Bad Berleburg. Gute Nachricht vorweg: Robert Muradyan ist aus der Abschiebehaft freigekommen. Aber es bleiben große Sorgen. Die Tochter schreibt Bittbriefe.
Die gute Nachricht verbreitete sich am Montagabend via Facebook und WhatsApp. Der Bad Berleburger Robert Muradyan wurde aus dem Abschiebegefängnis in Büren entlassen. Auch seine Abschiebung ist ausgesetzt. Hintergrund ist offenbar seine Infektion mit dem Corona-Virus. Deshalb wird auch die für Dienstag, 5. April, angesetzte Anhörung vor dem Petitionsausschuss des NRW-Landtages verschoben. Am Montagabend war Robert Muradyans Arbeitgeber, der Bad Berleburger Hotelier Andreas Benkendorf, auf dem Weg, Muradyan abzuholen und zu seiner Familie nach Bad Berleburg zurückzubringen. Allerdings bleiben neben der Freude auch Sorgen und Zweifel. Die teilt auch das Bündnis „Recht zu Bleiben“, das sich für die Familie aus Armenien einsetzt. Nach wie vor gibt es einen Abschiebetermin für Muradyans Lebensgefährtin und die beiden gemeinsamen Töchter.
Mit diesem ungewissen Schicksal setzt sich die 14-jährige Viktorya Boghean auseinander. Die 14-Jährige sollte am kommenden Donnerstag mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester nach Armenien abgeschoben werden. Ein Land, das sie nicht kennt. In einem vierten Brief spricht sich die Realschule Bad Berleburg für ein Bleiberecht aus und macht deutlich, um was es hier geht.
Vier Briefe
Es sind vier Briefe, wie sich nicht unterschiedlicher sein könnten. In dem einen von der Ausländerbehörde des Kreises Siegen geht es erwartungsgemäß amtlich zu. Zwei andere sind sehr persönlich und rühren den Leser. Sie stammen von Viktorya Boghean und von ihrer Schulklasse. Die 14-Jährige soll am kommenden Donnerstag mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester nach Armenien abgeschoben werden. Ein Land, das sie nicht kennt. Und in einem vierten Brief spricht sich die Realschule Bad Berleburg für ein Bleiberecht aus und macht deutlich, um was es hier geht.
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Das schreibt der Kreis
„Es ist amtlich“, sagt Andreas Benkendorf. Der Hotelier aus Bad Berleburg kämpf mit vielen Unterstützern seit Tagen gegen die Abschiebung seines Mitarbeiters Robert Muradyan (43) und dessen Familie. Benkendorf präsentiert ein amtliches Schreiben an Robert Muradyans Frau: Die Ausländerbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein hat Marine Boghean und ihren beiden Töchtern Arpi (5) und Viktorya den Termin ihrer Abschiebung mitgeteilt. Am Donnerstag, 7. April sollen sie Bad Berleburg verlassen. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Robert Murdyan und den gemeinsam Kindern soll vom Flughafen Hannover aus nach Armenien geflogen werden. In dem am 1. April in Siegen verfassten Schreiben wird sie aufgefordert, sich nachts um 2 Uhr mit Gepäck vor ihrer Unterkunft in der Schlossstraße einzufinden. Sie werde dann von Mitarbeiter der Ausländerbehörde abgeholt. Ihr Mann wird dann aus der Abschiebehaft in Büren nach Hannover gebracht.
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Allerdings ist zu dem Termin noch nicht das letzte Wort gesprochen. Der Kreis Siegen-Wittgenstein bestätigte gestern, dass man zunächst der Ergebnis der Anhörung vor dem Petitionsausschuss am Dienstag, 5. April, in Düsseldorf abwarten will (Wir berichteten).
Das schreibt Viktorya
Wegen der drohenden Abschiebung schreibt Viktorya diesen Brief: „Guten Tag! Ich bin Viktorya Boghean. Ich bin 14 Jahre alt und wohne in Bad Berleburg. Ich komme aus Armenien. Ich kann Russisch, Englisch, Deutsch, Spanisch. Ukrainisch verstehe ich. Armenisch spreche ich, aber diese Sprache spreche ich hier kaum. Ich habe eine kleine Schwester, sie heißt Arpi, mit der ich gerne spiele. Sie geht hier in die Kita und freut sich jeden Tag, wenn sie dort hingehen kann. Zurzeit gehe ich zur Realschule Bad Berleburg in die 7d und möchte gerne meinen Realschulabschluss machen. In meiner Freizeit spiele ich gerne Fußball, spiele Gitarre und treffe mich gerne mit Freundinnen. Wir wohnen in Bad Berleburg und sind total gerne in dieser Stadt, die unsere Heimat geworden ist. Ich möchte soooo gerne hier bleiben… Ich habe eine beste Freundin, sie heißt Tumara und hilft mir überall. Sie ist nett und freundlich und freut sich immer, wenn ich in der Schule bin. Sie will gerne, dass ich hier In Deutschland bleibe. Ich habe viele Freunde, sie sind nett zu mir. Ich will Deutschland nicht verlassen, ich will mit meinen Freunden die Zeit genießen. Sie wollen, dass ich hier in Deutschland bleibe.“
Das schreibt Viktoryas Klasse
Ihre Mitschüler aus der Klasse 7d schreiben: „Darum muss Viki in der Klasse 7d bleiben. Sie ist ein Teil der Klasse 7d. Sie ist nett und hilfsbereit. Sie ist immer für uns da. Wir treffen uns oft mit ihr. Wenn sie dabei ist, macht alles Spaß. Mit ihr ist es nie langweilig. Sie ist eine sehr gute Freundin. Sie versteht sich mit allen.“ Das unterzeichnen die Kinder und ihre Lehrer Jörg Hochdörffer und Isabelle Neuhäuser.
Das schreiben die Lehrer
Unterstützung erhält Viktorya auch vom Lehrerkollegium der Städtischen Realschule Bad Berleburg. Die spricht sich für ein Bleiberecht für Viktorya und die Familie aus. Dabei spielen nicht nur die schulischen Belange eine Rolle. In dem Schreiben heißt es: „Im Laufe der letzten beiden Jahre ist deutlich zu erkennen, dass für Viktorya und ihre Familie ein neuer Lebensmittelpunkt entstanden ist. Bad Berleburg ist für diese Familie zur neuen Heimat geworden.“ Schulleiter Manfred Müller schreibt von einer gelungenen Integration der Familie und führt aus: „Eine Abschiebung würde diese insgesamt sehr gelungene und für alle Beteiligten auch wünschenswerte Integration abrupt zu Nichte machen und Viktoryas weitere persönliche Entwicklung schädigen.“