Siegen-Wittgenstein/Olpe. 500 Prozentpunkte Gewerbesteuer-Hebesatz in Wilnsdorf - direkt nebenan nur 355 in Haiger: Das hat auch Signalfunktion, so die IHK: „Hier bin ich willkommen!“

Die Kommunen stehen bei ihren finanziellen Spielräumen zunehmend mit dem Rücken an der Wand. Das bekommen auch die heimischen Unternehmen in Form erhöhter Kommunalsteuern immer stärker zu spüren, wie der neue IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Thilo Pahl erläutert. Die Industrie- und Handelskammer Siegen hat die Hebesätze für Gewerbe- und Grundsteuer B in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe verglichen: Während die Hebesätze demnach in manchen Kommunen konstant bleiben, steigen sie in anderen zum Teil sehr deutlich – insbesondere bei der Grundsteuer B.

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„Spitzenreiter“ beim Gewerbesteuer-Hebesatz im Kreis Siegen-Wittgenstein ist nach IHK-Angaben die Stadt Siegen (505), dicht gefolgt von der Stadt Netphen und der Gemeinde Wilnsdorf (jeweils 500). Im Kreis Olpe führt das Feld wie im Vorjahr die Stadt Drolshagen (489) an. Mit Attendorn und Drolshagen drehen im Kreis Olpe zwei Kommunen an der Steuerschraube; im Kreis Siegen-Wittgenstein sind es mit Kreuztal, Siegen und Netphen drei Kommunen. Die Grundsteuer B wurde in diesem Jahr von sieben Kommunen im Kammerbezirk angepasst, heißt es weiter; die stärksten Erhöhungen gab es in Kreuztal, Netphen und Attendorn. Allerdings weist die Hansestadt (425) mit der Gemeinde Wenden (400) die niedrigsten Hebesätze im gesamten Kammerbezirk auf. Auch in Siegen wurde die Grundsteuer B um über 100 Prozentpunkte erhöht. In der Gemeinde Wilnsdorf bleiben die Hebesätze in diesem Jahr nach der deutlichen Erhöhung im vergangenen Jahr konstant.

IHK Siegen: Jede Steuererhöhung treibt Unternehmen nach Hessen - deutlich niedrigere Belastung

„Die politischen Entscheidungsträger in den Städten und Gemeinden machen es sich bei der Festlegung der Steuersätze offenkundig nicht einfach“, betont Dr. Thilo Pahl. Hohe Steuern würden die Unternehmen zu einem Zeitpunkt belasten, zu dem sie ohnehin enorm unter Druck stünden. „Hohe Energie- und Rohstoffpreise, der Mangel an Arbeits- und Fachkräften, wegbrechende Transportwege und eine hohe bürokratische Belastung führen dazu, dass Investitionen an den Unternehmensstandorten in einem erheblichen Maße zurückgestellt werden. Zusätzliche steuerliche Belastungen zu diesem Zeitpunkt gießen da Öl ins Feuer!“

Dr. Thilo Pahl, Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen

„Bund und Land übertragen einen großen Teil der öffentlichen Aufgaben auf die Kommunen. Diese werden hierfür aber nicht hinreichend finanziell ausgestattet.“

Dr. Thilo Pahl

Zumal jede Steuererhöhung den Wettbewerb mit Standorten in den benachbarten Bundesländern verschärfe, ergänzt IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer. „Die hessischen Kommunen punkten bei Neuansiedlungen mit einer deutlich niedrigeren Gewerbesteuer und Grundsteuer B. Wenn Gewerbegebiete dann noch in Grenznähe liegen, wie im Fall der Stadt Haiger auf der Kalteiche, sind die Folgen unmittelbar zu beobachten.“ So liegt der Gewerbesteuer-Hebesatz in Haiger bei 355 Prozentpunkten, im benachbarten Wilnsdorf bei 500 Prozentpunkten. Auch der Vergleich bei der Grundsteuer B (365/695) fällt zu Lasten der nordrhein-westfälischen Kommune aus.

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Vergleichbar ist die Situation an der Grenze Wittgensteins: So liegen die Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B sowohl in Biedenkopf (357/365) als auch in Frankenberg/Eder (357/396) deutlich unter den Werten in Bad Laasphe (495/650) oder etwa Erndtebrück (495/520). „Auch wenn die Hebesätze nur einer von vielen relevanten Standortfaktoren sind, spielen sie eine Rolle und haben für viele Betriebe auch eine Signalfunktion: ‚Hier bin ich willkommen!‘“, betont Langer.

Siegen-Wittgenstein/Olpe: Kommunale Ebene „unterfinanziert“ - IHL kritisiert NRW-Regierung

Die Kommunalpolitik stehe daher angesichts der Folgewirkungen vor einem Dilemma, denn die Herausforderungen für die Kommunen seien enorm, betont Hauptgeschäftsführer Pahl. Alleine die Unterbringung einer großen Anzahl flüchtender Menschen bringe die Städte und Gemeinden an ihre Grenzen – auch finanziell. Steigende Kosten für Sozialleistungen müssten über die Kreisumlage finanziert werden. Dabei sei die kommunale Ebene unterfinanziert. „Bund und Land übertragen einen großen Teil der öffentlichen Aufgaben auf die Kommunen. Diese werden hierfür aber nicht hinreichend finanziell ausgestattet.“

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Nordrhein-Westfalen gehöre zu den Bundesländern mit dem höchsten „Kommunalisierungsgrad“ öffentlicher Aufgaben im gesamten Bundesgebiet: Die Städte und Gemeinden müssen hier mehr Aufgaben für übergeordnete Ebenen schultern, als dies andernorts der Fall ist. Sind diese nicht hinreichend finanziert, nimmt der „Kesseldruck“ zu. Am Ende seien es vor allem die Unternehmen vor Ort, die zusätzlich belastet würden, so der Hauptgeschäftsführer.