Siegen. Landgericht Siegen muss sich mit komplizierter Beziehung beschäftigen. Für den Angeklagten ist das mutmaßliche Opfer die „Liebe seines Lebens“.

Für den Angeklagten (47) war die Frau die Liebe seines Lebens, ihm mehr oder weniger vom Schicksal zugeführt. Er wollte sie ehren und beschützen – so zumindest seine Darstellung. Nun sieht er sich vor der 1. Großen Strafkammer einer schweren Anklage gegenüber. Dreimal soll er die Frau gegen ihren Willen sexuell bedrängt und vergewaltigt haben. Einmal in Verbindung mit einer Körperverletzung.

Gerichtsverhandlung in Siegen: Angeklagter sagt vor Gericht nicht aus

Nach der Anklage war es während der Beziehung im Juni und Dezember 2017 zu Übergriffen gekommen, bei denen es jeweils gegen die deutliche Abwehr der Frau zu Intimitäten kam. Die dritte Anklage bezieht sich auf den 17. Juni 2018. Da soll der Mann mit einem Schlüssel in die neue Wohnung des mutmaßlichen Opfers eingedrungen sein und sie wiederum vergewaltigt haben. Er hatte sie zuvor, das wird im Laufe dieses ersten Verhandlungstags deutlich, intensiv beim Umzug in die eigene Wohnung unterstützt.

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Sein Mandant habe im Vorfeld der Hauptverhandlung mehrfach Aussagen gemacht, werde dies aber nun zunächst wenigstens nicht tun, kündigt Verteidiger Martin Kretschmer aus Bonn an. Das mutmaßliche Opfer wird anschließend unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen, mehr als anderthalb Stunden lang.

Siegen: Mutmaßliches Opfer sucht sich Hilfe bei Beratungsstelle „Frauen helfen Frauen“

Die 41-Jährige war mit ihrer kleinen Tochter, ein gemeinsames Kind mit dem Angeklagten, über mehrere Monate in Kontakt mit der Beratungsstelle „Frauen helfen Frauen“. Eine Mitarbeiterin sagt im Zeugenstand, es sei um Probleme in der Beziehung gegangen, um unterschiedliche Vorstellungen im Zusammenleben ebenso wie um die sexuelle Übereinstimmung. Der Angeklagte habe immer wieder zu Zeiten intim werden wollen, in denen seine Gefährtin es für unpassend gehalten habe, etwa, wenn die Kinder in der Nähe waren. Sie hat noch zwei Töchter aus einer anderen Beziehung. Er einen Sohn. Aus Sicht der Therapeutin sei es zumindest am Anfang nicht um eine Anklage gegen den Mann gegangen. Obwohl die Frau ihr mindestens ein Geschehen geschildert hätte, „das ich als Vergewaltigung gesehen habe. Sie aber nicht.“

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Aus mehreren Chats nach dem 17. Juni 2018 und einem sehr langen und durchaus eloquenten Brief des Angeklagten vom Anfang des gleichen Monats geht hervor, dass er die Frau über alle Maßen liebt oder geliebt hat, fest entschlossen war, um sie zu kämpfen und sich seiner Fehler zu diesem Zeitpunkt sehr bewusst war. Er wolle sie beschützen, sie vor Dingen bewahren, die sie in der Vergangenheit erlebt habe, für sie und alle Kinder da sein.

Gerichtsverhandlung in Siegen: Gutachterin wird ohne Publikum gehört

Sie sei eine starke und wunderbare Frau, für die er gern „Fels in der Brandung“ sein und sie nie wieder verletzen wolle. Er wisse wohl, falsch gehandelt zu haben, hätte ihr seine Liebe beweisen wollen und stattdessen sexuelle Übergriffe verübt. Dabei sei es aber nie ausschließlich um Lust gegangen. Sondern immer um ihr Herz. Das spätere Eindringen in die Wohnung gegen ihren Wunsch begründet er in den Chatbeiträgen mit Sorge und der dringenden Notwendigkeit eines Gesprächs.

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Gutachterin Dr. med. Carola Spaniol wird auf Antrag von Nebenklagevertreterin Simone Göckus wieder ohne Publikum gehört. Weil deren Erkenntnisse ebenfalls unbedingt schützenswerte Bereiche der Privatsphäre ihrer Mandantin berührten, sagt die Anwältin. Danach vertagt sich die Kammer bis Freitag, 29. Oktober.

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