Wilnsdorf. Auch in Wilnsdorf werden drei Mitfahrerbänke aufgestellt. An dem Leader-Projekt entzündet sich aber eine Grundsatzdiskussion.
Die Gemeinde Wilnsdorf beteiligt sich an dem Leader-Projekt „„Komm, steig ein! - Mitfahrerbänke für das südliche Siegerland“. Das Vorhaben gibt aber auch den Anstoß zur Grundsatzdebatte, ob die Gemeinde sich von Förderprogrammen treiben lässt und wichtigere Vorhaben vernachlässigt. Dies behauptet Ratsmitglied Matthias Lohmann. Baudezernent Martin Klöckner widerspricht.
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Die Mitfahrerbänke
So wird das Leader-Leitprojekt beschrieben: „An bestimmten Standorten aufgestellte Mitfahrerbänke erlauben es Bürgerinnen und Bürgern, durch ein Schild ihr Fahrtziel anzuzeigen und von Autofahrern, die in diese Richtung fahren, unkompliziert mitgenommen zu werden. Dies fördert nicht nur die Mobilität im ländlichen Raum für Menschen ohne eigenen Pkw, sondern stärkt auch das Gemeinschaftsgefühl und die Nachbarschaftshilfe.“ Bis zu sechs Bänke sollen in Burbach aufgestellt werden, je drei in Neunkirchen und Wilnsdorf. Insgesamt kostet das Vorhaben 45.000 Euro. Davon sollen 30.000 Euro aus Leader-Mitteln der EU kommen. Den Rest teilen sich die drei Gemeinden, Wilnsdorf ist mit 3750 Euro dabei.
„Ich finde das ganz toll“, sagte Rainer Danier (Grüne) im Rat. Das Vorhaben habe „sowieso auf der Liste“ gestanden, die Mitfahrerbänke würden Anziehungspunkte. „Die Gefahr ist größer als der Nutzen“, sagte dagegen Andreas Klein (Werteunion), von dessen Fraktion zwei Gegenstimmen kamen, „das ist nichts anderes als Trampen.“
Dorferneuerung oder Straßenbau?
Matthias Lohmann (fraktionslos) kritisierte das Verfahren: Die Gemeinde werde mit Fördergeldern zu Ausgaben verleitet, die gegenüber den eigentlichen Aufgaben nachrangig seien. „Ist es nicht sinnvoller, zukünftig den Fokus bei Maßnahmen und Projekten der Gemeinde Wilnsdorf mehr in Richtung solcher Projekte und Maßnahmen zu verlagern, die dem Erhalt der Infrastruktur und damit des Anlagevermögens dienen?“, hatte Lohmann bereits schriftlich angefragt.
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Baudezernent Martin Klöckner widersprach in seiner schriftlichen Antwort: Fördermittel würden von der Verwaltung „insbesondere dort genutzt, wo ohnehin wichtige kommunale Infrastruktureinrichtungen zu ertüchtigen oder grundlegend zu erneuern sind und wo zusätzliche Finanzierungsmittel zur Entlastung des Gemeindehaushaltes gewonnen werden können“. Die Einwerbung von Zuschüssen gelinge „hervorragend“, sie hätten „ganz wesentlich zur Ertüchtigung der vielfach in die Jahre gekommenen kommunalen Infrastruktur und zu deren Qualifizierung beigetragen“.
Womöglich vermisste Straßenbaumaßnahmen seien in den letzten Jahren unterblieben, weil die Gemeinde Bürger daran mit Anliegerbeiträgen hätte beteiligen müssen – was der Gemeinderat ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Die konkret genannten Straßen Im Elzgarten, Oberdielfen und Nerrweg und Am Eisenacker in Wilgersdorf hätten ohnehin keine Priorität im Straßen- und Wegekonzept, das der Rat beschlossen habe. Für die Straßen Nerrweg und Am Eisenacker in Wilgersdorf müsse die Gemeinde sogar Erschließungsbeiträge in Höhe von 90 Prozent erheben. „Ob die Anlieger den beitragspflichtigen Ausbau tatsächlich, wie vom Fragesteller dargelegt, so positiv bewerten, möchte die Verwaltung nach allen Erfahrungen mit solchen Projekten doch stark bezweifeln.“
Die Herstellung zusätzlicher Infrastruktur im Rahmen von Dorferneuerungsmaßnahmen, wie sie im Integrierten Entwicklungskonzept (IKEK) erarbeitet wurden, zum Beispiel die Herstellung eines Spielplatzes in Obersdorf, seien vom Rat ausdrücklich gewünscht gewesen. Die Verwaltung habe „maximale Förderungen“ eingeworben. Dorfplätze in Gernsdorf, Obersdorf und Wilden würden von den Bürgern durchweg positiv bewertet. Dabei werde immer auch geprüft, ob vorhandene Anlagen wie der Bolzplatz in Obersdorf oder der Spielplatz in Wilden ertüchtigt werden können, sodass der Gemeindehaushalt entlastet werde. Der Rat habe die Verwaltung erst kürzlich beauftragt, den Ausbau eines Spielplatzes zu einem neuen Abenteuer-/Themenspielplatz zu planen und mit Fördermitteln aus der Dorferneuerung umzusetzen. Auch für die Erneuerung von Brücken sowie Wirtschafts- und Radwegen seien Fördermittel die einzige Geldquelle, „um einen Beitrag zur klimaschonenden Mobilitätswende zu leisten und die Land- und Forstwirtschaft zu unterstützen“. Zuschüsse für den barrierefreien Ausbau von Bushaltestellen hätten sogar den Bau des neuen Busbahnhofs für Grundschule und Gymnasium am Höhwäldchen ermöglicht.
Keine billige Lösung
Die Instandsetzung des Fußweges unter dem Damm der L 904 („In der Bleieisbach“) bis zur Alleestraße in Wilden für rund 8500 Euro ist nicht gelungen. Das räumt die Verwaltung in der Antwort auf eine Anfrage der CDU-Fraktion ein. Der Weg wurde verbreitert und teilweise asphaltiert. Dass sich mittlerweile Schotter löst und die Wegedecke aufbricht, liege an der intensiven Nutzung durch schwere landwirtschaftliche Fahrzeuge und durch den Winterdienst. Der Weg müsse grundlegend ausgebaut werden. „Das ist dann auch sehr teuer.“
Die Arbeiten könnten womöglich mit dem geplanten Bau eines neuen Kanals und eines Rückhaltebecken sowie der Weiß-Renaturierung verbunden werden. Dafür werde der Weg nämlich als Baustellenzufahrt gebraucht.
Der Fall Strüthchen
Kritisiert hatte Lohmann auch den „überzogenen“ Ausbau der Straße Im Strüthchen in Wilden. Die Straße hätte „bei entsprechender Beschilderung, zum Beispiel 20 km/h, auch geradeaus geführt werden können“. Die Kosten wären dann „deutlich günstiger ausgefallen“, vermutet Lohmann. „Ist der Bereich mit Schnee bedeckt, hat der Schneepflugfahrer ohnehin keine Möglichkeit, den Straßenverlauf zu finden, und die Wahrscheinlichkeit, dass dann die angrenzenden Pflasterflächen durch das Schneepflugschild beschädigt werden, steigt stark an.“
Der Ausbau des Strüthchen sei mit Dorferneuerungsmitteln gefördert worden, erinnert Baudezernent Martin Klöckner. Voraussetzung dafür sei eine Planung gewesen, mit der Verkehrsberuhigung und eine „dorfgerechte Straßenraumgestaltung“ erreicht werde. Alternative wäre die bloße, nicht so lange haltbare Fahrbahnsanierung allein auf Kosten der Gemeinde gewesen. Anliegerbeiträge hätten dann auch nicht durch Zuschüsse des Landes ersetzt werden können – einzige Anliegerin ist die Gemeinde selbst. Probleme mit den Fahrbahnverschwenkungen für den Winterdienst seien aus anderen Baugebieten nicht bekannt. Dagegen hätten sich „Beschilderungsmaßnahmen an vielen Stellen in der Gemeinde zur Verkehrsberuhigung als allein nicht ausreichend wirksam gezeigt“.
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