Siegen. Um das neue, grüne Wohnquartier wurde erbittert gestritten: Vor allem wegen der vielen Autos auf den Siegener Wellersberg. Sind die Straßen zu voll?
Im erbitterten Streit um das neue Wohngebiet auf dem Wellersberg wurde ein Verkehrsgutachten gefordert: Allen voran die Siegener CDU fürchtete den Kollaps, wenn künftig Anwohner und Besucher zu der Siedlung auf dem Gelände des ehemaligen Munitionsdepots fahren, gleichzeitig auch noch die DRK-Kinderklinik erweitert wird. Insbesondere die Verkehrsknotenpunkte an Freudenberger- und Wellersbergstraße würden die zusätzlichen Fahrzeuge nicht verkraften, so die Befürchtung. Das Gutachten liegt nun vor und kommt zum Ergebnis: Das geht. Mit Einschränkungen.
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Hintergrund ist die Auseinandersetzung um die Konzeption der Wohnsiedlung entlang der Panzerwiese: Die Stadt, die das Wohngebiet von der Landestochter NRW.Urban entwickeln lässt, strebte ein weitgehend autofreies Quartier an, ohne Stellplätze an den Wohngebäuden. Vielmehr sollten Fahrzeuge in „Quartiersgaragen“ geparkt, die letzten Meter zu Fuß zurückgelegt werden, um die Sicherheit und Aufenthaltsqualität auf den „Spielstraßen“ zu steigern. Für gehbehinderte Personen oder um Einkäufe auszuladen, soll das Befahren mit Autos aber möglich sein. Daran hatte sich erheblicher wohnungspolitischer Streit zwischen den Fraktionen entzündet - unter anderem wurde zunächst besagtes Verkehrsgutachten gefordert.
Siegen: Verkehrsknoten an der Freudenberger Straße zu Spitzenzeiten jetzt schon überlastet
Quartiersgaragen hin oder her: Wenn auf dem Wellersberg bis zu 225 Wohneinheiten verschiedenen Typs gebaut werden, werden mehr Autos dort hinauf fahren. Der Abzweig im Wellersbergtunnel ist in der Tat ein Nadelöhr, das gilt auch für den Abzweig von der Freudenberger zur Wellersbergstraße. Die Gutachter des Büros DTV-Verkehrsconsult aus Aachen ergänzten ihre Untersuchung der Verkehrslage in diesen Bereichen. Eine Variante berücksichtigte auch den Fall, dass auf dem Gelände des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes an der Tiergartenstraße ein Parkhaus für die Uni gebaut wird, wo Hochschulangehörige ihre Autos abstellen können, um von dort, gemäß Masterplan von 2016, künftig die „letzte Meile“ zum Innenstadt-Campus mit anderen Verkehrsmitteln zurückzulegen - rund ums Untere Schloss ist kein Platz für Parkraum. Dieser Fall ist aber extrem unwahrscheinlich, denn der Parkhaus-Plan ist aufgrund gesunkener Studierendenzahlen und der digitalen Lehre vom Tisch. Die Kommunale Entwicklungsgesellschaft (KEG) plant hier günstigen Wohnraum und eine Kita, die Uni will ihren aktualisierten Masterplan in Kürze vorlegen.
Die Verkehrsabwicklung an den beiden Knotenpunkten Freudenberger Straße jedenfalls werde „als ausreichend leistungsfähig angesehen“, heißt es in der Vorlage, über die abschließend der Rat am 20. November entscheiden soll. Die Gutachter hatten Verkehrszählungen an sieben Knotenpunkten über je 48 Stunden durchgeführt, um das Fahrzeugaufkommen auch zu verschiedenen Tageszeiten zu ermitteln. Sie weisen darauf hin, dass das Verkehrsaufkommen vor allem zu Stoßzeiten durchaus auf hohem Niveau ist - laut Gutachten sind vier der sieben Knotenpunkte unter den derzeitigen Belastungen nicht ausreichend leistungsfähig. Je weiter weg vom Wohngebiet, desto überlasteter. Mit Wohngebiet und dem entsprechenden zusätzlichen Verkehr - prognostiziert werden pro Tag etwa 1400 bis 2200 zusätzliche Fahrten - gebe es keinerlei Reserven mehr.
Siegen: Für besseren Verkehr ins neue Wohngebiet Wellersberg Ampeln anpassen
Empfohlen wird, die Ampelschaltungen entsprechend anzupassen, mit kleinen Änderungen könne der Verkehr dann künftig verträglich abgewickelt werden. In den Spitzenstunden staut es sich ja ohnehin bereits kräftig. Dabei gelte es, die neuen Ampelschaltungen so zu koordinieren, dass der Verkehr nicht an anderen Stellen ins Stocken gerät. Würde der Fürstenweg ausgebaut, könnte das für Entlastung sorgen, so die Gutachter - bei einer Erschließung des Wellersbergs durchs Charlottental ist allerdings mit erheblichem Widerstand zu rechnen. Auch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sei gut machbar - die Gutachter raten, die Buslinie C 116 ins Neubaugebiet für eine „optimale Erreichbarkeit“ zu erweitern.
Auf eine „mikroskopische Verkehrssimulation“ könne daher verzichtet und somit eine Summe von 33.000 Euro eingespart werden, empfiehlt die städtische Abteilung Straße und Verkehr.
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Damit bleibt es zunächst bei den in einer Kampfabstimmung beschlossenen Leitlinien für einen städtebaulichen Entwurf für das Wohnquartier auf dem Wellersberg, das nun weiter ausgearbeitet werden soll. Um keine Zeit zu verschwenden, schlägt die Stadt außerdem vor, bereits weitere Gutachten für Artenschutz, Schall und Baugrund zu beauftragen, die für das Verfahren erforderlich sind. Da Siegen kaum noch nennenswert große Reserven für die Errichtung von Wohnraum hat, die Nachfrage weiterhin ungebrochen hoch ist und gerade dieses Vorhaben für Aufsehen in der Bevölkerung sorgt, soll auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden. Bürgerinnen und Bürger seien demnach „bei der weiteren Ausgestaltung für konkrete Fragestellungen mit einzubeziehen“, die Ergebnisse sollen im Entwurf berücksichtigt werden.