Siegen-Wittgenstein. Die Metall- und Elektroindustrie in Siegen und Umgebung leidet unter Bürokratie und hohen Energiekosten. Die Stimmung ist mies wie nie.
Die Stimmung in der Metall- und Elektroindustrie in der Region ist miserabel. „Wir befinden uns mitten in einer der schwersten Wirtschaftskrisen, die unser Land seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat“, sagt Christian F. Kocherscheidt, Vorsitzender des Verbands der Siegerländer Metallindustriellen (VdSM), bei der Vorstellung der aktuellen Konjunkturumfrage. Deren Ergebnisse fallen noch schlechter aus als die ihrer Vorgängerin ein Jahr zuvor: Und bereits diese hatte laut VdSM den bisherigen Stimmungs-Tiefpunkt markiert.
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Rund 100 Mitgliedsunternehmen hat der Verband, davon haben sich 46 Ende vergangenen Jahres an der Umfrage beteiligt – allein diese Betriebe haben zusammen circa 10.400 Beschäftigte. Beunruhigend: 33 Prozent dieser Unternehmen gaben an, innerhalb der kommenden sechs Monate Entlassungen zu planen; 26 Prozent haben dies in den vorangegangenen sechs Monaten getan. 57 Prozent gehen von Kurzarbeit innerhalb des 1. Halbjahrs 2025 aus, 22 Prozent nutzten diese Möglichkeit im Halbjahr vor der Befragung. Und während 24 Prozent der Unternehmen seit Mitte 2024 Neuneinstellungen vornahmen, sehen diesen Schritt lediglich 9 Prozent für die erste Hälfte 2025 als wahrscheinlich an.
Siegen-Wittgenstein: Unternehmen ächzen unter Bürokratie und hohen Kosten
Die wirtschaftliche Verschlechterung bis zum derzeitigen Punkt sei „ein schleichender Prozess“ gewesen, sagt Christian F. Kocherscheidt, geschäftsführende Gesellschafter der Ejot Holding GmbH & Co. KG. „Es bewahrheitet sich, wovor wir schon lange gewarnt haben“ und „was die Politik nicht hat wahrhaben wollen“. Er freue sich in diesem Fall überhaupt nicht, Recht gehabt zu haben, betont der Verbands-Vorsitzende – ganz im Gegenteil, denn „für unsere Unternehmen ist es ein Drama“. Unternehmen aus anderen Ländern „schlagen sich sämtlich besser, als wir es tun“, da die deutsche Wirtschaft sich mit „überbordender Bürokratie, hohen Lohnnebenkosten und zu hohen Energiepreisen“ arrangieren müsse. Deutschland laufe Gefahr „im internationalen Wettbewerb abgehängt zu werden“.
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Die aktuelle Geschäftslage bewerten 47 Prozent der Unternehmen in der Konjunkturumfrage als „schlecht“, ein Jahr zuvor waren es 39 Prozent. 9 Prozent schätzten die Lage jüngst als „gut“ ein (im Jahr zuvor: 6 Prozent), 44 Prozent als „befriedigend“ (55 Prozent). Die Geschäftswartungen für die kommenden sechs Monate ordneten 57 Prozent der Unternahmen als „schlechter“ ein, 35 Prozent als „befriedigend“, 9 Prozent als „besser“. Von „besser“ ging zwölf Monate zuvor kein einziger Betrieb in der Umfrage aus, 64 Prozent von einer „schlechteren“, 36 Prozent von einer „befriedigenden“ Entwicklung. Dabei ist anzumerken, dass „besser“ ein relativer Begriff ist und noch lange nicht „gut“ bedeuten muss: Von einem schwierigen Niveau aus ist schon ein etwas weniger bedrohliches Szenario „besser“.
Siegen: Wirtschaft vor allem wegen des Inlandsgeschäfts besorgt
Sorge bereitet den Firmen vor allem die Inlandsnachfrage. 70 Prozent stufen die „Auftragslage Inland“ als „schlecht“ ein, nur 2 Prozent als gut. Der Unterschied zur „Auftragslage Ausland“ ist massiv: Diese stellt sich für nur 44 Prozent als „schlecht“ dar, für 21 Prozent sogar als „gut“. Die durchschnittliche Exportquote der befragten Unternehmen liege bei 48,9 Prozent, wie VdSM-Geschäftsführer Dr. Thorsten Doublet anmerkt – wobei sie in einigen Fällen auch bis 90 Prozent erreiche.
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Skepsis in Bezug auf den heimischen Markt zeigt sich auch bei den „voraussichtlichen Investitionen“: 52 Prozent der Betriebe werden nach derzeitiger Einschätzung im Vergleich zum Vorjahr ihre Investitionen im Inland senken, 20 Prozent wollen sie steigern. Im Ausland hingegen wollen 30 Prozent mehr und lediglich 19 Prozent weniger Geld investieren.
„Sicherlich nicht Alles falsch gemacht – aber Vieles auch nicht richtig.“
Siegen: Die Industrie hofft auf Entlastungen durch neue Regierung
Der Blick richte sich nun vor allem auf die „große Politik“, sagt Christian F. Kocherscheidt. Um Ampel-Bashing, das unterstreicht er, gehe es nicht – und spricht diplomatisch von einer Regierung, „die sicherlich nicht Alles falsch gemacht hat – aber Vieles auch nicht richtig“. Die Wurzeln von etlichen der aktuellen Probleme reichten weiter zurück, wesentlich sei aber die Zukunft. „Was wir uns von einer neuen Regierung wünschen: Ein echter Bürokratieabbau und eine Senkung der Lohnnebenkosten“, unterstreicht der Verbands-Vorsitzende. Deutschland habe sich „scheibchenweise vom Leistungsprinzip verabschiedet“, es sei auch ein gesamtgesellschaftliches Umdenken erforderlich: „Es ist wichtig, dass wir als Land begreifen, vor welchen Herausforderungen wir stehen.“
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