Wittgenstein. Parteien in Wittgenstein finden kaum Menschen, die in ihren Dörfern kandidieren. Wir haben nach den Gründen gefragt und eine Ausnahme gefunden.

Anfang des Jahres dreht sich das Personalkarussell für die Kommunalwahl im September in Wittgenstein. Wir haben bei den Parteien in Wittgenstein nachgefragt, wie die Suche nach Kandidaten für Ratsmandate und Ortsvorsteherposten läuft und klare Antworten bekommen.

Martin Schneider ist CDU-Fraktionsvorsitzender im Bad Berleburger Stadtrat und Ortsvorsteher in Wunderthausen und weiß, dass es bei jeder Wahl schwieriger wird. Schneider greift ein für ihn herausragendes Negativbeispiel in der politischen Diskussion um Windkraftvorrangzonen heraus: „Selbst langjährige politische Akteure verlieren inzwischen deutlich an Motivation, wenn die vor Ort – im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung – getroffenen Entscheidungen zum Wohl der Bevölkerung durch Gerichte aufgehoben, revidiert oder eingeschränkt werden. Dass eine formaljuristische Prüfung und das daraus resultierende Urteil von Richtern fernab der Kommune über das Geschehen unserer Stadt entscheidet, fördert nicht die Bereitschaft zur kommunalpolitischen Arbeit.“ 

Die Bürger haben die Wahl. Aber die Frage ist: Wer stellt sich zur Kommunalwahl. Die meisten Parteien haben Probleme, Kandidaten zu finden.
Die Bürger haben die Wahl. Aber die Frage ist: Wer stellt sich zur Kommunalwahl. Die meisten Parteien haben Probleme, Kandidaten zu finden. © Christian Schwier - stock.adobe.com | stock adobe
Martin Schneider

„Es gehört schon sehr viel Patriotismus dazu, sich vom politischen Gegner öffentlich und über die sozialen Medien beleidigen und diffamieren zu lassen.“

Martin Schneider
CDU-Fraktionsvorsitzender Bad Berleburg

Aber das sei nicht allein der Grund, warum viele ein kommunalpolitisches Engagement ablehnen: „Der Umgang der politischen Akteure miteinander ist inzwischen auch auf kommunaler Ebene in ein Niveau abgeglitten, dass viele politisch Interessierte deutlich abschreckt. Es gehört schon sehr viel Patriotismus dazu, sich vom politischen Gegner öffentlich und über die sozialen Medien beleidigen und diffamieren zu lassen. Nicht selten erreicht uns die Reaktion, dass man sich so etwas nicht antun wolle. Wenn daher nicht alle diesen negativen Seiteneffekt bei der politischen Arbeit mit bedenken, werden wir in Zukunft noch größere Probleme bei der Kandidatensuche haben.“

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Markus Schmidt

„Unser Ortsverband verzeichnet seit seiner Gründung vor fünf Jahren einen stetigen Zulauf von Mitgliedern und registriert allgemein ein gestiegenes Interesse zur Mitarbeit.“

Markus Schmidt
Fraktionsvorsitzender von Die Partei in Bad Laasphe

Dass vor allem etablierte Parteien mit Personalproblemen zu kämpfen haben, zeigt sich am Bad Laaspher Beispiel von „Die Partei“. Die 2004 von Redakteuren des Satiremagazins Titanic gegründete Partei ist seit 2014 im Europaparlament vertreten und seit der Kommunalwahl 2020 auch im Bad Laaspher Stadtrat. „Unser Ortsverband verzeichnet seit seiner Gründung vor fünf Jahren einen stetigen Zulauf von Mitgliedern und registriert allgemein ein gestiegenes Interesse zur Mitarbeit - insbesondere auch von Bürgern, die bisher parteipolitisch nicht aktiv waren. Daher werden wir für viele Wahlkreise voraussichtlich sogar Ersatzkandidaten nominieren können“, berichtet der Fraktionsvorsitzende Markus Schmidt. Und in parteitypischer, humoriger Art schätzt Schmidt auch die Veränderungen ein: „Die auffälligste Veränderung bei den Wahlkreiskandidaten, die erneut für uns antreten werden, ist ihr Alter. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sie seit der letzten Wahl deutlich gealtert sind. Was unser Personaltableau insgesamt anbelangt, wird es wahrscheinlich neben neuen Gesichtern auch Umbesetzungen in Wahlkreisen geben - zumal diese im Zuge der Ratsverkleinerung andere Zuschnitte haben. Die Kandidatenkür für die Wahlkreise planen wir für Anfang März 2025.“

Jörn Schuppener

„Mit dem politischen Engagement ist es nicht anders wie mit dem Engagement für unsere Heimat und Vereine. Kandidaten und Bewerber stehen leider nicht Schlange. “

Jörn Schuppener
CDU-Gemeindeverbandsvorsitzender Erndtebrück

Der Gemeindeverbandsvorsitzende der Erndtebrücker CDU berichtet davon, wie schwer es ist, Menschen für politische Ämter zu begeistern. Jörn Schuppener sieht die Parteien dabei aber im Boot mit vielen anderen Ehrenämtern: „Es gibt wohl keine Vereine, Organisationen oder eben Parteien, wo sich die Leute um die aktive Mitarbeit bewerben. Mit dem politischen Engagement ist es nicht anders wie mit dem Engagement für unsere Heimat und Vereine. Kandidaten und Bewerber stehen leider nicht Schlange. Jedoch können wir als CDU durchaus optimistisch sein. Gerne dürfen sich weitere Interessenten melden, vor allem weibliche Mitstreiterinnen würden wir sehr gerne begrüßen.“

„Wir führen gezielte Gespräche und setzen verstärkt auf die Förderung neuer Talente. “

Linda Laubisch
CDU-Stadtverbandsvorsitzende Bad Laasphe

Ins gleiche Horn stößt auch die neue Bad Laaspher Stadtverbandsvorsitzende Linda Laubisch: „Die Suche nach geeignetem Personal für die Wahlkreise gestaltet sich als durchaus herausfordernd. Vor allem legen wir großen Wert darauf, engagierte und heimatverbundene Persönlichkeiten zu finden, die sich langfristig für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einsetzen möchten. Wir führen gezielte Gespräche und setzen verstärkt auf die Förderung neuer Talente. Falls Bürgerinnen und Bürger Interesse haben, sich aktiv für die Belange unserer Region einzusetzen, laden wir sie herzlich ein, mit uns in Kontakt zu treten und sich über Möglichkeiten zum Mitwirken zu informieren.“

Rouven Soyka.

„Leider lässt sich doch festhalten, dass auch hier im Altkreis eine gewisse Politikverdrossenheit Einzug gehalten hat.“

Rouven Soyka
SPD-Ortsvereinsvorsitzender Bad Berleburg

Auch der Bad Berleburger SPD-Ortsverein ist optimistisch. Dessen Vorsitzender Rouven Soyka tritt selbst nach einer Pause erneut für den Rat an. „Aktuell befinden wir uns als SPD Bad Berleburg in der konkreten Besetzungsphase der einzelnen Wahlkreise und sind auf gutem Wege, wie auch bei den bisherigen Wahlen, für jeden einzelnen einen Kandidaten ins Rennen schicken zu können. Natürlich fordern die Gespräche mit potenziellen Kandidaten und die Koordinierung einiges an Arbeit, aber wie sagt man so schön? Ohne Fleiß keinen Preis. Leider lässt sich doch festhalten, dass auch hier im Altkreis eine gewisse Politikverdrossenheit Einzug gehalten hat und auch die Bereitschaft für ehrenamtliches Engagement in der eigenen Freizeit egal ob in Politik, im Vereinswesen oder auch kulturellen Bereich stark abgenommen hat. Dies macht die Aufgabe nicht einfacher.“