Netphen. In öffentlicher Sitzung werden im Rat die Standorte genannt, an denen Investoren Windparks bauen wollen - eigentlich sollte das geheim bleiben.
Beim Kreis Siegen-Wittgenstein liegen 23 Genehmigungsanträge für Windräder in Netphen vor. Zu allen 23 hat der Rat am Donnerstagabend einstimmig Nein gesagt. Weil fast alle Standorte außerhalb der Windenergiebereiche liegen, die der Regionalrat in der vorigen Woche beschlossen hat, könnte die Bezirksregierung nun die Kreisverwaltung anweisen, die Anträge „zurückzustellen“ - zumindest so lange, bis der Regionalplan 2025 in Kraft tritt. „Ob das am Ende auch funktioniert, wissen wir alle noch nicht“, räumte Dr. Felix Pauli ein. Die Stadt hat den Rechtsanwalt der Kölner Kanzlei Lenz und Johlen hinzugezogen. Nicht ausgeschlossen ist, dass Investoren den Erlass des Landes und die Praxis der Bezirksregierung gerichtlich überprüfen lassen. In diesem Fall, so der Jurist, wäre aber der Kreis Prozessgegner, dem das Land bereits die Übernahme etwaiger Schadensersatzleistungen zugesagt habe.
Im Regionalplan ist außer dem Hellerkopf, den die Stadt auch selbst als Vorrangzone ausgewählt hat und wo auch bereits für zwei Anlagen positive Bauvorbescheide erteilt wurden, für Netphen nur noch ein Windenergiebereich südlich von Salchendorf vorgesehen, wo sich Netphens bisher einzige drei Windräder drehen. Im älteren Entwurf des Regionalplans von 2021, der allerdings nach massiven Einwänden im Verfahren stecken geblieben ist, waren auch noch Bereiche nördlich von Sohlbach und Nenkersdorf sowie östlich von Beienbach und Herzhausen vorgesehen.
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Da sollen sie stehen
Diese Anträge wurden gestellt:
Zwölf Anlagen mit 199 Metern Nabenhöhe in der Umgebung der Obernautalsperre in den Gemarkungen Nauholz, Grissenbach, Nenkersdorf, Beienbach und Walpersdorf: Grohain, Oberste Weidebach, Auf der Obersten Brache, Nollenkopf, Am Brämchen, Kalberseifen, Wolfshain, Scherenschleifers Born, Auf der Höhe, Im Michelbach. Vier der beantragten Standorte liegen innerhalb eines Windenergiebereichs der Karte von 2021. Zwei halten zu Beienbach nicht den 1000-Meter-Abstand ein, an dem die Bezirksregierung - im Gegensatz zum Land - festhalten will. Investor ist „Wittgenstein Wind“, ein Unternehmen des Waldbesitzers Ludwig Ferdinand Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg in Bad Laasphe.
Fünf Anlagen mit 169 Metern Nabenhöhe in Hainchen-Nord, östlich von Hainchen an der hessischen Landesgrenze. Zwei Standorte kommen näher als 1000 Meter an eine Hofstelle heran. Investor ist Eurowind Energy, eine von dänischen Unternehmern 2006 in Deutschland gegründete Gesellschaft.
Vier Anlagen in Hainchen-Süd mit 169 Metern Nabenhöhe, südlich von Hainchen an der hessischen Landesgrenze. Eine Anlage liegt innerhalb des 1000-Meter-Radius um Hainchen. Investor ist Eurowind Energy.
Zwei Anlagen mit 199 Metern Nabenhöhe auf der Bergkuppe zwischen Dreis-Tiefenbach und Breitenbach. Investor ist Eurowind Energy.
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So reagiert die Stadt Netphen
„Das kann und darf nicht sein.“ SPD-Fraktionschef Lothar Kämpfer kritisiert die Platzierung des Themas im nicht öffentlichen Teil der Ratssitzung. Die Verwaltung begründet das mit dem bei der Kreisverwaltung geführten Verfahren, das eine Beteiligung der Öffentlichkeit nicht vorsieht. „Wir haben nichts zu verbergen“, schließt sich Klaus-Peter Wilhelm (UWG) an. Der Rat beschließt, das Thema öffentlich zu behandeln, mit großer Mehrheit gegen die Stimme von Bürgermeister Paul Wagener.
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Stadtplanerin Ilka Rosenthal zeigt dem Rat die Möglichkeiten auf, die die Stadt aktuell hat: Neuerdings spielt ihr Einvernehmen wieder eine Rolle, wenn Windräder außerhalb der von der Bezirksregierung vorgesehenen Bereiche errichtet werden sollen. „Alles ist im Fluss.“ Wichtig sei, dass die Stadt Anträge gleich behandle. Mit dem Votum zu den aktuell 23 Anträgen „haben wir eine schwer wiegende Entscheidung vor uns.“ Lothar Kämpfer (SPD) hatte von insgesamt 50 Anlagen gesprochen, wenn doch noch alle im ersten Regionalplan-Entwurf vorgeschlagenen sechs Flächen zum Zuge kämen: „Die können wir vermutlich sowieso nicht verhindern.“ Der Rat des Rechtsanwalts ist es denn auch, durchgehend zu allen Anträgen außerhalb dieser Bereiche das Einvernehmen zu versagen.
„Ich freue mich, dass es vorangeht“, sagt Silvia Glomski (Grüne), „aber wir sollten das Heft nicht aus der Hand geben.“ „Was mich am meisten ärgert, ist, dass uns die kommunale Selbstverwaltung aus der Hand genommen wird“, sagt Klaus-Peter Wilhelm (UWG). Dass einerseits die Aufforstung der Wälder bezuschusst würde, andererseits diese Wälder „zubetoniert“ würden, „das passt nicht zusammen.“ Wenn alle Windenergiebereiche ausgenützt würden und tatsächlich 40 bis 50 Windräder in die Stadt kämen, „würde unsere Landschaft total zerstört“, fürchtet Manfred Heinz (SPD). Um so mehr müssten Anträge für weitere Standorte abgelehnt werden, fordert Lothar Kämpfer (SPD): „Mehr als 50 sollten es auf keinen Fall werden.“
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Jörg Roth (fraktionslos) zweifelt, dass alle Anträge ernst gemeint sind: Womöglich wollten Investoren sich nur Handhaben schaffen, um Gerichtsurteile in ihrem Sinne zu erstreiten. „Machen wir uns da nicht zu viel einen Kopf?“ Das findet Rechtsanwalt Dr. Felix Pauli nicht: „Die Stadt kann das nicht einfach ignorieren.“ Nimmt sie nicht Stellung, gilt das im weiteren Verfahren als Zustimmung. Tobias Glomski (Grüne): „Wir lehnen erst mal ab und warten, was passiert.“ Manfred Heinz (SPD) weist allerdings auch auf die Lage der Waldgenossenschaften hin: Die brauchen Einnahmen, zum Beispiel auch aus Pachtzahlungen von Windpark-Betreibern, um ihre zerstörten Wälder wieder aufzuforsten. „Denen die rote Karte vorzuhalten, ist nicht die optimale Haltung.“ Der Stadt stehe es frei, mehr zu tun, antwortet Dr. Pauli: „Positivplanungen“ für weitere Standorte seien nach wie vor möglich. „Aber die Entscheidung liegt in Arnsberg.“