Kreuztal. Kurz vor den Ferien haben 100 Eltern erfahren, dass ihre Kinder keinen Betreuungsplatz bekommen. Was tun, damit das nicht noch einmal passiert?
Kurz vor den Sommerferien passierte, wie CDU-Fraktionschef Philipp Krause ihn nennt, „der absolute Sommerknall“: An die 100 Eltern bekamen von der Stadt die Mitteilung, dass ihr Kind im neuen Schuljahr keinen Betreuungsplatz in der verlässlichen Halbtagsschule oder der „Tagesschule“ bekommt. Die dafür vorgesehenen Kapazitäten waren ausgeschöpft, dagegen blieben Plätze in den offenen Ganztagsgrundschulen (OGS) frei. Die wollten die Eltern aber nicht die Kinder sollten Hausaufgaben zu Hause machen, Zeit für Sportverein oder Musikschule haben.
+++ Immer auf dem Laufenden mit WhatsApp: Hier geht‘s zum Kanal der Lokalredaktion Siegen +++
Kurzfristig wurden ungenutzte OGS-Plätze ab- und andere Betreuungsplätze aufgebaut. Aber was ist im nächsten Schuljahr? „Viele Eltern stört das starre System“, sagt Heike zur Nieden (SPD), Vorsitzende des Schulausschusses, als sie eine lange Diskussion eröffnet: OGS-Kinder müssen tatsächlich an jedem Tag nachmittags erscheinen – dass ihre Eltern sie auch auf Antrag freistellen lassen können, wissen die wenigsten. Beliebter ist, zumindest in diesem Jahr, die Vormittagsbetreuung von 7.30 bis 13.30 Uhr, an die maximal zwei Nachmittage drangehängt werden können („Verlässliche Tagesschule“). Ob das im nächsten Jahr auch so ist, weiß niemand.
„Damit können Sie keine 220 Kinder betreuen.“
Warum es eng wird
Beliebig umschichten können Schulen und Stadt nicht. Dazu fehlen das Geld und die Räume. Michael Groß ist Geschäftsführer des Vereins für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (VAKS), der den offenen Ganztag in Kreuztal managt. Für 385 Kinder im offenen Ganztag steht ein Budget von 770.000 Euro pro Schuljahr zur Verfügung. Für 220 Kinder in der Vormittagsbetreuung und in der Tagesschule sind es 37.500 Euro, „Damit können Sie keine 220 Kinder betreuen.“ Also springt das OGS-Personal mit ein, zumal die Kinder vormittags und mittags sowieso nicht getrennt voneinander betreut werden können. Wie viele Betreuungskräfte bezahlt werden können, hängt aber davon ab, wie viele Kinder in der OGS angemeldet sind, erklärt Stadtrat Patrick Zöller: Denn nur in der OGS zahlt das Land einen Zuschuss je Kind, für den Halbtag gibt es nur einen Festbetrag je Standort.
- Kreuztal: 100 Grundschulkinder nach den Ferien ohne Betreuung
- Millionenprojekt in Kreuztal: Offener Ganztagsausbau wird teuer
- Wegen Ganztag: Fast alle Kreuztaler Grundschulen zu klein
- Kreuztal: Offene Ganztagsgrundschulen platzen aus den Nähten
- „Erbärmlich“: Kreuztal braucht 20 Millionen für Grundschulen
Geld ist – zumindest in Kreuztal – nicht das ganz große Problem. Was fehlt, schießt die Stadt den Schulen zu. 560.000 Euro sind es in diesem Jahr nach der sommerlichen Umschichtungsaktion, 130.000 Euro mehr als geplant. Hinzu kommen die 220.000 Euro, die die Stadt als Anteil sowieso für die OGS aufbringen muss. Abzuziehen sind 280.000 Euro Elternbeiträge, die auf das Konto der Stadt eingezahlt werden. Grenzen setzt das Raumangebot. Deshalb, so erinnert Stadtrat Zöller, nimmt die Stadt mehr als 20 Millionen Euro in die Hand, um die Schulen zu erweitern; „erbärmlich“, so Zöller, sei der dafür zu erwartende Landeszuschuss von 1,3 Millionen Euro. Wenn alles fertig ist, gibt es für 80 Prozent der Kreuztaler Kinder OGS-Plätze. „Bis dahin können aber nicht alle Betreuungswünsche erfüllt werden.“
Schlusslicht
Insgesamt 615 Betreuungsplätze sind in diesem Schuljahr an den Kreuztaler Grundschulen belegt, 20 mehr als geplant. Auf den offenen Ganztag entfallen 391 Plätze (geplant: 450), auf Halbtag und Tagesschule 224 (geplant: 145).
Landesweit sind 52,7 Prozent der Grundschulkinder Ganztagsschüler, im Kreis Siegen-Wittgenstein nur 31,9 Prozent (ebenso wie im Hochsauerlandkreis. Geringer ist der Ganztagsanteil nur noch in den Kreisen Olpe und Borken.
Der OGS-Anbau für die Adolf-Wurmbach-Grundschule in Eichen wird zum Schuljahr 2026/27 fertig, in dem Jahr, in dem erstmals Erstklässler Anspruch auf einen OGS-Platz haben, ab 2027 dann auch die Zwei.-, ab 2028 die Dritt- und 2029 auch die Viertklässler. In Kredenbach, Fellinghausen und Buschhütten wird der zusätzliche Platz ab 2027/28 zur Verfügung stehen, der größte Erweiterungsbau in Dreslers Park ab Frühjahr 2028. So lange bleibt es eng. Wobei es für die Wünsche nach Vormittagsbetreuung und Tagesschule in Buschhütten und an Dreslers Park besonders schlecht aussieht: Dort gibt es jetzt immer noch Wartelisten für den offenen Ganztag, obwohl der stadtweit nur für 28,6 Prozent der Kinder nachgefragt wird.
Wie es gehen soll
Für die nächsten Jahre schlägt Stadtrat Patrick Zöller eine – auf den ersten Blick – flexible Lösung vor: Festgelegt wird je Schule die Gesamtzahl der Betreuungsplätze, Plätze, die nicht für den offenen Ganztag gebucht werden, sollen für verlässliche Halbtags- und Tagesschule zur Verfügung gestellt werden. „OGS first“ wäre das, ab 2026 ohnehin Pflicht wegen des Rechtsanspruchs: „Eine Gleichrangigkeit der Betreuungsangebote wird es dann nicht mehr geben.“ Damit Eltern wissen, was ihnen blüht, will die Stadt das Anmeldeverfahren für die Betreuung so früh wie möglich legen, wobei immer erst die Aufnahme durch die Grundschule (in diesem Jahr: Ende März) abgewartet werden muss. Ende Mai könnten dann die Betreuungsplätze verteilt sein. Das, so Katrin Nöh, stellvertretende Leiterin des Schulverwaltungsamtes, sei in diesem Jahr „nicht optimal gelaufen“.
Was dagegen spricht
Der Vorschlag trifft auf Widerspruch. „Da wird Druck im Kessel sein“, sagt Philipp Krause (CDU), „das wird die CDU nicht mittragen.“ Es gebe Gründe, den offenen Ganztag nicht zu wollen. Sportvereine verlören junge Mitglieder, sie zögen sich auch aus den ersatzweise angebotenen Kooperationen mit den Schulen zurück, „weil es nicht funktioniert“.. Eltern würden sich gezwungen sehen, Kinder gegen die eigene Überzeugung im Ganztag anzumelden., um nicht zu riskieren, dass die gewünschten Halbtagsplätze nicht mehr zur Verfügung stehen. „Auf keinen Fall“, so Tibor Zachar (FDP), dürften die OGS durch „Angstmache“ gefüllt werden.
„Da kann man sich auf qualitativ gute Arbeit verlassen.“
Die Diskussion wird grundsätzlich. „Immer mehr Kinder haben Probleme“, sagt Heike Siebel (SPD), die selbst als ehemalige Gesamtschullehrerin den gebundenen Ganztag und die dort bestehenden Betreuungsangebote zu schätzen weiß. Im Raum steht die Frage, ob die unterfinanzierte und mit viel angelerntem Personal betriebene OGS gut genug ist – „ein System, das räumlich, personell und qualitativ überhaupt nicht vorbereitet ist“, stellt Philipp Krause (CDU) fest. Sandra Klein, Leiterin der Grundschule Kredenbach, weist das zurück. „Unsere Mitarbeitenden in den OGSen leisten hervorragende Arbeit.“ Die Leitungsteams seien immer mit pädagogisch ausgebildeten Fachkräften besetzt, zudem seien immer auch Lehrkräfte aus dem Kollegium der Grundschule mit im Einsatz. „Da kann man sich auf qualitativ gute Arbeit verlassen.“
Entscheiden werden soll im November. „Mich würde interessieren, welche Idee Sie denn haben“, fragt Stadtrat Patrick Zöller den CDU-Fraktionschef. Philipp Krause rät dazu, nach entsprechendem Informationseinsatz erst einmal die Anmeldungen zu den verschiedenen Betreuungsformen abzuwarten. „Und dann mal gucken, ob’s passt. Wir haben dann mehr Zeit als in diesem Jahr, um zu reagieren.“
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++