Eisern. Die zweite Hälfte der Autobahnbrücke fällt am Sonntag. Weil sie direkt neben dem Neubau steht, ist Präzisionsarbeit mit Sprengstoff gefragt.
Die nächste Brückensprengung an der A 45 im Siegerland steht an: Die zweite Hälfte der Talbrücke Eisern wird am Sonntag, 26. März, abgebrochen. Nachdem die erste Hälfte im Oktober 2020 abgebrochen wurde, ist bald auch das zweite Teilbauwerk, in Fahrtrichtung Frankfurt, Geschichte. Direkt neben dem „Altbau“ fließt der Verkehr bereits über die neue Autobahnbrücke. Und das macht die Sache durchaus sensibel.
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Autobahnbrücken bestehen häufig aus zwei Bauwerken direkt nebeneinander, eine für jede Fahrtrichtung. Das hat beim Ersatzneubau den Vorteil, dass immer eine steht, um den Verkehr aufzunehmen. Eine Sprengung geht viel schneller und effizienter als der Abriss mit schweren Maschinen – das andere Bauwerk darf aber unter keinen Umständen beschädigt werden. Seit einigen Wochen wird die zweite Hälfte der Eisern-Talbrücke geleichtert: Alles, was man lösen kann, kommt weg. Schutzplanken, Lärmschutzwand, Asphalt, Kragarme. Das macht sie nicht nur so leicht wie möglich, sondern vergrößert auch den Abstand zur neuen Brückenhälfte, über die der Verkehr seit einiger Zeit fließt, erklärt Karl-Josef Fischer, Geschäftsbereichsleiter Bau in der der Autobahn-Außenstelle Netphen.
45 Kilo Sprengstoff an genau den richtigen Stellen und die Talbrücke Eisern kippt um
Die 1967 gebaute Talbrücke ist 237 Meter lang, 50 hoch, hat fünf Pfeiler. In jeden wurde ein „Sprengmaul“ geschnitten, das sich wie die Fällkerbe beim Baumfällen in Kipprichtung öffnet: 45 Kilo Sprengstoff in 525 Bohrlöchern an den entscheidenden Stellen reißen den verbliebenen Beton weg, die Mäuler klappen gewissermaßen zu, unter ihrem Eigengewicht kippt die Brücke ins Tal. In Eisern ist der Platz dafür, weg von der anderen Brücke, erklärt Sprengmeister Michael Schneider, Firma Liesegang aus Hürth. Der neuen Brücke und ihrem Fundament darf nichts passieren. Wenn zum Beispiel Gebäude in der Nähe stehen, kommt die Kollapssprengung zum Einsatz: Die lässt die Pfeiler wie Zollstöcke zusammenknicken, die Brücke fällt dann senkrecht zu Boden.
Gleichzeitig muss der Sprengstoff auch an den Widerlagern, den Übergängen vom Bauwerk zum Berg, die Verbindung lösen, sonst würde die Brücke hier wie in einem Schraubstock festgehalten. Das kann auch nicht vorher getrennt werden, erklärt der Sprengmeister: Die Brücke ist groß, bietet dem Wind viel Angriffsfläche, das riesige Bauwerk könnte in Bewegung versetzt werden.
Die A 45-Talbrücke Eisern knallt nicht in einem Stück auf den Boden
15.000 Kubikmeter Erde wurden zu einem Fallbett aufgeschüttet, das den Aufprall der Brücke abfedert – wie eine Matratze, auf der Kinder hüpfen, erklärt Schneider. Die Eisern-Talbrücke knallt auch nicht in einem Stück auf den Boden. Das Bauwerk ist dafür gemacht, grade zu stehen, schon das Kippen halten die Fugen und Verbindungen nicht aus, in Sekundenbruchteilen lösen sich die Segmente, die Brücke schlägt in mehreren Teilen auf – mehrere, weniger schwere Erschütterungen. Nachher, wenn Michael Schneider die Drohnen-Videos auswertet, kann man das gut in Zeitlupe sehen, sagt er.
Das alles ist präzise berechnet und vorbereitet und doch hat Sicherheit allerhöchste Priorität. Der Sprengtag ist militärisch-präzise durchorganisiert, alle Beteiligten wissen auf die Sekunde genau, was wann wo passiert und was nicht passieren darf, wo sie zu sein haben. 44 Absperrposten des Technischen Hilfswerks werden ab 8 Uhr morgens eingewiesen – in einem Radius von 300 Metern darf sich niemand der Brücke nähern. Wenn der Ring geschlossen ist, lassen sie sie niemanden mehr durch, mit Hunden wird der Sperrbezirk abgesucht. Es gibt halt Leute, die nichts von der Gefahr wissen – oder diese ignorieren, sagt der Sprengmeister. Und auch wenn sich Leute vor Ort auskennen und die beste Sicht haben wollen: Es wird niemand durchgelassen.
A 45 und Straßen rund um die Talbrücke Eisern werden für Sprengung komplett gesperrt
Um 9.30 wird die Autobahn zwischen Siegen und Wilnsdorf komplett gesperrt, die Straße „Wolfsbach“ (L 562) ist da zwischen Kreisel Leimbach- bis Einmündung Eiserntalstraße längst dicht, einige wenige Häuser müssen evakuiert werden, es gibt keine Ausnahmen. Keiner betritt die Gefahrenzone. 10.45 Uhr erstes Sprengsignal (langer Fanfarenton), 10.55 Uhr zweites Sprengsignal (zwei kurze Fanfarentöne), 10.59 Uhr Vergrämungssprengung, damit die Vögel verschwinden und um 11 Uhr zündet Michael Schneider die Ladungen.
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Wenn sich die Brücke gelegt hat und auch der Staub prüfen Experten zuallererst die neue Brücke, in deren Inneren zahlreiche Mess- und Sensorsysteme verbaut sind. Wenn die Straßen wieder frei sind – etwa 14 Uhr – beginnt das große Aufräumen. Ende Mai soll der Schutt weg sein, die Obersdorfer Straße kann wieder freigegeben werden. Und dann wird die zweite Brückenhälfte gebaut: Ende 2024, sagt Karl-Josef Fischer, soll der Verkehr darüber fahren können.