthe und Matthias Schmidt von der Löschgruppe Wunderthausen werden die Kameraden nochmal genau darauf geschult und sensibilisiert. Die beiden Atemschutzausbilder legen ihnen nicht nur noch einmal die genaue Vorgehensweise beim Ausziehen der schweren Ausrüstung dar, sondern zeigen ihnen auch verschiedene Funktionen ihrer sogenannten „Hupf“-Kleidung, die durch bestimmte Notfallsysteme zum Beispiel mit nur einem schnellen Handgriff sofort geöffnet und ausgezogen werden kann. Auch ein Blick ins Innenleben der schwer entflammbaren Brandschutzkleidung gibt es bei den beiden Atemschutzausbildern: Christian Müsse öffnet die Jacke am unteren Rand und erläutert eine darin befindliche Membran. Er macht in diesem Zuge deutlich: „Haut Eurem Kameraden niemals auf den Rücken, wenn Ihr im Einsatz seid. Diese Hand wird auf seinem Rücken bleiben... Fasst ihn am Fuß, oder an der Ferse, das ist ungefährlich“.
Im Anschluss an die Erklärungen zur Kleidung und die Einsatzkurzprüfung des Materials geht es vor allem darum, die nach dem Einsatz kontaminierte Ausrüstung so auszuziehen, dass die Kontamination mit Brandrauch sich nicht weiter verbreitet und nicht mit den Feuerwehrleuten in Berührung kommt. In einer Schritt-für-Schritt-Anleitung legen die Kameraden zunächst ihre Helme ab, legen ihre Atemluftflaschen vor sich, und entfernen ihre Kleidung so, dass sie damit nicht in Berührung kommen. Zum Schluss werden dann Flammschutzhauben über die Masken abgezogen und schließlich die Masken abgelegt. Um den Einsatzkräften nun auch saubere Kleidung bieten zu können, werden in den meisten Einheiten ein weiterer Satz Einsatzkleidung vorgehalten, oder es gibt Trainingsanzüge, die die Kameraden dann anziehen können. Die kontaminierte Einsatzkleidung wird in speziellen Säcken luftdicht verpackt und im Anschluss gereinigt, damit sie für den nächsten Einsatz wieder zur Verfügung steht und die Kameraden nicht gefährdet.