Netphen. Bei der Planung von Windenergiebereichen ist auch die Stadt Netphen wieder völlig außen vor. Doch was macht sie mit dem vielen Strom?

Die Stadt Netphen muss sich darauf einstellen, dass ihr Widerspruch gegen Bauvoranfragen für insgesamt nun schon 35 neue Windräder erfolglos bleibt. Der Rat hatte das Einvernehmen versagt, weil die Standorte - bis auf sechs - außerhalb der Windenergiebereiche liegen, die die Bezirksregierung für den Regionalplan vorgesehen hat. Das Land hatte vorgegeben, dass Baugesuche für solche Standorte zurückgestellt werden können, bis der neue Regionalplan in Kraft tritt, geplant 2025.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Das gilt nun nicht mehr. Das Oberverwaltungsgericht hat die entsprechende Formulierung im Landesentwicklungsplan kassiert. In der Folge, so Kreisbaudezernent Arno Wied auf Nachfrage dieser Zeitung, können Standorte nun nicht mehr von vornherein ausgeschlossen werden. Was nicht bedeutet, dass in jedem Fall Baugenehmigungen erteilt werden: Dafür wird das Bundesimmissionsschutzgesetz angewendet, bei dem unter anderem auch der Artenschutz eine Rolle spielen.

Für Windkraft-Investoren gibt es keine Tabu-Gebiete mehr

Nicht mehr die Windenergiebereiche aus der Regionalplan sollen für die Stadt maßgeblich sein, sondern nur noch die Bestimmung des Baugesetzbuchs, dass „sonstige Vorhaben“ im städtebaulichen Außenbereich zugelassen werden können, „wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist“. Wenn die Stadt ihr Einvernehmen dazu verweigert, kann der Kreis es „ersetzen“. „Die Kommune hat keine Planungshoheit mehr“, folgert Netphens Beigeordneter Andreas Fresen. Der Kreis werde sich „gezwungen sehen, die eine oder andere Anlage zu genehmigen“.

„Eine klare Linie haben wird nicht“, stellt Fresen im Stadtentwicklungsausschuss fest. Da hat es vorher allerdings auch nicht gegeben. Von Anfang an herrschte auch in Netphen Unsicherheit, welche Windenergiebereiche wirklich geplant sind: die aus dem Beschluss des Regionalrates, also der Hellerkopf zwischen Sieg- und Werthetal, den die Stadt auch selbst als Vorrangzone ausgewählt hat und wo auch bereits für zwei Anlagen positive Bauvorbescheide erteilt wurden, und der Bereich südlich von Salchendorf, wo sich Netphens bisher einzige drei Windräder drehen. Oder auch noch Bereiche an der Obernautalsperre (vier Anträge) und auf dem Homerich östlich von Herzhausen, wie sie im Entwurf des Regionalplans von 2021 stehen. Bisher völlig außen vor waren Standorte bei Hainchen (neun Voranfragen) und die Kuppe zwischen Dreis-Tiefenbach und Beienbach (zwei Voranfragen).

Waldgenossen für Windpark auf dem Homerich

Ob es vor diesem Hintergrund nicht besser wäre, die bisherigen Beschlüsse aufzuheben und generell das Einvernehmen zu allen Anträgen zu erteilen, fragt Manfred Heinz (SPD) – denn das Nein der Stadt galt bisher auch der Waldgenossenschaft, die sechs Windräder mit je 169 Metern Nabenhöhe auf dem Homerich östlich von Herzhausen aufstellen will. Alle sechs Anlagen in den Gemarkungen Frohnhausen, Niedernetphen und Eschenbach halten einen Abstand von mindestens 1000 Metern zur nächsten Wohnsiedlung ein. Zwei Standorte liegen sogar innerhalb des Erlass-Bereichs, den der Kreis bisher für seine Genehmigungen anwendete.  Er habe ebenfalls „Bauchschmerzen, alle Anträge abzulehnen“, sagt Sebastian Zimmermann (CDU). Getroffen würden dann auch eigentlich willkommene Vorhaben von Bürgergenossenschaften.

„Das Schlimme ist, dass 83 Millionen Menschen das mit sich machen lassen“

Rüdiger Bradtka, CDU

„Das kann es doch auch nicht sein“, widerspricht Andreas Fresen. Die Stadt werde die Möglichkeit haben, für den von ihr unterstützten Windpark auf dem Homerich eine „Positivplanung“ aufzustellen, sobald der Regionalplan in Kraft sei. „Es brennt ja nichts an.“ Der allerdings werde Windenergiebereiche enthalten, die „über die Köpfe der Stadt hinweg“ festgesetzt würden. „Damit kann man keinem Kind Demokratie erklären“, schimpft Rüdiger Bradtka (CDU), „das Schlimme ist, dass 83 Millionen Menschen das mit sich machen lassen.“ Ignaz Vitt (UWG) rät, „die Linie beizubehalten“. Paul Legge (CDU) warnt, Klagen von abgelehnten Investoren wegen Ungleichbehandlung zu riskieren. „Warum sollten wir uns das antun?“

Zu spät: Keine zentrale Wärmeversorgung im Burggraben

Keinen Erfolg hat ein Vorstoß der SPD-Fraktion, in Netphen mit einem „Leuchtturmprojekt“ Energie zu sparen. Mit 13 gegen vier Stimmen lehnt der Stadtentwicklungsausschuss den Antrag der SPD-Fraktion an, das Neubaugebiet Burggraben/Altwiese mit einer zentralen Brauch- und Heizwasserheizung auszustatten. „Das wäre ein einmaliges Pilotprojekt“, findet Lothar Kämpfer (SPD). Beigeordneter Andreas Fresen weist darauf hin, dass die Eigentümer der etwa 70 geplanten Häuser keinem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegen. Dazu müsse der Bebauungsplan geändert werden. „Dann sind wir anderthalb Jahre weiter.“ Für eine solche zentrale Anlage, so Ignaz Vitt (UWG), „muss man erst mal einen Betreiber finden. Ehe wir das umgesetzt haben, sind wir fünf Jahre weiter.“

„Wir sollten dicke Stromleitungen verlegen.“

Andreas Fresen, Beigeordneter

Von einem „Antrag aus der Mottenkiste“ spricht Paul Legge (CDU): Neue Einfamilienhäuser würden fast ausschließlich mit Wärmepumpen ausgestattet, fast alle Häuser hätten auch Photovoltaikanlagen. „Die Leute sind ja auch nicht ganz doof.“ Tobias Glomski (Grüne) wirft der Verwaltung vor, nicht rechtzeitig gehandelt zu haben. Sie habe „drei Jahre lang konsequent jede Idee zur Gestaltung dieses Baugebiets wegignoriert“. Beigeordneter Andreas Fresen denkt an die vielen Windräder, deren Strom verbraucht werden muss: „Wir sollten eher dicke Stromleitungen verlegen.“

+++ Immer auf dem Laufenden mit WhatsApp: Hier geht‘s zum Kanal der Lokalredaktion Siegen +++

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++