Siegen. Vielfach vorbestrafter Angeklagter gibt Angriff auf Frau in Behindertentoilette zu. Seinen Bewährungshelfer beschäftigte er über 30 Jahre.
Zum Prozessauftakt am vergangenen Donnerstag hat Verteidiger Andreas Trode noch abgeblockt. Sein Mandant werde sich zu den Vorwürfen nicht äußern, sehe die Dinge aber deutlich anders als das mutmaßliche Opfer der unter anderem angeklagten Vergewaltigung. Am Mittwoch nun gibt es eine neue Situation.
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Nach einem Rechtsgespräch verständigen sich die Beteiligten auf eine Bewährungsstrafe für den vielfach vorbestraften Bad Berleburger auf dem Sünderplatz. Dafür muss er ein Geständnis abliefern. Was er über seinen Anwalt auch macht. Danach stimmt es, dass der 45-jährige H. am 28. Mai 2017 mit den Worten „Polizei, aufmachen“ an die Tür der Behindertentoilette am Siegener Busbahnhof geklopft hat. Dort befanden sich ein Mann und eine Frau, die von ihm nach Drogen durchsucht werden. Der Frau hat er demnach gegen ihren Willen sexuelle Gewalt angetan, schließlich aber auch wieder abgelassen. „Ich habe Angst“, hat sie gerufen und den Angeklagten weggeschubst.
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Opfer: Behinderte wehren sich
Die Zeugin (38) kommt mit ihren Betreuern aus Konstanz, wo sie inzwischen lebt, wird unmittelbar nach der Einlassung mit dem Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben. Ob sie noch einmal alles erzählen müsse, möchte sie wissen und wird über das Geständnis aufgeklärt. Das freue sie, ruft sie. „Ich bin aber auch froh, dass es hier heute noch einmal behandelt wird“, fügt sie direkt an. Viele dächten, dass sie als Behinderte sich nicht wehren könne: „Ich konnte mich aber wehren.“ Menschen wie sie würden viel zu wenig angehört. Der Angeklagte habe ihr weh getan. Einer wie er gehöre eigentlich gar nicht auf die Straße. Aber es sei gut, dass er sich nun Gedanken gemacht habe.
H. schweigt dazu. Es gibt auch keine Entschuldigung. Ganz bewusst, ist später von Anwalt Andreas Trode zu erfahren. Die Aussagefähigkeit der jungen Frau war durch ein Gutachten zuvor in Frage gestellt worden. Er habe mit dem Angeklagten entschieden, eine solche Ansprache zu vermeiden, weil nicht abzusehen war, ob sie das verarbeiten könne. Der Mandant bedauere sein Verhalten seinerzeit aber aufrichtig, versichert der Jurist aus Iserlohn.
2018 aus der Haft entlassen
Dass sich beim Angeklagten einiges geändert hat, ist auch der Aussage seines langjährigen Bewährungshelfers Reinhold Vater zu entnehmen. Der Sozialarbeiter kennt H. fast 30 Jahre, hat ihn bis Anfang des Jahres betreut, H. als „Größe“ in der heimischen Kriminellen- und vor allem Drogenszene wahrgenommen, als einen Mann, „bei dem viele Fäden zusammenliefen“. Die Zusammenarbeit sei von Höhen und Tiefen geprägt gewesen: „Mal war ich der beste Bewährungshelfer in Wittgenstein, dann wieder der Böse, mit dem auf keinen Fall zusammengearbeitet werden kann.“ Meistens sei der Proband extrem unterwürfig gewesen, „wenn ihm etwas nicht passte und gegen seine selbstaufgestellten Regeln verlief, konnte er aber auch sehr böse werden“.
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Seit H. zuletzt aus der Haft gekommen sei, Anfang 2018, habe er sich aber anders verhalten, sei bemüht gewesen, sich aus den Dingen herauszuhalten und sich auf seine Familie zu konzentrieren. Da gebe es amtliche Unterstützung, die im Gegensatz zu früheren Jahren auch akzeptiert werde. Die Führungsaufsicht sei in diesem Jahr beendet worden, von neuen Straftaten weiß Vater nichts. Allerdings bekomme H. wegen diverser Krankheiten Medikamente und „verschreibt sich auch selbst immer mal wieder etwas“. Ganz frei sei der Mann von Drogen nicht, aber auch nicht mehr auffällig.
Urteil wird am Montag verkündet
All das macht den Weg frei für das angestrebte Ergebnis. Der Staatsanwalt beantragt für einen besonders schweren Fall der Vergewaltigung und Amtsanmaßung zwei Jahre mit Bewährung und Sozialstunden, der Verteidiger hätte lieber nur ein Jahr und neun Monate. Sozialstunden seien schwierig, weil H. wahrscheinlich gesundheitlich dazu gar nicht in der Lage sei. Ein Gutachten sei schon länger in Arbeit.
Eine Anklage weniger
Der ebenfalls angeklagte Vorfall in der JVA Attendorn, wo H. bei einem Wutanfall mit Gewalt gegen die Beamten gedroht hatte, spielt keine Rolle mehr. Dieses Verfahren wird eingestellt.
Über Sozialstunden habe keiner bei der Verständigung gesprochen, wiegelt Richterin Elfriede Dreisbach ab. Die könne es daher zumindest im Urteil gar nicht geben; vielleicht später, wenn das Gutachten vorliege. Die Kammer bietet ein Urteil am Nachmittag an, dem Verteidiger ist Montag um 13 Uhr passender. Dann wird auch Bewährungshelfer Vater noch einmal kommen. Der eigentlich gedacht hatte, am Mittwoch schon durch zu sein: „Das ist meine letzte Gerichtsverhandlung.“ Er steht kurz vor der Rente.
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