Siegen. Kriminalhauptkommissarin Susanne Otto ist die Opferschutzbeauftragte der Polizei Siegen-Wittgenstein. Sie hilft Menschen in Extremsituationen.
Es ist einer der emotionalsten Momente in einem Prozess, der ohnehin nur schwer rein sachlich zu beobachten ist. „Sie ist das ideale Opfer. Völlig unschuldig“, beschreibt Polizistin Susanne Otto jene junge Frau mit geistiger Behinderung, die im Sommer 2020 Opfer einer Vergewaltigung geworden ist. Susanne Otto ist Kriminalhauptkommissarin und seit 2018 die Opferschutzbeauftragte der Kreispolizei Siegen-Wittgenstein.
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Sie hat den Fall von Beginn an begleitet, ist dem Opfer und deren Mutter bis zum Urteil bei offiziellen Anlässen kaum von der Seite gewichen. „Das ist eigentlich nicht meine Aufgabe“, sagt sie ein paar Wochen später über diese intensive Betreuung. Aber gelegentlich mache sie es eben doch. Auch, um mit dem Ende eines Gerichtsverfahrens die Angelegenheit für sich selbst abschließen zu können.
Siegen-Wittgenstein: Opferschutzbeauftragte ist für alle Betroffenen ansprechbar
Die erfahrene Polizistin ist Ansprechpartnerin für jeden Menschen, der Opfer einer Straftat, eines Unglücksfalls oder auch Unfalls geworden ist, soweit die Polizei dabei involviert war. Die Kolleginnen und Kollegen weisen sie auf mögliche Betreuungsfälle hin. Sie selbst schaut in die aktuellen Tagesberichte – und natürlich wartet sie auch einfach darauf, dass Betroffene sie ansprechen.
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Die Nummer respektive Mailadresse ist problemlos auf der Internetseite der Kreispolizei zu finden. Dieser Weg ist Susanne Otto der Liebste, weil die Menschen dann bewusst auf sie zukommen und sie ihre Unterstützung nicht aufdrängen muss. Wobei sich die Polizistin wohl bewusst ist, dass es Menschen gibt, die Hemmungen haben, die Polizei auf diese Weise als Helfer anzusprechen.
Opferschutzbeauftragte Polizei Siegen-Wittgenstein: „Mehrzahl der Opfer ist weiblich“
Ist der Kontakt einmal hergestellt, bemüht sich Susanne Otto, die bestmögliche Hilfe für die jeweiligen Kontaktpersonen zu finden. „Ich bin keine Sozialarbeiterin“, betont die Tochter eines Polizisten, die ihre Aufgabe vor allem im Rahmen eines großen Netzwerks sieht und erfüllt, das sie sich im Laufe vieler Jahre geknüpft hat. Sie kennt die Beratungsstellen, kann zu Psychologen vermitteln oder auch an ihre Amtskollegen und -kolleginnen im angrenzenden Bereich, zum Beispiel Olpe. Wenn der Hilfesuchende ein Mann ist und lieber mit einem Geschlechtsgenossen über seine Ängste und Sorgen sprechen möchte, finden sich auch adäquate Unterstützungsmöglichkeiten. Was andererseits auch kein Geheimnis sei: „Die Mehrzahl der Opfer ist weiblich.“
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Manchmal reiche schon ein Gespräch, das Gefühl, ernst genommen zu werden, einfach reden zu können. Andere Geschehnisse brauchten länger, wie eben der eingangs zitierte mit der so normal aussehenden jungen Frau, die aber geistig irgendwo vor der Grundschule stecken geblieben ist. Da nimmt sich Susanne Otto dann einfach die nötige Zeit. Zumindest, bis der Fall zu den Akten gelegt werden kann. Weiter darf sie gar nicht gehen, weil sie auch in ihrer Position den polizeilichen Grundregeln unterliegt. Sie will es aber gar nicht, muss für sich selbst einen Schnitt machen. Hier und da treffe sie die Probanden im Nachhinein noch einmal, „aber Freundschaften sind bisher nie entstanden. Ich muss mich auch selbst vor entstehenden eigenen psychischen Belastungen schützen“, betont Susanne Otto.
Opferschutz bei der Polizei Siegen-Wittgenstein: Empathie und Erfahrung
Sie ist als Seiteneinsteigerin vom BKA zur Siegener Polizei gekommen und hat sich nach einigen Jahren im normalen Ermittlungseinsatz, unter anderem auch nach den Vorfällen in der Erstaufnahmeeinrichtung Burbach, ganz bewusst gemeldet, als die Stelle der Leitung des Kriminalkommissariats Prävention/Opferschutz ausgeschrieben war. „Ich mache das wirklich gern“, betont sie mit Überzeugung, die Frau mit dem weißen Bubikopf, die immer einen Hauch von Freundlichkeit und Empathie vor sich herträgt, die Schwelle für andere Menschen, sich ihr zu öffnen, damit automatisch niedrig hält.
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Susanne Otto hat noch eine Stellvertreterin, will sich bewusst auch auf diese Weise ein gewisses Polster erhalten, nicht rund um die Uhr im Dienst zu sein und auch einmal ganz normal ein Wochenende oder Urlaub mit ihrem Mann verbringen zu können. Aber so ganz abschalten geht bei der engagierten Polizistin eher nicht, das wird im Gespräch mit ihr schnell deutlich. Sie selbst ist über eine gewisse Zeit der Entscheidungsfindung zur Polizei gekommen, hätte fast Sport studiert und hat über Rechtswissenschaft nachgedacht, sich aber schließlich für den jetzigen Beruf entschieden.
Opferschutzbeauftragte Susanne Otto: Starkes Netzwerk in Siegen-Wittgenstein
Für die Juristerei interessiert sie sich immer noch, „weil ich einfach verstehen möchte, was diese Seite denkt“. Sie habe gute Kontakte zur heimischen Justiz und den Anwälten, sei aber im Lauf der Jahre auch immer wieder überrascht gewesen, mit welchen Fragen und Einstellungen Polizisten etwa im Zeugenstand konfrontiert würden. Das eigene Verhalten an diesem Platz ändere sich mit den Jahren, wachse eben auch mit der Erfahrung. Heute werde sie besser mit manchen Anwaltsverhören fertig, wie in ihrer Anfangszeit – und will die Juristen auf keinen Fall kritisieren. Die machen ihre Arbeit und die Polizisten die ihre. Die dann eben sorgfältig genug sein müsse, um dann als Zeugin vor Gericht den Anwälten Rede und Antwort stehen zu können.
Kontakt
Kontakt zu Susanne Otto: siegen-wittgenstein.polizei.nrw/artikel/opferschutz-6.„Polizeilicher Opferschutz und Opferhilfe soll dazu beitragen, Menschen, die durch Straftaten oder Unglücksfälle in ihrer Lebensqualität erheblich beeinträchtigt wurden, vor weiteren Gefahren zu schützen und ihnen Hilfen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes anzubieten bzw. zu vermitteln“, heißt es dort.
Auch das zeigt das besondere Engagement Susanne Ottos, die in Hessen geboren ist und so gar keine Lust verspürt, ihre Aufgabe zeitnah aufzugeben. Wenn mal jemand sage, „die Susi kann auch noch wieder etwas Anderes machen, dann ist das für mich ich ok“, sagt sie schmunzelnd. Aber grundsätzlich „hoffe ich, das hier noch ein paar Jahre machen zu können!“
Opfer brauchen individuelle Hilfe
Sie freut sich über jüngere Kollegen, die sich für die Arbeit interessieren. Aber wer eine solche Aufgabe übernehme, sollte besser auch Erfahrung mitbringen, ist Susanne Otto überzeugt. Der Umgang mit Menschen aller Art und die Sensibilität für deren ganz spezifische Probleme, da seien ein paar Dienstjahre in anderen Bereichen nicht das Schlechteste. Dazu kommen Schulungen, vor allem eben auch der Spaß an der Aufgabe und die Bereitschaft, zu helfen. Sich auf alles einstellen und vorbereiten, das gehe ohnehin nicht, dazu seien die Umstände und die Menschen einfach zu verschieden.
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