Hilchenbach. Das Hilchenbacher Bündnis reagiert auf Veranstaltungen des „3. Wegs“ am Jahrestag der Pogromnacht. Die Sicherheit der Region stehe auf dem Spiel.

Das Hilchenbacher Bündnis für Toleranz und Zivilcourage ruft dazu auf, „dem wachsenden Schweigen rund um die Immobilie in der Dammstraße entgegenzuwirken“. Am Samstag, 9. November, plant die rechtsextremistische Partei „Der 3. Weg“, auf dem von ihm genutzten Grundstück Dammstraße 5 ein Konzert und eine „Sportveranstaltung“ abzuhalten. Die Polizei hat angekündigt, mit starken Kräften vor Ort zu sein. Die Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein werde zur Bewältigung des Einsatzes durch Fremdkräfte unterstützt.

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„Es gilt, nach wie vor: Der Dritte Weg ist keine harmlose Gruppierung, sondern ein rechtsextremer Eliteverein, der einen Systemumsturz plant. Er gehört bundesweit verboten, und bis dahin ist es unsere Aufgabe, als Anwohner*innen Hilchenbachs für eine Schließung des Parteibüros zu kämpfen“, heißt es in der Erklärung des Bündnisses. Dafür werde „dringend“ mehr Unterstützung von der regionalen Politik und dem Land NRW gebraucht. „Bei Lippenbekenntnissen kann es nicht bleiben, Ruf und Sicherheit unserer gesamten Region stehen durch Veranstaltungen wie die am 9. November auf dem Spiel.“

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Im Oktober war das Konzert durch das Eingreifen der Polizei zeitweise verhindert worden. Gegen die Musiker wurde für den betreffenden Tag ein Betretungsverbot ausgesprochen, nach 24 Uhr sollen die Musiker – nach Darstellung der Partei –dann doch noch in das Haus Dammstraße 5 gekommen sein.

Bündnis vergleicht „Dammstraße 5“ mit Fassfabrik Hachenburg

Das für Samstag angekündigte „Sportevent“ sei in ähnlicher Form auch in der Fassfabrik in Hachenburg geplant gewesen und auch dort durch die Polizei unterbrochen worden, berichtet das Bündnis: „Offenkundig als geheime Anschlussveranstaltung zum geplatzten Konzert in Hilchenbach gedacht, fand sich die Gruppierung am darauffolgenden Samstag in der Fassfabrik zusammen, um dort eine Art Kampfsportturnier durchzuführen. Diese Art von Veranstaltungen ist in der rechtsextremen Szene sehr beliebt und zielt darauf ab, die eigene Anhängerschaft für den ‚Straßenkampf‘, das heißt für mögliche Angriffe auf den politischen Gegner, vorzubereiten und ideologisch zu schulen.“ 19 Strafverfahren seien eingeleitet worden.

„Das Eingreifen der Polizei ist hilfreich, aber nicht ausreichend, um der Neonazi-Szene in Hilchenbach etwas entgegenzusetzen.“

Hilchenbacher Bündnis

Das Gebäude in Hachenburg sei verkauft und stehe der rechtsextremistischen Partei nicht mehr zur Verfügung. „Wir beglückwünschen unsere Freunde im Westerwald für ihren Erfolg“, schreibt das Hilchenbacher Bündnis. „Für uns zeigen die Ereignisse umso mehr, wie wichtig zivilgesellschaftliches Engagement vor Ort und ein Problembewusstsein der örtlichen Bevölkerung für rechtsextreme Treffpunkte sind. Das Eingreifen der Polizei ist hilfreich, aber nicht ausreichend, um der Neonazi-Szene in Hilchenbach etwas entgegenzusetzen.“

Stilles Gedenken an ermordete Juden in Hilchenbach

Am Samstag, 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, findet am Abend ein Gedenken an die aus Hilchenbach deportierten Jüdinnen und Juden statt. Das Frauenbündnis „Alles außer Rechts“ organisiert ein stilles Gedenken, in musikalischer Begleitung von Werner Hucks, von 18 Uhr bis 18.30 Uhr am Gedenkstein auf dem oberen Marktplatz. Parallel wird es ab 15.30 Uhr einen Infostand des Aktionsbündnisses „Dammstraße Dichtmachen“ in der Dammstraße geben Der Infostand werde von den Omas gegen rechts und dem Hilchenbacher Bündnis unterstützt, heißt es in der Pressemitteilung.

Fast drei Jahre Auseinandersetzung zwischen Stadt Hilchenbach und rechtsextremistischer Partei

Vor nunmehr fast drei Jahren, am 14. Dezember 2021, hat der damalige Eigentümer sein Haus in der Dammstraße an den nun in dem Gebäude wohnenden Funktionär des „3. Wegs“ verkauft. Im Rathaus und somit auch in der Öffentlichkeit bekannt wurde die Transaktion, als der beurkundende Notar im Hilchenbacher Rathaus die bei jedem privaten Grundstücksverkauf übliche Bestätigung einforderte, dass die Stadt kein Vorkaufsrecht ausüben werde. Das verweigerte die Stadt, die ein Vorkaufsrecht für sich in Anspruch nahm und den Bebauungsplan änderte, damit sie für die Unterbringung von Geflüchteten die Hand auf die Immobilie legen konnte. Ende 2022 gelang es der Stadt, das Grundstück ebenfalls von dem früheren Eigentümer zu erwerben und diesen Kauf – anders als den Kauf durch den Parteifunktionär – auch ins Grundbuch eintragen zu lassen.

Dammstraße gesperrt

Die Stadt Hilchenbach hat die Sperrung der Dammstraße von Samstag, 9. November, 7 Uhr, bis Sonntag, 10. November, 7 Uhr, angekündigt. In dieser Zeit darf die Straße nicht befahren und entsprechend auch nicht dort geparkt werden. Die betroffenen Anwohner wurden aufgefordert, „ihre Fahrzeuge, sofern im entsprechenden Zeitraum benötigt, zeitlich vor der Sperrung außerhalb ab(zu)stellen“. Der Parkplatz P 5 (Wilhelmsburg) ist im selben Zeitraum für Einsatzkräfte der Polizei reserviert und nicht nutzbar.

Beim Landgericht Siegen ist ein Prozess anhängig, in dem der Parteifunktionär auf die Übertragung des Eigentums klagt; das Oberlandesgericht Hamm hatte zuvor eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Klägers im Grundbuch veranlasst. Beim Amtsgericht Siegen ruht eine Räumungsklage der Stadt Hilchenbach gegen den „3. Weg“ – so lange, bis die Eigentumsfrage entschieden ist. In die Reihe der gerichtlichen Auseinandersetzungen hat der „3. Weg“ eine Klage beim Verwaltungsgericht angekündigt, die sich gegen Landrat Andreas Müller richtet: Der hatte auf seinen dienstlichen Social-Media-Seiten – inzwischen wieder entfernte – Beiträge über seine Rede beim Hilchenbacher Fest für Vielfalt verbreitet. Das Oberverwaltungsgericht befasst sich mit einer Normenkontrollklage, die der Vertreter des „.3. Wegs“ gegen die Änderung des Stadtmitte-Bebauungsplans erhoben hat.

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