Kreuztal. Die Eigentümer von rund 20 Flurstücken an der geplanten Höchstspannungstrasse sind zur Anhörung nach Arnsberg geladen. Dort gab es einen Eklat.

Sie seien zu dritt gekommen, erzählt Ansgar Klein. Die Bediensteten der Bezirksregierung hatten Post für die Eigentümer und Pächter von rund 20 Flurstücken an der durchs Heestal geplanten Höchstspannungs-Stromtrasse. Ladungen zu Anhörungsterminen, die in dieser Woche in Arnsberg stattfinden. Stromnetzbetreiber Amprion hat Enteignungen beantragt, außerdem „vorzeitige Besitzeinweisungen“, weil – so der entsprechende Gesetzestext – „die sofortige Ausführung des Vorhabens aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten ist“. Betroffen als Grundstückseigentümerin ist auch die Stadt Kreuztal.

„Vorzeitige Besitzeinweisung“

Sieben private Grundstückseigentümer und die Stadt Kreuztal haben im Juni ihren Prozess gegen das Land Nordrhein-Westfalen, konkret: gegen die Bezirksregierung verloren, die Amprion Baurecht für die Stromtrasse erteilt haben. Für rechtswidrig erklärte das Bundesverwaltungsgericht allerdings den Teil des Planfeststellungsbeschlusses, der den Neubau eines Umspannwerks auf der Dänischen Wiese gegenüber von Schloss Junkernhees betrifft. „Wir warten nun die schriftliche Urteilsbegründung ab und entscheiden darauf aufbauend, wie wir weiter vorgehen“, hatte Amprion nach der Verkündung in Leipzig erklärt. „Wir warten immer noch“, sagt Ansgar Klein, einer der Sprecher der Bürgerinitiative Junkernhees, im Gespräch mit dieser Zeitung.

Die „vorzeitige Besitzeinweisung“ ist mehr oder weniger Formsache, betroffene Grundstückseigentümer können sich über den rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss nicht hinwegsetzen. Verhandelt wird bei solchen Terminen in der Regel allenfalls noch über Art und Umfang der Entschädigungen. Entsprechend untergeordnet erscheint das Aufgabengebiet denn auch im Organisationsplan der Bezirksregierung, wo es im Dezernat für „Ordnungsrechtliche Angelegenheiten, Staatshoheitsangelegenheiten, Ausländerrecht, Stiftungsaufsicht, Enteignung, Glücksspiel“ untergebracht ist. Ansgar Klein und seine Mitstreiter sind allerdings keineswegs zu Zugeständnissen bereit: „Wir ziehen das durch.“

An Mast 371 in Fellinghausen zweigt die Leitung zum Umspannwerk Setzer Wiese vor Geisweid ab. 
An Mast 371 in Fellinghausen zweigt die Leitung zum Umspannwerk Setzer Wiese vor Geisweid ab.  © Steffen Schwab

Wert der Grundstücke noch nicht ermittelt

Rechtsanwalt Philipp Heinz, der die Stadt Kreuztal und die privaten Grundstückseigentümer vertritt, hält Besitzeinweisungsanträge und Verfahren für rechtswidrig. Eine „rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Anhörung“ sei „derzeit unmöglich“. Zum einen hätte der Wert der Grundstücke vor der mündlichen Verhandlung durch einen Sachverständigen ermittelt werden müssen. Zum anderen würden mehr „Dienstbarkeiten“ begehrt, als für den Bau der Leitung erforderlich seien – zum Beispiel Baurecht für Masten da, wo das Grundstück nur für eine Zuwegung benötigt werde.

Anscheinend, so erfuhren Ansgar und Silke Klein und Sascha Reller, als sie jetzt bei der Bezirksregierung Akteneinsicht nahmen, wird auch für Flächen die Enteignung betrieben, die erst für den Bau des Umspannwerks benötigt würden. „Ein Umspannwerk gibt es aber erst mal nicht“, sagt Ansgar Klein. An ein Versehen glaubt Sascha Reller nicht. Die Besitzeinweisung würde Amprion das Recht geben, Wald zu roden. Wenn irgendwann später die Planfeststellung für das Umspannwerk neu aufgerollt werden sollte, würde der Schutz der Bäume nicht mehr dagegen sprechen: „Alles, was die jetzt wegmachen können, wird nicht mehr abgewogen.“

Schneller Baubeginn scheitert auch an Wasserleitung

Vor allem aber führt die Bürgerinitiative an, dass die „sofortige Ausführung des Vorhabens“, die Voraussetzung für die Besitzeinweisung ist, nicht möglich sei. Denn da sind die Wasserleitungen, die unter den geplanten Masten verlaufen und die beim ersten der beiden Verhandlungstage in Leipzig eher beiläufig erwähnt werden. Maßnahmen zum Schutz der Leitungen sollten Amprion, Wasserverband und Stadt beim Bau der Stromleitung regeln, hatte das Bundesverwaltungsgericht befunden. Bisher, so hat Ansgar Klein erfahren, gibt es keinen Plan für Wasserleitungstrassen. „Die müssten ja auch wieder über Grundstücke gelegt werden, die uns gehören.“ Und die würden er und seine Mitstreiter nicht freiwillig abgeben – und weil der Planfeststellungsbeschluss die Wasserleitungen nicht erwähnt, können die dafür benötigten Flächen auch nicht enteignet werden. Stille Hoffnung der Bürgerinitiative: In der Praxis wird der Stromtrassenbau so schwierig, dass sich die von Stadt und Bürgerinitiative vertretene „Meiswinkel-Variante“ durch den Wald und die Erweiterung des Umspannwerks in Altenkleusheim doch noch als die günstigeren Lösungen erweisen.

Aufmerksam beobachten die Kreuztaler die Arbeiten am anderen Ende des Bauabschnitts: Der Aufbau der drei Masten in der Trupbacher Heide mache kaum Fortschritte, für einen Mast zwischen Niederholzklau und Alchen müsse ebenfalls eine Wasserleitung verlegt werden, dort allerdings nur auf weniger als hundert Meter Länge, nicht wie im Heestal über einen Kilometer. „Die ist schlicht und einfach vergessen worden“, glaubt Ansgar Klein, „auch in Meiswinkel ist noch nichts passiert.“ Im Bauzeitenplan von Amprion wird die Gründung für den Mast 374 – das ist der erste nach dem Umspannwerk Junkernhees – für einen Zeitraum bis 29. August 2025 terminiert, Mast 375 bis 3. September 2025, Mast 376 bis 12. September, der Aufbau der Masten selbst dann jeweils wenige Tage später. „Dabei wird doch immer auf die Zeitschiene gepocht“, wundert sich Ansgar Klein.

„Die sollen wissen, was sie bei uns erwartet.“

Ansgar Klein, Bürgerinitiative

Der Planfeststellungsbeschluss, betont Ansgar Klein, „bedeutet nicht, dass die da einfach bauen können.“ Denn da gibt es noch die Nebenbestimmungen, die unter anderem eine „ökologische Baubegleitung“ verlangen – die mit Sicherheit die geschützte Haselmaus auf der Trasse entdecken werde. Nicht umsonst fragt Silke Klein zu diesem Punkt besonders intensiv nach – in der Regel ergebnislos. „Ein Phantom“, folgert Silke Klein, die auch in einem anderen Punkt auf Granit biss: Wo in Deutschland noch gasisolierte Umspannwerke, wie sie in Junkernhees geplant seien, betrieben würden, hatte sie gefragt. Die Antwort sei ihr mit Sicherheitsbedenken verweigert worden. Im Februar hat Silke Klein bei der Staatsanwaltschaft Siegen Strafanzeige gegen einen Amprion-Verantwortlichen erstattet.

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Ansgar Klein ist entschlossen: „Die sollen wissen, was sie bei uns erwartet.“ Sascha Reller: „Wenn die bei uns Bohrungen machen wollen, können die das nur unter Polizeischutz.“ Unten, am Ortsausgang von Fellinghausen, beim Hof Numbach, steht Mast 371, eingezäunt und mit Warnschildern versehen. Hier zweigt die Leitung zum bisherigen Umspannwerk in der Setzer Wiese vor Geisweid ab. Die im vorigen Jahr erfolgte „vorzeitige Besitzeinweisung“ wäre nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr möglich gewesen. Einige Leitungsseile wurden abgenommen und liegen am Boden – für die Bürgerinitiative ein Beleg dafür, dass die Edelstahlwerke gar nicht von Kreuztal aus versorgt werden müssen. Was Amprion beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig auch nicht bestritten hat.

Anhörungstermin geplatzt – Befangenheitsantrag

Nach einer Viertelstunde waren sie wieder draußen. Ansgar Klein und seine Mitstreiter haben den Anhörungstermin bei der Bezirksregierung platzen lassen, nachdem sie das aus ihrer Sicht rechtswidrige Vorgehen der Behörde beanstandet haben. Im Nachgang hat Rechtsanwalt Philipp Heinz, der die privaten Grundstückseigentümer und die Stadt Kreuztal vertritt, beim Regierungspräsidenten die Ablösung des zuständigen Beamten der Enteignungsbehörde beantragt, wegen „Besorgnis der Befangenheit“. Der Verhandlungsleiter habe die Anwesenheit der Beistände des Grundstückseigentümers, dessen Fall anstand, nur mit Zustimmung von Amprion zulassen wollen, und er habe den Rechtsanwalt der Kreuztaler als „respektlos“ bezeichnet. Der Beamte verhalte sich voreingenommen, er beharre „auf Gedeih und Verderb“ auf der Terminierung der Anhörungen, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt seien.

Stadt Kreuztal: Besitzeinweisung wäre schon wegen Wasserleitung rechtswidrig

Eines der sieben Besitzeinweisungsverfahren betrifft die Stadt Kreuztal, ihr Eigentum an sieben Flurstücken und Dienstbarkeiten, über die sie an fünf weiteren Grundstücken verfügt, unter anderem den Fuß- und Radweg von Junkernhees nach Mittelhees, der als Baustellenzufahrt zum geplanten Umspannwerk ausgebaut werden soll. Die Stadt Kreuztal lässt durch ihren Anwalt darauf hinweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht nur den Planfeststellungsbeschluss für das Umspannwerk, sondern auch für die Trasse von Altenkleusheim bis dorthin für rechtswidrig erklärt hat. Damit seien Besitzeinweisungen bis zu Mast 373 gegenüber von Schloss Junkernhees nicht möglich. Und für die im anschließenden Heestal geplanten Masten 375, 376 und 377 auch nicht, weil direkt darunter Wasserleitungen verlaufen – die des Wasserverbandes von der Breitenbachtalsperre nach Meiswinkel und Freudenberg und die des städtischen Wasserwerks, die 3590 Einwohner im Heestal mit Trinkwasser versorge.

Haselmaus schon im Winterschlaf

Die Stadt Kreuztal verweist darauf, dass Voraussetzung für eine Besitzeinweisung sei, dass „sofort“ mit dem Bau begonnen werden soll. Dies sei schon wegen der noch gar nicht gefundenen neuen Trasse für die Wasserleitungen nicht möglich. Aber auch nicht, weil Gehölz nicht entfernt werden kann, solange Fledermäuse nicht nachweislich erfolgreich umgesiedelt sind und Haselmäuse ihren Winterschlaf nicht beendet haben. Ab 1. März wiederum dürfen Bäume sowieso bis 30. September nicht mehr gefällt werden.

Vor einem Enteignungsverfahren hätte Ampríon der Stadt anbieten müssen, die benötigten Grundstücke zu kaufen Auch darauf weist Rechtsanwalt Philipp Heinz hin. Die Stadt Kreuztal habe aber „niemals zumutbare freihändige Angebote erhalten“. Antworten von Amprion auf Fragen dieser Redaktion liegen bisher nicht vor. Die Bezirksregierung teilte auf Anfrage mit, dass sie sich zu laufenden Verfahren nicht äußere.

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Bürgerinitiative Junkernhees
An Mast 371 in Fellinghausen zweigt die Leitung zum Umspannwerk Setzer Wiese vor Geisweid ab.  © Steffen Schwab